Spruch:
Die Haftung des Ausgleichs-(Masse-)verwalters richtet sich, soweit er ohne gerichtliche Weisung tätig ist, nicht nach dem AHG., sondern nach den Haftungsbestimmungen der Ausgleichs- oder Konkursordnung (§§ 32 (3) AO., 81 (3) KO.).
Entscheidung vom 4. April 1963, 5 Ob 23/63.
I. Instanz: Kreisgericht Ried; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Auf Antrag der Kläger wurde über sie vom Kreisgericht am 16. Juli 1957 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Zum Ausgleichsverwalter wurde der Beklagte bestellt. Am 2. September 1957 wurde das Ausgleichsverfahren eingestellt, da zur Ausgleichstagsatzung kein Gläubiger erschienen war. Am 27. September 1957 wurde über das Vermögen der Kläger der Anschlußkonkurs eröffnet, in dem der Beklagte zum Masseverwalter bestellt wurde. Die Kläger stellten einen Zwangsausgleichsantrag, zogen ihn aber noch vor der Abstimmung zurück. Im Zuge des Konkursverfahrens wurde die den Klägern je zur Hälfte gehörige Liegenschaft in M. Nr. 134 gerichtlich versteigert, das bewegliche Vermögen wurde teils freihändig verkauft, teils versteigert. Am 24. November 1960 und am 20. Dezember 1960 wurden die Konkurse nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben. Die Kläger behaupten, die Ehegatten H., Gastwirte in T., hätten die Liegenschaft, für die im Versteigerungsweg 280.000 S erzielt wurden, vor der Versteigerung um 400.000 S erwerben wollen. Der Beklagte habe sie ihnen aber nicht verkauft, sondern versteigern lassen. Dadurch hätten sie einen Schaden von 120.000 S erlitten. Der Beklagte habe auch einen Ausgleich verhindert, indem er den Gläubigern mit dem Hinweis, daß sie sonst hundertprozentig befriedigt würden, von der Annahme abgeraten. Dadurch hätten die Kläger einen Schaden von 120.000 S erlitten, weil infolge der Verhinderung des Ausgleiches das Konkursverfahren eingeleitet und durchgeführt worden sei. Einen weiteren Schaden habe ihnen der Beklagte dadurch zugefügt, daß die vorhandenen Fahrnisse, insbesondere Fourniere, die Flaschenwaschmaschine, Weinflaschen und anderes Gebinde freihändig verkauft und nicht öffentlich versteigert worden seien. Bei einer Versteigerung hätte ein Mehrerlös von wenigstens 20.000 S erzielt werden können. Ihr Gesamtschaden von 260.000 S hätte auch dadurch verhindert werden können, daß die Liegenschaft samt dem darauf betriebenen Gastgewerbe in Form eines Kaffeehausbetriebes mit Fremdenbeherbergung verpachtet worden wäre. Es seien mehrere Pachtinteressenten vorhanden gewesen, die für einige Jahre den Pachtschilling vorausgezahlt hätten. Mit diesem Geld hätte ein Ausgleich entsprechend finanziert werden können.
Der Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, zog sie jedoch später zurück und überließ die Prüfung der Frage der amtswegigen Wahrnehmung dem Gericht.
Das Erstgericht nahm nur in die Vorakten Einsicht und wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Beklagte meint, die Bestimmungen der §§ 32 (3) AO. und 81 (3) KO., die von der Verantwortung des Ausgleichs- und Masseverwalters für pflichtwidrige Führung ihrer Ämter handeln, seien durch das später in Kraft getretene Amtshaftungsgesetz (AHG.) derogiert worden. Ausgleichs- und Masseverwalter seien Organe im Sinne dieses Gesetzes.
Den diesbezüglichen Ausführungen kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Gemäß § 1 (2) AHG. sind Organe im Sinne dieses Bundesgesetzes alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist. Ein Organ handelt in Vollziehung der Gesetze, wenn es hoheitliche Aufgaben des Rechtsträgers, als welcher hier nur der Bund in Betracht kommt, besorgt. Bei der Untersuchung, inwieweit diese Voraussetzungen beim Ausgleichs- und Masseverwalter zutreffen, ist zunächst auszuführen, daß das in der Ausgleichs- und Konkursordnung festgelegte Insolvenzrecht auf dem Gedanken des Generalpfandrechtes beruht. An die Stelle der Einzelexekution auf bestimmte Sachen des Schuldners tritt bei dessen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Generalexekution auf dessen gesamtes Vermögen zugunsten sämtlicher Gläubiger mit dem Ziele einer möglichst gleichmäßigen Befriedigung. Dabei herrscht weitgehend der Grundsatz der Gläubigerautonomie, d. h. daß nicht der Staat, sondern die Gläubiger, wenn auch unter Aufsicht des Gerichtes, über das wirtschaftliche Ergebnis des Verfahrens und die Maßnahmen des Ausgleichs- und Masseverwalters maßgeblich bestimmen. Entsprechend diesen Grundsätzen haben bestimmte Organe am Verfahren mitzuwirken, denen bestimmte Aufgaben zugewiesen sind. Die Leitung und Beaufsichtigung des Verfahrens sowie die Rechtsprechung liegt ausschließlich bei gerichtlichen Organen, die wirtschaftliche Abwicklung ist dem Ausgleichs- und Masseverwalter anvertraut und diese kann jedenfalls nicht im allgemeinen als Vollziehung der Gesetze oder als Besorgung hoheitlicher Aufgaben angesehen werden. Daß die Verwalter im allgemeinen vom Gericht bestellt werden und ihre Stellung im Gesetz vielfach als Amt bezeichnet ist, ist nicht entscheidend. Auch Sachverständige, Zwangsverwalter, Vormunder und Kuratoren werden vom Gericht bestellt und beispielsweise spricht das Gesetz auch vom Amte des Vormundes (§ 201 ABGB.). Ebenso ist es unentscheidend, daß die Verwalter in der Ausgleichs- und Konkursordnung als Organe bezeichnet werden, denn das trifft auch auf den Gläubigerbeirat, den Gläubigerausschuß und die Gläubigerversammlung zu und die zuletzt genannten Organe besorgen mit Sicherheit keine hoheitlichen Aufgaben des Staates. Ob der Ausgleichs- und der Masseverwalter, ähnlich wie dies hinsichtlich des öffentlichen Verwalters im Sinne des Bundesgesetzes vom 26. Juli 1946 im Berichte des Berichterstatters in der 73. Sitzung des Nationalrates vom 14. Jänner 1948 (abgedruckt bei Loebenstein - Kaniak, Amtshaftungsgesetz, S. 178) ausgeführt wurde, durch Erteilung einer Weisung Organcharakter erhalten, mag dahingestellt bleiben, da ein solcher Fall diesmal nicht vorliegt. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes haben sie, soweit sie in ihrer Eigenschaft als Prokuratoren ex lege ohne gerichtliche Weisung für den Betrieb des Ausgleichsschuldners oder für die Konkursmasse tätig werden, selbständig Rechtshandlungen vornehmen oder Maßnahmen treffen oder Beschlüsse des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung ausführen, nach eigener Verantwortung zu handeln und es gelten für sie die Haftungsbestimmungen der Ausgleichs- und Konkursordnung (§§ 81 (3) KO., 32 (3) AO.). Diese schreiben die Anwendung der durch den Gegenstand der Geschäftsführung gebotenen Sorgfalt (§ 1299 ABGB.) vor, lassen somit die Verantwortlichkeit des Ausgleichs und des Masseverwalters nach den Regeln des ABGB. eintreten (vgl. auch SZ. XVII 144) und es lag offenbar nicht in der Absicht des Amtshaftungsgesetzes, diese Haftung auszuschalten oder zu vermindern. In diesen Angelegenheiten sind der Ausgleichs- und der Masseverwalter keinesfalls Organe des Staates und es können auch ihre Handlungen nicht als Organhandlungen angesehen werden. Es besteht kein Grund, daß der Bund gemäß §§ 1 (1) und 3 (1 AHG) . unmittelbar für Schäden aus solchen Handlungen haften und erst nach geleistetem Ersatz zum Rückgriff gegen die Schuldtragenden berechtigt sein soll. Gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges bestehen daher keine Bedenken.
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