Spruch:
Eine Anweisung des Gemeinschuldners auf Kredit ist, wenn hiedurch keine Gläubigerbenachteiligung erfolgt, nicht anfechtbar.
Entscheidung vom 13. November 1963, 6 Ob 294/63.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger stellte das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, den Betrag von 535 S samt 5% Zinsen seit 26. Juni 1962 sowie die Prozeßkosten in die Konkursmasse der protokollierten Firma Anna Sch. binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Er brachte vor, daß mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 13. September 1962 der Konkurs über das Vermögen der protokollierten Firma Anna Sch. eröffnet und er zum Masseverwalter bestellt wurde. Die Firma Sch. sei bereits früher, mindestens seit März bis April 1962, zahlungsunfähig gewesen. Die beklagte Partei habe aus länger zurückliegenden Warenlieferungen eine Anzahl von Forderungen gehabt, die sie trotz Mahnung, Klags- und Exekutionsführung nicht habe hereinbringen können. Da die Gemeinschuldnerin die von der beklagten Partei erzeugten Waren dringend benötigte, eine Barzahlung aber wegen der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit nicht möglich gewesen sei, zumal zahlreiche andere Gläubiger gleichfalls die Zahlung ihrer Forderungen begehrt hätten, habe die Gemeinschuldnerin die Firma Ö. ersucht, ihr einen Vorschuß auf Provisionen und Regiebeiträge von 25.000 S zu gewähren. Am 26. Juni 1962 habe die Firma Ö. von dem gewährten Vorschuß im Betrage von 25.000 S an die beklagte Partei eine Zahlung von 535 S überwiesen. Der beklagten Partei habe bei gehöriger Aufmerksamkeit, die ihr als Kaufmann obliege, die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bekannt sein müssen, zumal für sie in der Dentalbranche zahlreiche Informationsmöglichkeiten über die Gemeinschuldnerin bestanden hätten. Die am 26. Juni 1962 erfolgte Zahlung an die beklagte Partei werde daher gemäß §§ 30 (1) Z. 1 und 31 (1 KO) . angefochten, da hiedurch zahlreiche andere Gläubiger der Gemeinschuldnerin benachteiligt worden seien und durch die Rückzahlung des eingeklagten Betrages im Konkursverfahren eine erhöhte Befriedigungsaussicht für sämtliche Konkursgläubiger bestehe.
Außer Streit gestellt wurde, daß mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 13. September 1962 über das Vermögen der protokollierten Firma Anna Sch. der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt wurde, und daß die Firma Ö. am 26. Juni 1962 der beklagten Partei zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderungen einen Betrag von 535 S für Rechnung der Gemeinschuldnerin überwiesen hat.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:
Die beklagte Partei sei seit dem Jahre 1926 mit der Firma Sch. in Geschäftsverbindung gestanden. Seit zwei bis drei Jahren habe die Firma Sch. die aus den Warenlieferungen der Beklagten resultierenden Zahlungen öfter nicht fristgerecht geleistet, so daß die Beklagte im Jahre 1961 einmal die Hilfe des Kreditschutzverbandes zum Inkasso ihrer Forderungen in Anspruch nehmen mußte. Diese Forderung sei dann bezahlt worden. Mit Ende des Jahres 1961 habe die Beklagte gegen die Firma Sch. für Warenlieferungen lediglich 126 S 84 g zu fordern gehabt. Im Jänner 1962 habe der damalige Inhaber der Firma Sch. bei der Beklagten vorgesprochen und erklärt, daß er das Geschäft von seiner Großmutter übernommen habe, es weiterführen wolle und um ein Zahlungsziel von vier Monaten bitte. Die beklagte Partei habe dieses Ersuchen abgelehnt und lediglich ein Zahlungsziel von zwei Monaten unter der Bedingung zugestanden, daß die Termine genau einzuhalten seien. Der Inhaber der Firma Sch. habe der beklagten Partei damals mitgeteilt, daß er auch andere Gläubiger habe, mit denen er sich auseinandersetzen müsse. Über die Höhe seiner Schulden und seine finanzielle Leistungsfähigkeit sei aber im einzelnen nichts gesprochen worden. Im Jahre 1962 habe die Beklagte an die Firma Sch. neuerlich Waren geliefert, und zwar am 8. Februar um 535 S, am 22. März um 210 S 20 g, am 7. März um 420 S 50 g und am 26. März um 760 S 50 g. Die Firma Sch. sei seit mindestens März 1962 zahlungsunfähig geworden, da seit dieser Zeit jedenfalls mehrere gleichzeitig andringende Gläubiger vorhanden gewesen seien, deren Forderungen nicht mehr berichtigt werden konnten. Als die Firma Sch. nach Verstreichen des gewährten Zieles der Beklagten keine Zahlung leistete, habe diese im April 1962, und später nochmals ohne Ergebnis gemahnt. Am 3. Mai 1962 habe sie den Kreditschutzverband mit dem Inkasso ihrer Forderung beauftragt, aber noch im Juni eine Verständigung des Kreditschutzverbandes erhalten, daß ein Inkassoversuch ergebnislos geblieben sei. Darauf habe sie am 25. Juni 1962 dem Kreditschutzverband einen Kontoauszug übermittelt und um Klagseinbringung gegen die Firma Sch. ersucht. Im Juni 1962 habe die Firma Sch. die Firma Ö. ersucht, ihr einen Vorschuß auf Provisionen und Regiebeiträge von 25.000 S zu gewähren. Diesem Ersuchen sei die Firma Ö. nachgekommen und habe der Firma Sch. diesen Betrag in der Weise zur Verfügung gestellt, daß sie über deren Anweisung an verschiedene Gläubiger Beträge überwies, darunter am 26. Juni 1962 einen Betrag von 535 S an die beklagte Partei. Daß diese Überweisung für die Rechnung der Firma Sch. erfolgte, sei der beklagten Partei durch den Vermerk "Faktura der Firma Sch." am Erlagscheinabschnitt erkenntlich gewesen. Nicht als erwiesen anzunehmen sei, daß die Beklagte im Zeitpunkt der Zahlung durch die Firma Ö. eine über den geschilderten Sachverhalt hinausgehende Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Firma Sch. gehabt habe.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 30 (1) Z. 1 KO. schon deswegen nicht gegeben sei, weil in der Zahlung durch die Firma Ö. keine inkongruente Deckung erblickt werden könne. Aber auch der Anfechtungstatbestand nach § 31 (1) Z. 2 KO. sei nicht gegeben. Daß der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt des Erhaltes der Zahlung nicht bekannt war, ergebe sich aus den Feststellungen. Die Zahlungsunfähigkeit hätte ihr aber auch nicht bekannt sein müssen. Auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätte die Beklagte keine Veranlassung gehabt, vor dem 26. Juni 1962 besondere Erkündigungen über die Zahlungsfähigkeit der Firma Sch. einzuholen, da hiefür keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden waren. Es fehle also jedenfalls das für den Anfechtungstatbestand notwendige Kennen oder Kennenmüssen der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin. Im übrigen sei aber die Anfechtung schon deswegen nicht möglich, weil sich aus dem Vorbringen der klagenden Partei ergebe, daß die Zahlung an die Beklagte aus einem der Gemeinschuldnerin von der Firma Ö. eingeräumten Kredit erfolgt sei. Die teilweise Befriedigung der Beklagten sei also mit fremden Mitteln aus einem hiezu aufgenommenen Dalehen bzw. durch Anweisung eines Dritten, der nicht Schuldner der Gemeinschuldnerin war, vorgenommen worden. Das ergebe sich schon aus dem Vorbringen der klagenden Partei. In diesem Fall sei aber die teilweise Befriedigung der Beklagten mangels einer Gläubigerbenachteiligung unanfechtbar, weil hier nur ein Wechsel in der Person des Gläubigers stattgefunden habe. Durch die Rückgängigmachung der Zahlung würde zwar eine Forderung erlöschen, eine ebenso große aber aufleben. Im vorliegenden Fall einer Anweisung auf Kredit wäre eine Anfechtungsmöglichkeit nur denkbar, wenn die Rückleistung für die Masse einen besonderen Vorteil bieten würde. Dies habe aber die klagende Partei nicht einmal behauptet. Es fehle überhaupt an dem Anfechtungserfordernis einer Gläubigerbenachteiligung.
Der dagegen seitens der klagenden Partei erhobenen Berufung wurde Folge gegeben und das Ersturteil im Sinne der Klagsstattgebung abgeändert. Das Berufungsgericht bejahte sowohl die Frage, ob eine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen sei und die Zahlung der Firma Ö. an die beklagte Partei demnach einen Anfechtungstatbestand nach § 31 KO. bilden könne, als auch die Frage des Vorliegens der Erfordernisse des subjektiven Tatbestandes (Kennenmüssen der Zahlungsunfähigkeit). Zur ersteren Frage vertrat es die Auffassung, es sei davon auszugehen, daß die Firma Ö. der Gemeinschuldnerin einen Vorschuß und nicht ein Darlehen gewährt habe, also Vorausleistungen aus einem Vertrag erbracht habe, der nach Maßgabe entsprechender Gegenleistungen der Gemeinschuldnerin die Zahlung von Provisionen und Regiebeiträgen seitens der Firma Ö. vorsieht. Es sei also die Firma Ö. als Schuldnerin der Gemeinschuldnerin anzusehen. Überdies sei eine Deckung ihrer Leistung auch durch die zu erwartenden Provisionen und Regiebeiträge für die Gemeinschuldnerin gegeben. Daraus folge, daß entgegen der Auffassung des Erstgerichtes die Zahlung der Firma Ö. an die beklagte Partei einen Anfechtungstatbestand bilden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der von der beklagten Partei erhobenen Verfahrensrüge, welche dahin ausgeführt wird, daß das Berufungsgericht in Verletzung des § 498 ZPO. einen von den erstrichterlichen Feststellungen abweichenden Sachverhalt seiner Entscheidung zugrundegelegt habe, kann allerdings nicht beigepflichtet werden. Wie sich aus den Entscheidungsgründen mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, ist auch das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht bei seiner Entscheidung von dem eigenen Vorbringen der klagenden Partei ausgegangen, wonach die von der Firma Ö. über Anweisung der Gemeinschuldnerin an die Beklagte am 26. Juni 1962 geleistete Zahlung aus dem von der genannten Firma der Gemeinschuldnerin gewährten Vorschuß auf Provisionen und Regiebeiträge in der Höhe von 25.000 S überwiesen worden sei. Die Frage aber, ob diese Zahlung als Vorausleistung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses (§ 14 (2) HVG.), als Vorschuß darlehensähnlichen Charakters oder als Darlehen zu werten ist, weiters ob dieser Unterscheidung für die Möglichkeit einer Anfechtung der geleisteten Zahlung nach § 31 (1) KO. Bedeutung zukommt, unterfällt der rechtlichen Beurteilung und kann diesbezüglich auf die Erledigung der erhobenen Rechtsrüge verwiesen werden.
Der von der beklagten Partei erhobenen Rechtsrüge muß aus nachstehenden Erwägungen Erfolg zuerkannt werden.
Wird von dem eigenen Vorbringen der klagenden Partei ausgegangen, wonach die Zahlung von 535 S aus einem seitens der Firma Ö. der Gemeinschuldnerin gewährten Vorschuß auf Provisionen und Regiebeiträge von 25.000 S geleistet worden sei, so kann hierin die Verwendung einer etwaigen Forderung gegen den Angewiesenen (Firma Ö.), somit eines Massebestandteiles zur Zahlung an die beklagte Partei schon deswegen nicht erblickt werden, weil eine Behauptung dahingehend, daß die dem gewährten Vorschuß entsprechenden Gegenleistungen seitens der Gemeinschuldnerin bis zur Konkurseröffnung (13. September 1962) ganz oder teilweise erbracht worden seien, von der klagenden Partei nicht aufgestellt wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes folgt aber daraus zwingend, daß der angewiesenen Firma Ö. bis zur Konkurseröffnung nicht die Stellung eines Schuldners der Gemeinschuldnerin beizumessen ist und es sich demnach auch nur um eine Anweisung auf Kredit, nicht aber auf Schuld gehandelt haben kann. In diesem Fall findet aber nur ein Wechsel in der Person des Gläubigers statt, indem der zahlende Angewiesene an Stelle des Anweisungsempfängers tritt (vgl. Bartsch - Pollak, KO., I. Band, S. 203). Hiezu hat bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt, daß in diesem Fall eine Anfechtbarkeit der Zahlung nur dann gegeben wäre, wenn die Rückleistung für die Masse einen Vorteil bieten würde. Hievon könnte etwa dann gesprochen werden, wenn der Ersatzanspruch schwerer durchzusetzen wäre als die Forderung des Anweisungsempfängers. Diesbezüglich wurde jedoch nichts behauptet. Für die rechtliche Beurteilung erscheint aber auch die Frage unerheblich, ob die seitens der Firma Ö. geleistete Zahlung als Vorausleistung im Rahmen eines mit der Gemeinschuldnerin bestehenden Vertragsverhältnisses, als Vorschuß darlehensähnlichen Charakters oder als Darlehen zu werten wäre, da die genannte Firma in allen diesen Fällen als zahlende Angewiesene ihre Leistung mangels behaupteter, seitens der Gemeinschuldnerin bis zur Konkurseröffnung erbrachter Gegenleistungen auf Kredit vorgenommen hat und daher hinsichtlich ihres Anspruches auf Ersatz der für die Gemeinschuldnerin geleisteten Schuld als Konkursgläubigerin auch rangmäßig an die Stelle der beklagten Partei zu treten hätte (§ 54 (2) KO.). Daraus ergibt sich, daß in allen vorerwähnten Fällen einer seitens eines Dritten bis zur Konkurseröffnung einseitig erbrachten Leistung eine zur Bewirkung dieser Leistung dem Dritten erteilte Zahlungsanweisung des Gemeinschuldners jedenfalls eine solche auf Kredit darstellt und daher nur zu einem Gläubigerwechsel führen kann. Hiebei kann für die Beurteilung des Rechtsgrundes des Ersatzanspruches im Zweifel nicht das zwischen der Gemeinschuldnerin und der Firma Ö. bestehende ursprüngliche Vertragsverhältnis herangezogen werden, sondern nur der in der Anweisung gelegene dem Angewiesenen erteilte Auftrag (§§ 1403, 1014 ABGB). Dies in der Erwägung, daß durch die Leistung an den Anweisungsempfänger der Angewiesene den in der Anweisung liegenden Antrag des Anweisenden, ein Auftragsverhältnis einzugehen, annimmt. Den Beweis, daß ein Deckungsverhältnis vorliegt, das den Ersatzanspruch ausschließt oder modifiziert, hätte der Anweisende zu erbringen (vgl. Wolff in Klang[2], VI, S. 331). Ein solcher Beweis wurde jedoch seitens der klagenden Partei gleichfalls nicht angetreten. Nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt erscheint demnach die seitens der Firma Ö. als Angewiesene an die beklagte Partei geleistete Zahlung von 535 S schon aus den dargelegten Erwägungen mangels einer Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar.
Es war daher das Ersturteil wiederherzustellen, ohne daß die Notwendigkeit bestand, in eine Erörterung über das Vorliegen der Erfordernisse des subjektiven Tatbestandes des § 31 KO. einzugehen.
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