OGH 7Ob69/63

OGH7Ob69/6313.3.1963

SZ 36/39

Normen

Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §10 (1)
ZPO §228
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §10 (1)
ZPO §228

 

Spruch:

Der angestellte Fahrer, der den Wagen seines Dienstgebers gegen ein erteiltes Gebot benützt, ist kein berechtigter Fahrer nach § 10 (1)

AKB.

Entscheidung vom 13. März 1963, 7 Ob 69/63.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß die beklagte Versicherungsgesellschaft gegenüber dem Kläger zur Befriedigung begrundeter und zur Abwehr unbegrundeter Entschädigungsansprüche, welche gegen den Kläger wegen des von ihm als Lenker des Lastkraftwagens mit dem Kennzeichen Nr. St 32.924 am 30. November 1960 in Preßbaum verursachten Verkehrsunfalls erhoben werden könnten und insbesondere von M. A. bereits erhoben worden sind, wie überhaupt verpflichtet sei, dem Kläger wegen des erwähnten Verkehrsunfalles Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge zu gewähren, ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige (§ 500 (2) ZPO.). Die Untergerichte gingen von den nachstehenden tatsächlichen Feststellungen aus:

Der Kläger sei seit Ende Oktober 1960 als Kraftfahrer bei H. T. für dessen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lastkraftwagen zur Beförderung von Erdreich für verschiedene bei dem Autobahnbau in der Nähe von W. tätige Firmen beschäftigt gewesen. T. habe dem Kläger bei der Einstellung ausdrücklich den Auftrag erteilt, den Lastkraftwagen nach Arbeitsschluß vor seiner (des Klägers) Unterkunft im Zentrum der Ortschaft P. abzustellen und ihm nur gestattet, die Heimfahrt bei dem Gasthaus S. zur Einnahme des Abendessens zu unterbrechen, wofür äußerstenfalls ein Zeitraum von 1 bis 1 1/2 Stunden erforderlich gewesen sei. Zu anderen als den täglichen Fuhrwerksfahrten und der Fahrt zu seiner Unterkunft sei der Kläger nicht ermächtigt gewesen. Die Weisung sei vor allem deshalb erteilt worden, um dem Kläger keine Zeit zum Genuß von Alkohol in einem die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Ausmaße zu lassen. T. habe nämlich aus eigener Wahrnehmung die Gewohnheiten der Fahrer nach Arbeitsschluß gekannt und habe sich zu besonderer Vorsicht veranlaßt gesehen, weil schon zwei seiner Fahrer vor dem Kläger je einen Unfall bei Schwarzfahrten verursacht hätten. Der Kläger sei am 30. November 1960 nach Arbeitsschluß um 18.30 Uhr mit dem Lastkraftwagen in der Richtung seiner Unterkunft in P. gefahren und habe im Gasthaus S. sein Nachtmahl eingenommen. Er sei von dem dort anwesenden R. H. aufgefordert worden, mit ihm, einem J. St. und einem Chauffeur aus St. Pölten mit dem PKW. des H. eine Spazierfahrt zu machen. Der Kläger habe den Lastkraftwagen vor dem Gasthaus stehen lassen und sei mit H. nach Purkersdorf gefahren, wo sie sich 1 1/2 Stunden lang in einem Lokal aufgehalten hätten. Der Kläger habe 1/8 l Wein getrunken. Etwa 2 Stunden nach der Wegfahrt vom Gasthaus S. seien sie daselbst wieder eingelangt. Dort habe sich der Kläger noch eine volle Stunde aufgehalten und ein belegtes Brötchen und ein Coca-Cola zu sich genommen. Er habe sodann die Heimfahrt angetreten, wobei er St. auf dessen Ersuchen im Fahrerhaus mitgenommen habe. St. habe ihn auf der Fahrt durch P. gebeten, aussteigen zu dürfen, weil er einige Arbeitskollegen auf der Straße erkannt habe. Der Kläger habe jäh gebremst. Dadurch sei der Lastkraftwagen auf die linke Fahrbahnhälfte geraten und mit einem entgegenkommenden Motorroller, auf dem J. A. und dessen Ehefrau fuhren, zusammengestoßen. Die Eheleute A. seien schwer verletzt worden. J. A. sei am 6. Dezember 1960 an den Folgen des Unfalls gestorben. Der Kläger sei wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG. zu einer strengen Arreststrafe verurteilt worden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß der Kläger durch Unterlassung der sofortigen Heimfahrt nach der Einnahme des Abendessens und durch die Mitnahme des J. St. die Weisungen des T. für die Benutzung des Lastkraftwagens verletzt habe und diese Verstöße für den Eintritt des Unfalles ursächlich gewesen seien. Der Kläger sei im Unfallszeitpunkt nicht berechtigter Fahrer im Sinne des § 10 (1) AKB. gewesen. Die Beklagte lehne daher mit Recht ihm gegenüber einen Versicherungsschutz ab.

Das Berufungsgericht erachtete die Überschreitung der dem Kläger von T. auferlegten zeitlichen Beschränkung in der Benützung des Lastkraftwagens als ausreichend, damit dem Kläger die Eigenschaft eines berechtigten Fahrers genommen wurde und ließ die Frage dahingestellt sein, ob er auch gegen eine weitere ihm aufgetragene Beschränkung, nämlich gegen ein Verbot der Mitnahme betriebsfremder Personen im Lastkraftwagen, verstoßen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zum Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO.:

Hier ist vorauszuschicken, daß das Feststellungsbegehren als solches zulässig ist, weil auf seiten des Klägers ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der behaupteten Rechtsverhältnisse besteht (§ 228 ZPO.). Die vom Kläger gegen die Rechtsansicht der Untergerichte vorgebrachten Argumente sind jedoch nicht stichhältig.

Wie der Oberste Gerichtshof in wiederholten Entscheidungen (ZVR. Nr. 290/1961, Nr. 318/1961, Nr. 121/1962) in Übereinstimmung mit der dort zitierten Literatur ausgeführt hat, ist der Begriff des berechtigten Fahrers weder im Versicherungsvertragsgesetz noch in den AKB. eindeutig geregelt und kann daher nur im Zusammenhange mit den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts definiert werden. Die Berechtigung des Fahrers kann darnach nur von demjenigen abgeleitet werden, der selbständig über die Benützung des Fahrzeuges bestimmen kann. Entscheidend ist also der Wille des Verfügungsberechtigten, der ausdrücklich oder im Sinne des § 863 ABGB. stillschweigend durch schlüssige Handlungen erklärt werden kann.

Im vorliegenden Fall wurde ein ausdrückliches Gebot des verfügungsberechtigten Halters (Versicherungsnehmers) an den Fahrer (Kläger) festgestellt, den Lastkraftwagen nach Arbeitsschluß vor der Unterkunft in P. abzustellen, dies lediglich mit der Ausnahme, daß die Heimfahrt nach P. bei dem Gasthaus S. zur Einnahme des Abendessens unterbrochen werden könne. Es besteht kein Zweifel, daß der Kläger gegen das Gebot verstieß, als er die Heimfahrt nicht bloß zur Einnahme des Abendessens unterbrach, sondern den Wagen - entgegen der ausdrücklichen, wohl begrundeten Weisung des Fahrzeughalters - beim Gasthaus S. stehen ließ, eine Vergnügungsfahrt mit einem anderen Wagen und in Gesellschaft nach Purkersdorf machte, dann nochmals im Gasthaus S. einkehrte und erst dann mit dem ihm anvertrauten Lastkraftwagen nach P. zurückfuhr. Diese Fahrt diente nicht mehr der sofortigen Abstellung des Wagens in P. als solcher, sondern der Heimbringung des Klägers nach anderweitigen außerdienstlichen Unternehmungen. Der Kläger, der damit gegen das ausdrückliche Gebot seines Dienstgebers handelte, war auf dieser Heimfahrt kein berechtigter Fahrer im Sinne des § 10

(1) AKB. Er kann daher auch einen Versicherungsschutz der Beklagten für sich nicht in Anspruch nehmen.

Der Kläger meint, berechtigter Fahrer gewesen zu sein, weil es sich nur um eine geringfügige Abweichung von der Weisung gehandelt habe, weil T. mit seinem Verhalten einverstanden gewesen wäre, wenn er gefragt worden wäre, weil er (Kläger) ferner nicht schuldhaft gehandelt habe und weder alkoholisiert noch ermüdet gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß hier nicht eine verhältnismäßig geringfügige Abweichung von der Durchführung eines dienstlichen Auftrages, sondern ein Verstoß gegen ein ausdrückliches Gebot, durch das der Halter Unfällen vorbeugen wollte, vorlag. Es kann auch nicht gesagt werden, daß T. mit dem Verhalten des Klägers einverstanden gewesen wäre, wo er doch gerade dieses Verhalten durch seine bestimmte Anordnung ausgeschlossen wissen wollte. Es ist schließlich unerheblich, ob das Verhalten des Klägers schuldhaft war, ob der Kläger bei der Fahrt alkoholisiert oder ermüdet war oder nicht. Dies ist nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, daß ihm der Halter geboten hatte, den Lastkraftwagen nach Arbeitsschluß sofort in P. abzustellen und eine Unterbrechung der Fahrt vom Arbeitsplatz zum Abstellplatz nur zur Einnahme des Abendessens im Gasthaus S. gestattet hat. Der Kläger unterbrach die Heimfahrt nicht nur zur Einnahme des Abendessens, er verbrachte zwei weitere Stunden mit einer Vergnügungsfahrt und einem weiteren Gasthausbesuch in Gesellschaft und darüber hinaus noch eine Stunde mit einem abermaligen Besuch des Gasthauses S., in dem er sein Abendessen eingenommen hatte. Er war nicht zur Benützung des Wagens nach einer derartigen (freiwilligen) Unterbrechung der Fahrt berechtigt. Er war kein berechtigter Fahrer und auf der Fahrt, auf der sich der Unfall ereignete, ohne Versicherungsschutz.

Die vom Kläger in der Revision zitierte und in den Argumenten mehrfach herangezogene Entscheidung ZVR. Nr. 342/1961 hatte einen anders gearteten Sachverhalt zum Gegenstand. Gerade aus ihr ist aber auch zu entnehmen, daß auf die Abweichung des Betriebsgehilfen (hier des beim Versicherungsnehmer beschäftigten Kraftfahrers) von dem ihm erteilten Auftrag ein strenger Maßstab anzulegen ist.

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