OGH 7Ob260/63

OGH7Ob260/6316.10.1963

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Machek als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zierer, Dr. Berger, Dr. Schopf und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna R*****, vertreten durch Dr. Otto Ambros, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Adele M*****, 2.) Medizinalrat Dr. Paul F*****, 3.) Ernst F*****, sämtliche vertreten durch Dr. Otto Zimmeter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe einer Liegenschaft (Streitwert S 39.500) infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1963, GZ 5 R 120/63-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. März 1963, GZ 6 C 147/62-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin beantragt, die Beklagten schuldig zu erkennen, in der Einverleibung ihres Eigentums an der Liegenschaft EZ ***** zu willigen. Sie führt aus, dass ihr der am 12. August 1960 verstorbene Jakob F***** bei Lebzeiten diese Liegenschaft vertraglich zugesichert habe.

Der Erstrichter hat das Klagebegehren abgewiesen. Nach seinen Feststellungen war Jakob F***** Alleineigentümer der von der Klägerin beanspruchten Liegenschaft. Er ist am 12. 8. 1960 gestorben und hat ein Kodizill hinterlassen, indem er einer Poldy V***** S 150.000 vermachte. Sein Nachlass wurde mit Einantwortungsurkunde vom 25. 6. 1962 den Beklagten auf Grund des Gesetzes eingeantwortet. Im Verlassenschaftsverfahren hat die Klägerin vorgebracht, Jakob F***** habe ihr mündlich die gegenständliche Liegenschaft vermacht. Aus der Aussage der angeblichen Zeugen dieser letztwilligen Erklärung ergab sich, dass Jakob F***** wohl erklärt hat, die Liegenschaft werde einmal der Klägerin gehören, dass die Zeugen dieser Erklärung jedoch nicht im Bewusstsein ihrer Eigenschaft als Zeugen einer letztwilligen Verfügung beigewohnt haben und dass auch kein Grund für die Annahme besteht, F***** habe diese Äußerung als letztwillige Verfügung abgegeben. Der Erstrichter hat den Klagsanspruch aus rechtlichen Erwägungen als nicht gerechtfertigt erachtet. Nach dem Vorbringen der Klägerin habe F***** ihr die Liegenschaft aus einer moralischen Pflicht als Versorgung zugesagt. Es liege daher eine Schenkung vor, die jedoch, da eine Übergabe nicht erfolgt sei, mangels Notariatsaktes ungültig sei.

Infolge Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die erstrichterliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Es führt aus, dass die Zusage einer Leistung aus moralischer, sittlicher oder Anstandspflicht nicht unentgeltlich und daher nicht als Schenkung oder Schenkungsversprechen zu werten sei. Die Klägerin habe behauptet, dass sie mit F***** während 27 Jahre in Lebensgemeinschaft (jedoch ohne Wohngemeinschaft) gelebt, ihn bei Gründung seines Geschäftes mit Geld ausgeholfen und mit ihm gemeinsam das Unternehmen aufgebaut habe. F***** habe sich daher moralisch verpflichtet gefühlt, für sie zu sorgen und habe ihr aus diesem Grund das Haus fix zugesichert. Das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil der Erstrichter den von der Klägerin behaupteten Sachverhalt keiner Überprüfung unterzogen und insbesondere keine Feststellungen über Zeit, Form und Inhalt der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung getroffen habe.

Dieser Beschluss wird von den Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit Rekurs bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, Unentgeltlichkeit liege nicht vor, wenn eine Leistung aus einer moralischen sittlichen oder Anstandspflicht zugesagt werde, entspricht der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung (vgl Stanzl in Klang Kommentar2 Band IV, S 588; E vom 21. 10. 1958 = JBl 1959 S 218; E vom 10. 1. 1960, 5 Ob 2/60 ua). In diesen Fällen fehlt es an dem, für eine Schenkung erforderlichen Schenkungswillen. Es muss die Gegenleistung weder gleichwertig sein noch überhaupt einen Vermögenswert haben, um die Unentgeltlichkeit auszuschließen (vgl Stanzl aaO S 587; E vom 29. 11. 1961, 6 Ob 413/61). Bei der Frage, ob es sich um eine unentgeltliche oder um eine entgeltliche Leistung handelt, kommt es auf die Beurteilung des Einzelfalles an. Vor der Feststellung der Tatsachen, die den verstorbenen Jakob F***** zu dem von der Klägerin behaupteten Versprechen veranlasst haben, ist es verfrüht dazu Stellung zu nehmen, ob F***** eine moralische, sittliche oder Anstandspflicht hatte, für die Versorgung der Klägerin nach seinem Tode Vorkehrungen zu treffen. Es ist daher derzeit noch nicht darauf einzugehen, ob die Lebensgemeinschaft oder ob die verschiedenen Dienste, die die Klägerin nach ihren Angaben dem Verstorbenen leistete, die Unentgeltlichkeit der Leistungszusage beseitigen. Dass die Klägerin im Verlassenschaftsverfahren das Vorliegen eines mündlichen Testamens zu ihren Gunsten behauptete, schließt nicht aus, dass eine vertragliche Bindung des verstorbenen Jakob F***** zustande gekommen ist.

In seiner Entscheidung vom 18. 1. 1950, 1 Ob 19/50 = SZ XXIII 8 hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung abgelehnt, dass die Einräumung eines Rechtes, das mit dem Tod des einen Vertragsteiles beginnen soll, überhaupt unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat sich bei Beurteilung der Möglichkeit der von der Klägerin behaupteten Verpflichtungserklärung des Jakob F***** mit Recht auf diese Entscheidung berufen.

Die Darstellung, die zu dem Schluss führen soll, dass bei Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes die Witwe nach einem Verstorbenen schlechter gestellt wäre als eine Bekannte, vernachlässigt, dass im vorliegenden Fall die Klägerin sich auf eine vertragliche Verpflichtung des Verstorbenen beruft. Da das Erstgericht, von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, das Klagebegehren sei schon nach der Klagsdarstellung abzuweisen, keine Feststellungen über die von der Klägerin behauptete Vereinbarung getroffen hat, hat das Berufungsgericht zutreffend das Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten stützt sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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