OGH 8Ob285/63

OGH8Ob285/6312.11.1963

SZ 36/142

Normen

ABGB §785 (2)
ABGB §785 (2)

 

Spruch:

§ 785 (2) letzter Satz ABGB. gilt auch bei Auflösung der Ehe durch den Tod des beschenkten Gattenteiles.

Entscheidung vom 12. November 1963, 8 Ob 285/63.

I. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Ferdinand K. war in erster Ehe mit Anna, geb. Sch., verheiratet. Diese Ehe wurde am 29. Oktober 1920 von Tisch und Bett geschieden;

aus ihr stammen die Klägerin (geb. 17. Oktober 1906) und ihre Schwester Theresia F. (geb. 18. Jänner 1903). In zweiter Ehe war Ferdinand K. seit 27. Mai 1929 mit Katharina, geb. D. verheiratet;

diese Ehe blieb kinderlos. Katharina K. starb am 9. September 1956;

Ferdinand K., der am 18. März 1957 wegen Geistesschwäche voll entmundigt worden war, starb am 19. Februar 1962.

Mit seiner zweiten Frau hat Ferdinand K. folgende Verträge geschlossen: a) am 5. September 1932 einen notariellen Schenkungsvertrag auf den Todesfall, in dem er ihr eine lebenslängliche monatliche Rente von 150 S Gold ab dem seinem Todesfall folgenden Monatsersten zusicherte und hiefür sein Grundstück EZ. ... Katastralgemeinde L., Haus in L., H.- Straße 46, grundbücherlich verpfändete; b) am 7. Juni 1939 einen Notariatsakt mit dem Titel "Eigentumsanerkennungserklärung, Schenkungs- und Darlehensvertrag", der sich auf das Eigentum an Wohnungseinrichtungsgegenständen, eine weitere lebenslängliche Rente von 50 RM monatlich, das lebenslängliche Fruchtgenußrecht an der Wohnung im ersten Stock des zu a) genannten Hauses für Katharina K. und ein Darlehen von 5000 RM, das er ihr schuldet, bezog; c) am 18. Dezember 1950 in Notariatsaktsform einen Kaufvertrag, mit dem er ihr das Haus L., H.-Straße 46, um 91.000 S und gegen Einräumung eines lebenslänglichen, mit 750 S jährlich bewerteten Fruchtgenußrechtes verkaufte. Zur Berichtigung des Kaufpreises hatte Katharina K. 1. Schulden des Verkäufers von insgesamt 30.000 S zu übernehmen, während 2. die im Grundbuch eingetragenen Renten von monatlich 150 S Gold und 50 RM, das Fruchtgenußrecht an der Wohnung und das Darlehen von 5000 RM auf den Kaufpreis angerechnet wurden; 3. an die Töchter des Verkäufers (die Klägerin und ihre Schwester) innerhalb eines Jahres nach dem Ableben des Verkäufers je 15.000 S zu bezahlen. Die Übernahme und Übergabe der Liegenschaft in den physischen Besitz der Käuferin sollte am Todestag des Verkäufers, die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages sofort erfolgen.

Katharina K. hat am 20. Dezember 1950 ein Testament errichtet, in dem sie das Haus in L., H.-Straße 46 ihrem Gatten als Prälegat vermachte, ihrem Neffen Ludwig D. (dem Beklagten) ein Vorkaufsrecht daran einräumte und zu Erben ihres übrigen Nachlasses den Beklagten, einen anderen Neffen Karl D. und eine Nichte Maria E. zu je einem Drittel einsetzte. In Abänderung dieses Testamentes hat Katharina K. am 10. August 1956 bezüglich des ihrem Gatten vermachten Prälegates eine fideikommissarische Substitution zugunsten des Beklagten verfügt, dem sie als Nachlegatar auftrug, über den Betrag von 15.000 S laut Kaufvertrag vom 18. Dezember 1950 hinaus noch weitere 35.000 S an Theresia F. zu bezahlen.

Die Klägerin begehrt nun vom Beklagten, zur Befriedigung ihres Pflichtteilsanspruches in der Höhe von 349.394 S 44 g die Zwangsvollstreckung in die Liegenschaft EZ. ... Katastralgemeinde L. (Haus in L., H.-Straße Nr. 46) zu dulden. Sie behauptet, durch den Kaufvertrag vom 18. Dezember 1950, mit dem ihr Vater das genannte Haus an Katharina K. um eine wesentlich geringere Gegenleistung, als dem Sachwert der Liegenschaft entsprochen hätte, überlassen habe, in ihrem Pflichtteil verkürzt worden zu sein.

Das Erstgericht hat das Verfahren auf den Grund des Anspruches, bzw. auf die Frage der Passivlegitimation des Beklagten eingeschränkt und mit Zwischenurteil ausgesprochen, daß das Klagebegehren dem Grund nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten stattgegeben und das Zwischenurteil dahin abgeändert, daß es das Klagebegehren abwies. Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus: Ein Zwischenurteil könne nur gefällt werden, wenn alle dem Gründe des Anspruches entgegenstehenden Einwendungen erledigt seien und wenn feststehe, daß dem Kläger auf jeden Fall ein wenn auch noch so kleiner Teil des Klagsanspruches gebühre. Das Erstgericht hätte daher ein Zwischenurteil, das sich nur mit einem Teile der Einwendungen befasse, nicht fällen dürfen. Das Zwischenurteil sei aber nicht aufzuheben gewesen, da das Klagebegehren aus anderen Gründen mit Endurteil abzuweisen gewesen sei. Die Klägerin mache ihren Anspruch gegen den Beklagten ausdrücklich als gegen einen Nachlegatar und Neffen der Beschenkten geltend. Es wäre daher nicht zu untersuchen gewesen, ob der Anspruch gegen den Beklagten auch als gegen einen Erben der Beschenkten zu Recht bestehe. Der Anspruch des verkürzten Noterben auf Widerruf einer Schenkung nach § 951 ABGB. richte sich nur gegen den Beschenkten und nicht gegen dessen Einzelrechtsnachfolger. Der Beklagte als Einzelrechtsnachfolger der Katharina K. hafte für den Anspruch auf Pflichtteilsergänzung nicht. Der Beklagte stelle infolge der zu seinen Gunsten verfügten fideikommissarischen Substitution hinsichtlich des ihm zugefallenen Hauses H.-Straße 46 jedenfalls nur einen Vermächtnisnehmer und nicht einen Erben der Katharina K. dar. Das Haus sei ihm daher nicht als Erben zugekommen. Katharina K. selbst habe das Haus redlicherweise aus dem Besitze gelassen (§ 952 ABGB.) und hätte daher wegen einer Pflichtteilsergänzung auch selbst nicht in Anspruch genommen werden können, so daß der Beklagte als ihr Erbe und Gesamtrechtsnachfolger ebenfalls nicht belangt werden könne. Außerdem stehe dem Begehren der Klägerin die Bestimmung des § 785 (2) ABGB. entgegen, daß Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen, die mehr als zwei Jahre vor dem Tode des Erblassers gemacht worden seien, unberücksichtigt blieben, wobei diese Frist bei Schenkungen an den Ehegatten nicht vor Auflösung oder Scheidung der Ehe beginne. Habe der schenkende Mann die beschenkte Frau überlebt, so beginne die Frist mit dem Tode der Frau zu laufen also im vorliegenden Fall mit 9. September 1956 (mit dem Tod der Katarina K.). Die zweijährige Frist des § 785 (2) letzter Satz ABGB. sei daher bei Klagseinbringung schon abgelaufen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger bekämpft zunächst die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Fällung eines Zwischenurteiles nicht zulässig gewesen sei. Wie das Berufungsgericht unter Anführung zahlreicher Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes völlig zutreffend ausgeführt hat, ist es, abgesehen von einer vom Revisionswerber angeführten vereinzelten Entscheidung, ständige Rechtsprechung, daß ein Zwischenurteil solange nicht gefällt werden darf, als nicht alle dem Gründe des Anspruches entgegenstehenden Einwendungen beseitigt sind. Dieselbe Ansicht wird von der Lehre vertreten. Das Berufungsgericht hat daher die Fällung eines Zwischenurteils, das sich nur mit der Frage der Passivlegitimation des Beklagten und der Verjährung befaßt, mit Recht für unzulässig erklärt.

Ferner bekämpft die Klägerin die Ansicht des Berufungsgerichtes, sie habe ihren Anspruch gegen den Beklagten nur in dessen Eigenschaft als Nachlegatar der Beschenkten, nicht aber als deren Erben geltend gemacht; das Berufungsgericht habe dies zu Unrecht aus dem Wortlaute des Klagebegehrens und dem Vorbringen im Absatz III. der Klage geschlossen. Die Fassung des Klagebegehrens ergebe sich aus § 951

(1) ABGB. Im Schriftsatz ON. 8 verweise die Klägerin ferner auch darauf, daß der Beklagte nebst zwei anderen Personen von Katharina K. zu einem Drittel als Erbe eingesetzt worden ist. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die Klägerin ihren Anspruch gegen den Beklagten tatsächlich nur in dessen Eigenschaft als Nachlegatar oder auch in dessen Eigenschaft als Erben der Katharina K. erhoben hat. Denn aus rechtlichen Erwägungen kommt es bei Entscheidung der Rechtssache darauf nicht an.

Gemäß § 785 (2) ABGB. haben unter anderem Schenkungen, die der Erblasser an nicht pflichtteilsberechtigte Personen mehr als zwei Jahre vor seinem Tode gemacht hat, unberücksichtigt zu bleiben, wobei diese Frist bei Schenkungen an den Ehegatten nicht vor Auflösung oder Scheidung der Ehe beginnt. Nach dem unbestrittenen Sachverhalt wurde die von der Klägerin behauptete Schenkung durch den notariellen Kaufvertrag vom 18. Dezember 1950 vorgenommen; die Beschenkte war die zweite Gattin des Erblassers, also eine nicht pflichtteilsberechtigte Person und ist am 9. September 1956 gestorben, während der Erblasser am 19. Februar 1962 verschieden ist. Die Revision meint nun unter Hinweis auf die Entscheidung SZ. XIX 290, daß das Berufungsgericht zu Unrecht unter Auflösung der Ehe auch die Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten verstanden habe, während richtig die Ehe des Erblassers (des Vaters der Klägerin) im Sinne des § 785 (2) ABGB. nie aufgelöst worden sei und die zweijährige Frist dieser Gesetzesstelle daher nie zu laufen begonnen habe. Die Entscheidung SZ. XIX 290, die ausspricht, daß die zweijährige Frist nur bei Trennung oder Scheidung der Ehe, nicht aber im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod zu gelten habe, ist jedoch auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar, denn in der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Rechtssache hat die beschenkte Frau ihren Gatten, den Erblasser überlebt. Unter dieser Voraussetzung hat der Oberste Gerichtshof richtig ausgesprochen, daß die Frist des § 785 (2) ABGB. nicht zu laufen begonnen habe (ebenso Weiss in Klang, Komm.[2], III., S. 915/16). Anders liegt jedoch der Fall, wenn der beschenkte Gattenteil vor dem Geschenkgeber, dem Erblasser gestorben ist. Zutreffend führt die Revision ebenso wie das Berufungsgericht an, daß nach § 2325 BGB. unter "Auflösung der Ehe" auch die Auflösung durch den Tod eines Ehegatten verstanden wird. Dasselbe gilt auch für den Rechtsbereich des ABGB., bezüglich des Wortes "Auflösung" in § 785 (2) ABGB. In der österreichischen Literatur hat sich - soweit ersichtlich - nur Ehrenzweig mit dem Fall befaßt, daß der Schenkende der überlebende Teil ist; er sagt, daß in diesem Falle die Frist mit dem Tode des beschenkten Gattenteiles beginnt und die Kinder des Geschenkgebers die Anrechnung nur verlangen können, wenn der Geschenkgeber innerhalb zweier Jahre nach dem Tode des Beschenkten stirbt (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht[2], S. 595). Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Wie aus dem Bericht der Kommission des Herrenhauses für Justizgegenstände über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Änderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des ABGB. (Nr. 78 d. Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, XXI. Session) hervorgeht, ist die Einführung einer Frist für die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruches im Interesse der Verfügungsfreiheit unter Lebenden und des eventuell rückstellungspflichtigen Geschenknehmers als notwendig erachtet worden. Sie wurde mit zwei Jahren als ausreichend angesehen, weil die kritische Zeit für Umgehungen des Noterbrechtes hauptsächlich in der letzten Zeit vor dem Tode des Erblassers liege (Herrenhausbericht S. 238). Eine Sonderbestimmung wurde in Anlehnung an die Bestimmung des § 2325 letzter Satz BGB. für Schenkungen unter Ehegatten geschaffen. Denn hiebei sollte die Frist nicht vor Auflösung oder Scheidung der Ehe beginnen. Dies wurde damit begrundet, es könne mit Recht gesagt werden, daß "bei der, wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich während der Ehegemeinschaft bestehenden Gemeinschaft der Güter die Begünstigung des einen Ehegatten durch Schenkungen des anderen eigentlich erst mit dem Augenblicke in Erscheinung trete, da die eheliche Gemeinschaft aufhört" (a. a. O. S. 238). Im vorliegenden Falle ist die Schenkung, aus der die Klägerin ihren Anspruch auf Pflichtteilsergänzung ableitet, am 18. Dezember 1950 vorgenommen worden. Das erste Motiv für die kurze Befristung der Geltendmachung des Anspruches - daß hauptsächlich Schenkungen in der letzten Zeit vor dem Tode des Erblassers zur Umgehung des Noterbrechtes benützt würden - trifft daher im vorliegenden Falle nicht zu. Aber auch der im Herrenhausbericht angeführte Grund, der aus den Protokollen der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfes des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (s. V. Band, S. 588) entnommen ist und dazu führte, bei Ehegatten die Frist erst mit Auflösung oder Scheidung der Ehe beginnen zu lassen - nämlich die mit einer aufrechten ehelichen Gemeinschaft verbundene tatsächliche Gemeinschaft der Güter - kann im vorliegenden Falle nicht herangezogen werden. Dieser Grund trifft nämlich nur in jenem Fall zu, in dem der beschenkte Ehegatte den schenkenden Gatten überlebt hat. Wollte man den in SZ. XIX 290 ausgesprochenen Rechtssatz auch auf den umgekehrten Fall anwenden, daß nämlich der schenkende Ehegatte den beschenkten überlebt hat, käme man demnach zu völlig unbilligen Ergebnissen; hätte der Erblasser z. B. seiner 20 Jahre vor ihm verstorbenen Ehefrau Schenkungen zugewendet, durch die ein Pflichtteilsberechtigter verkürzt wurde, könnten die Erben dieser vorverstorbenen Ehegattin gemäß § 785 ABGB. auch nach so langer Zeit zu einer Ergänzung des Pflichtteils herangezogen werden. Der Oberste Gerichtshof kann daher die in SZ. XIX 290 ausgesprochene Ansicht in diesem Fall nicht aufrecht erhalten, und ist in Übereinstimmung mit Ehrenzweig der Auffassung, daß in diesem Fall unter "Auflösung der Ehe" im § 785 (2) letzter Satz ABGB. auch die Auflösung der Ehe durch den Tod zu verstehen ist, ebenso wie im § 8 EheG. und in den durch das Ehegesetz aufgehobenen §§ 62, 111, 120 ABGB. (vgl. Ehrenzweig, a. a. O., § 433 I S. 113). Die Frist, innerhalb welcher die klagende Partei die von ihr behauptete, durch den Kaufvertrag vom 18. Dezember 1950 erfolgte Schenkung an die im Jahre 1956 verstorbene Ehefrau ihres Vaters zwecks Pflichtteilsergänzung hätte heranziehen können, war daher im Zeitpunkte des Todes ihres Vaters (1962) bereits abgelaufen. Das Berufungsgericht hat daher schon aus diesem Gründe die Klage mit Recht abgewiesen und es erübrigt sich, auf das sonstige Vorbringen der Revision einzugehen.

Der Revision war somit nicht Folge zu geben.

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