Normen
Mietengesetz §7 (1)
Mietengesetz §7 (1)
Spruch:
Die Legitimation zur Stellung eines Antrages nach § 7 (1) MietG. richtet sich nach der Zahl der im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorhandenen Mieter und nicht nach der Zahl der vermietbaren Bestandsobjekte, unabhängig vom Jahresmietwert der einzelnen Bestandgegenstände.
Entscheidung vom 14. November 1963, 5 Ob 274/63.
I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Kreisgericht Wiener Neustadt.
Text
Das Erstgericht wies den gemäß § 7 (1) MietG. gestellten Antrag der Agnes Z. auf Erhöhung des Hauptmietzinses infolge notwendiger Reparaturarbeiten im Hause St. Nr. 3 ab. Es stellte durch Einsicht in die Zinsgroschensteuererklärung vom 15. November 1929 fest, daß in dem gegenständlichen Haus sechs Mietwohnungen vorhanden seien, von denen die Antragstellerin eine mit einem Mietwert von 276 Friedenskronen bei einem Gesamtfriedensmietwert von 1164 Friedenskronen gemietet habe. Wenn auch nach den Ausführungen der Antragsgegner bei der Tagsatzung vom 29. Mai 1963 derzeit nur zwei weitere Wohnungen vermietet seien, die anderen jedoch leer stehen, so sei die Antragstellerin dennoch nicht zur Stellung eines Antrages gemäß § 7 MietG. legitimiert, weil sie für sich allein nicht ein Drittel der Mieter - weder der Zahl noch dem Mietwertanteil nach - darstelle. Ihre Antragslegitimation könne auch nicht davon abhängen, ob in einem Haus im Zeitpunkt der Antragstellung gerade alle Mietwohnungen tatsächlich vergeben seien oder nicht.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem Gerichte die Fortsetzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung auf, wobei es gemäß § 32 (2) MietG. den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuließ.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es handelt sich im vorliegenden Fall darum, ob es bei dem im § 7 (1) MietG. als antragsberechtigt bezeichneten "ein Drittel der Mieter" im Sinne der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nur auf die Zahl der im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorhandenen Mieter ankommt oder im Sinne der Rechtsansicht des Erstgerichtes auf das Verhältnis der Jahresmietwerte der Antragsteller zum Gesamtjahresmietwert des Hauses und auf die Zahl aller vorhandenen Wohnungen, unabhängig davon, ob und welche im Zeitpunkt der Antragstellung gerade vermietet sind.
Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:
Während ursprünglich bloß der Vermieter gemäß § 7 (1) MietG. zur Antragstellung legitimiert war, hat die MietGNov. 1950 (BG. vom 15. Dezember 1950, BGBl. Nr. 27/1951) zunächst der Mehrheit der Mieter auch das Antragsrecht zuerkannt. Die MietGNov. 1951 (BG. vom 21. September 1951, BGBl. Nr. 228/1951) hat "ein Drittel der Mieter" für antragsberechtigt erklärt. Weder in den Gesetzen noch in den Materialien wird näher ausgeführt, nach welchen Gesichtspunkten die "Mehrheit", bzw. "ein Drittel der Mieter" zu ermitteln sei (vgl. den Bericht des Justizausschusses in Nr. 278 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR. VI. GP. über die Regierungsvorlage laut Nr. 192 der Beilagen, weiters S. 1736 ff. der stenographischen Protokolle über die Sitzungen des NR. VI. GP. 42. Sitzung zur MietGNov. I950 und den Bericht des Justizausschusses in Nr. 440 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR. VI. GP. über den Initiativantrag auf Novellierung des Mietengesetzes sowie S. 2250 ff. der stenographischen Protokolle über die Sitzungen des NR. VI. GP. 63. Sitzung zur MietGNov. 1951). Der Oberste Gerichtshof kann der Ansicht Czech - Michlmayrs in "Die Wohnungsgesetze" auf S. 87/88 (zur Mietengesetznovelle 1950) und in "Der neue Mietzins nach der Mietengesetznovelle 1951" auf S. 91/92 nicht beipflichten, daß es diesfalls nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kopfzahl der Mieter, sondern auf die Jahresmietwerte ankommen solle. Die angeführten Autoren räumen (S. 87 zur Mietengesetznovelle 1950) selbst ein, daß es nach dem Wortlaut des Gesetzes auf die Kopfzahl ankommen müßte. Ihr Hinweis auf § 4 MietG. ist nicht überzeugend, weil dort nicht von der Aufteilung der Betriebskosten und laufenden Abgaben auf die Mieter, sondern auf die einzelnen "Mietgegenstände" gesprochen wird. Zum Hinweis auf § 6 (1) Z. 3 lit. a MietG. (S. 92 zur Mietengesetznovelle 1951) ist zu sagen, daß dort von Anlagen gesprochen wird, die der gemeinsamen Benützung der "Bewohner" des Hauses dienen. Gerade deshalb, weil hier nicht von den Mietern, sondern von den Bewohnern des Hauses und im § 4 MietG. auch nicht von den Mietern, sondern dort von den einzelnen Mietgegenständen gesprochen wird, kann nicht nur nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die in den §§ 4 und 6 MietG. angeführten Bezeichnungen mit dem im § 7 MietG. verwendeten Ausdruck "Mieter" gleichsetzen wollte, sondern es könnte im Gegenteil eher angenommen werden, daß der Gesetzgeber dies nicht wollte. Auch der Hinweis auf § 10 (1) WEG. und die Ansicht Borothas (das Wohnungseigentum S. 46) - laut welcher hier die Mehrheit der Stimmen nicht nach den Personen, sondern nach dem Verhältnis ihrer Anteile gemäß § 833 ABGB. gezählt werden müsse - greift nicht durch, weil es sich im Falle des § 10 WEG. nicht um Mieter, sondern um Miteigentümer handelt, die Bestimmung des § 833 ABGB. nur Miteigentümer betrifft und nicht in jedem Falle auch auf eine Mehrheit von Mietern angewendet werden kann.
Es ist daher - was auch der Auslegungsregel des § 6 ABGB. entspricht - vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen, der auch nach der bereits wiedergegebenen Ansicht Czech - Michlmayrs - vgl. übrigens Czech "Bevorstehende Mietengesetznovelle" Imm.-Z. 1951 S. 227 - dafür spricht, daß es auf die Kopfzahl der vorhandenen Mieter ankommt. Dies hat auch die zu MietSlg. 8012 zitierte Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS. Wien mit Recht angenommen. Insofern sie ausführt, daß es hiezu gar nicht eines Analogieschlusses aus der KO. (§ 147) und AO. (§ 42) bedürfe, ist ihr beizustimmen, wobei allerdings auch aus den angeführten Gesetzesstellen hervorgeht, daß der Gesetzgeber dann, wenn er unter dem Begriff einer Mehrheit, also einem zahlenmäßigen Begriff, etwas anderes als die Kopfzahl der Stimmberechtigten meint, dies ausdrücklich anführt. Es muß daher deshalb, weil der Gesetzgeber im § 7 (1) MietG. bloß - seinerzeit - von der Mehrheit, seit der Mietengesetznovelle 1951 von einem Drittel der Mieter spricht, im Sinne der Rechtsansicht des Rekursgerichtes angenommen werden, daß damit nur die Zahl der im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorhandenen Mieter gemeint sein konnte, wobei allerdings im Sinne der zutreffenden Ausführungen der zweiten Instanz hieraus nicht unvernünftige Folgerungen gezogen werden können und jedem vermieteten Objekt immer nur eine Stimme zuerkannt werden kann, so daß mehrere Mitmieter eines Mietgegenstandes als eine Person zu gelten haben; denn ansonsten wären die Stimmen nicht gleichgewichtig (s. hiezu auch Zingher, Das Mietengesetz[8] S. 12).
Dem Rekursgericht ist auch darin beizustimmen, daß gerade daraus, daß im § 7 (1) MietG. zunächst zur Frage der Bedeckung der notwendigen Erhaltungsauslagen auf die Summe der von den Mietern zu entrichtenden Hauptmietzinse und der entsprechend vervielfachten Jahresmietwerte nicht vermieteter Bestandteile ausdrücklich Bezug genommen wird, dies aber in der Folge hinsichtlich der Antragsberechtigung nicht geschieht, sondern nur "ein Drittel" der Mieter genannt wird, geschlossen werden muß, daß der Gesetzgeber es bei der Antragsberechtigung nur auf die Kopfzahl ankommen lassen wollte. Da das Gesetz im Gegensatz zu § 4 (1) MietG. im § 7 (1) MietG. auch nicht von den einzelnen "Mietgegenständen", sondern nur von den Mietern spricht, also nicht auf das Mietobjekt, sondern auf die Person des Mieters abstellt, ist dem Rekursgericht auch darin beizustimmen, daß es diesfalls nur auf die tatsächlich vorhandenen Mieter und nicht auf die Zahl der vermietbaren Bestandobjekte ankommt.
Die im Rekurs der Antragsgegner gegen den Beschluß des Rekursgerichtes angeführten Billigkeitserwägungen auf der Grundlage einzelner konstruierter Fälle vermögen die zutreffende Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht zu widerlegen. Daß gemäß § 7 (2) MietG. der neue Hauptmietzins im gleichen Verhältnis zum bisherigen Hauptmietzins festzusetzen ist, läßt entgegen der im Rekurs vorgetragenen Ansicht der Antragsgegner nicht den zwingenden Schluß zu, daß die Antragsberechtigung entgegen dem Wortlaut des Gesetzes doch nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem Verhältnis der Mietwerte zu bestimmen sei; denn für die Verteilung der Reparaturkosten auf die einzelnen Mieter müssen nicht die gleichen Grundsätze angewendet werden, wie für die Antragsberechtigung.
Aus den angeführten Erwägungen war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.
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