OGH 8Ob20/63

OGH8Ob20/6326.2.1963

SZ 36/30

Normen

ABGB §1435
ABGB §1435

 

Spruch:

Kondiktion bei Unterlassung der als Gegenleistung versprochenen Erbeinsetzung.

Entscheidung vom 26. Februar 1963, 8 Ob 20/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger und seine Brüder Friedrich und Franz Ch. waren je zu einem Drittel Eigentümer eines Holzhauses. Franz Ch. wurde für tot erklärt, sein Nachlaß abgehandelt und seiner Gattin Emilie Ch. eingeantwortet. Während des Abhandlungsverfahrens trat Friedrich Ch., der damals das Haus allein bewohnte, an den Kläger und seine Schwägerin Emilie Ch. mit dem Verlangen heran, ihm deren Drittelanteile an diesem Hause zu übertragen, wogegen er sich "verpflichtete", den Kläger und seine Schwester Anna Ch. je zur Hälfte zu Erben einzusetzen und ihnen je eine Hälfte des Hauses letztwillig zu hinterlassen. Seiner Schwägerin Emilie Ch. räumte er das lebenslängliche Wohnungsrecht in diesem Hause ein. Der Kläger, Anna Ch. und Emilie Ch. erklärten sich mit diesem Vorschlag einverstanden. Mit dem vor dem Notar errichteten Kaufvertrag vom 24. bzw. 27. November 1948 verkauften der Kläger und Emilie Ch. dem Friedrich Ch. ihre Hausdrittel um je 2000 S. Der Betrag von 4000 S entsprach dem damaligen Einheitswert. Der Verkehrswert betrug rund 60.000 S. Dem Notar machten die Verkäufer von der Zusage des Friedrich Ch., den Kläger und seine Schwester Anna Ch. zu Hälfteerben einzusetzen, keine Mitteilung, um Kosten zu "ersparen". Auch wurde in dem Kaufvertrag das lebenslängliche Wohnungsrecht der Emilie Ch. nicht erwähnt. Dieses Wohnungsrecht löste Friedrich Ch. in der Folge dadurch ab, daß er seiner Schwägerin Emilie Ch. eine Ersatzwohnung beistellte. In Erfüllung seiner Zusage setzte Friedrich Ch. den Kläger und seine Schwester Anna Ch. in dem von ihm eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament vom 1. Jänner 1949 zu gleichen Teilen zu Erben ein. Am 16. Juli 1949 errichtete er ein neues Testament mit dem gleichen Inhalt, das er außerdem noch von zwei Zeugen unterfertigen ließ. Am 12. September 1954 errichtete er ein weiteres Testament. In diesem setzte er seine Lebensgefährtin, die heutige Beklagte, zur Universalerbin ein und fügte bei, daß die früheren "Abmachungen" mit seinen Geschwistern Anna Ch. und dem Kläger daher ungültig seien. Als Friedrich Ch. mit der Beklagten im Jahre 1954 die Lebensgemeinschaft aufnahm, äußerte der Kläger Bedenken, ob sich sein Bruder weiterhin an die Zusage halten werde, und versuchte, Friedrich Ch. zu einem finanziellen Ausgleich bezüglich des ihm verkauften Drittelanteiles zu bewegen. Dabei kam es zwischen dem Kläger und Friedrich Ch. zu einer heftigen Auseinandersetzung, die damit endete, daß Friedrich Ch. seinem Bruder mitteilen ließ, daß er sich bei ihm nicht mehr blicken lassen solle, weil sonst ein Unglück geschehe. Friedrich Ch. starb am 25. August 1961. Sein Nachlaß mit dem Haus wurde der Beklagten auf Grund des Testamentes vom 12. September 1954 eingeantwortet.

Auf Grund dieses Sachverhaltes begehrt der Kläger mit der am 24. Jänner 1962 erhobenen Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm den Drittelanteil an dem Haus, lastenfrei ins Eigentum zu übertragen und in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes hieran einzuwilligen. In der Klage verwies der Kläger noch darauf, daß eine Rückerstattung des Kaufpreises von 2000 S entfalle, weil er ein Benützungsentgelt fordere und ihm auch ein Anspruch auf Herausgabe der Früchte zustehe.

Die Beklagte bestritt die Klagsangaben und wendete unter anderem Verjährung ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Verpflichtungserklärung des Friedrich Ch., daß er den Kläger und seine Schwester Anna Ch. zu Hälfteeigentümern einsetzen werde, stehe mit dem Kaufvertrag in unlösbarem Zusammenhang. Es liege daher ein bedingter Vertrag vor. Dadurch, daß Friedrich Ch. die Beklagte zur Universalerbin eingesetzt habe, habe er die Bedingung vereitelt, weshalb die Beklagte dem Kläger die ihm vertraglich zukommende Liegenschaftshälfte ins Eigentum zu übertragen hätte. Doch begehre der Kläger selbst nur die Rückübertragung des Drittelanteiles an dem Haus. Den Kaufpreis brauche er nicht zurückzuzahlen, weil ihm ein Anspruch auf ein Benützungsentgelt zustehe, das den Betrag von 2000 S übersteige.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Auch nach Ansicht des Berufungsgerichtes handelt es sich hier um einen bedingten Vertrag. Da die Bedingung nicht eingetreten sei, stehe dem Kläger gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des Friedrich Ch. ein der dreißigjährigen Verjährung unterliegender, dem § 1435 ABGB. zu unterstellender Bereicherungsanspruch zu. Der Kläger brauche den Kaufpreis von 2000 S nicht zurückzuerstatten, weil er ein diesen Betrag übersteigendes Benützungsentgelt fordere, wozu er berechtigt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt die Beklagte darin, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung die zusätzliche Feststellung getroffen habe, der Kaufvertrag sei unter der Bedingung abgeschlossen worden, daß Friedrich Ch. seinen Nachlaß dem Kläger und seiner Schwester Anna Ch. je zur Hälfte hinterlasse. Mit diesen Ausführungen macht die Beklagte in Wirklichkeit den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, weil die Frage, ob ein seinem Inhalt nach feststehender Vertrag als unter einer Bedingung abgeschlossen anzusehen sei, in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung gehört. Überdies nahm auch das Erstgericht das Vorliegen eines bedingten Kaufvertrages an. Doch kann der Beklagten zugegeben werden, daß die Feststellungen der Untergerichte keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines bedingten Vertrages ergeben. Die Untergerichte haben lediglich festgestellt, daß der Kläger und Emilie Ch. ihre Drittelanteile an dem Haus dem Friedrich Ch. übertragen haben, wogegen sich dieser zu verschiedenen Gegenleistungen verpflichtete. Damit wurde aber kein Schwebezustand geschaffen. Vielmehr liegt ein unbedingter Vertrag vor und es kann daher der gegenteiligen Ansicht der Untergerichte nicht gefolgt werden. Mit Recht hat jedoch das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes abgelehnt, daß Friedrich Ch. durch seine Vereinbarung mit dem Kläger und Anna Ch. in seiner Testierfreiheit beschränkt und in dieser Beziehung an diese Vereinbarung gebunden war. Wenn Friedrich Ch. in diesem Zusammenhang von einer Verpflichtung, die er übernommen habe, gesprochen haben sollte, wäre dies unerheblich, weil es nicht auf die Rechtsansicht der Parteien ankommt. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß sich Friedrich Ch. zur Erbringung dieser Gegenleistung nicht verpflichten konnte. Es stand weiter in seinem freien Belieben, seinen Bruder und seine Schwester zu Erben einzusetzen, und er konnte auf den Widerruf einer so getroffenen letztwilligen Anordnung nicht wirksam verzichten. Dies folgt aus der sogenannten Testierfreiheit, deren Beschränkung nicht Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages sein kann (Weiss in Klang, Komm.[2], III., zu §§ 552, 553 ABGB., S. 210). Auf die Testierungsfreiheit kann, von dem Fall eines Erbvertrages nach § 1249 ABGB. abgesehen, nicht verzichtet werden. Zu der Gegenleistung, die Friedrich Ch. dafür in Aussicht stellte, daß er den Drittelanteil des Klägers an dem Haus übertragen erhielt, nämlich den Kläger und seine Schwester Anna Ch. zu Hälfteerben einzusetzen und ihnen je zur Hälfte seinen Nachlaß zu hinterlassen, konnte er sich somit infolge der Testierfreiheit nicht wirksam verpflichten. Wenn aber der Empfänger einer Leistung eine Gegenleistung in Aussicht stellt, zu der er sich nicht verpflichten kann, wie z. B. eine Erbeinsetzung, rechtfertigt der Nichteintritt des erwarteten Verhaltens eine Kondiktion, wenn der Leistende nicht seinen Willen zum Ausdruck bringt, eine Schenkung auf eigenes Risiko zu machen (Wilburg in Klang, Komm.[2], VI. Band, zu §§ 1431 bis 1437, S. 469 bei Anm. 274). Eine solche nach § 1435 ABGB. zu beurteilende Kondiktion steht dem Kläger gegenüber der Beklagten als der Rechtsnachfolgerin des Empfängers der Leistung zu. Der Kläger hat seinen Drittelanteil an dem Hause seinem Bruder Friedrich Ch. in der Erwartung, daß dieser seine Zusage einhalten werde, übertragen. Friedrich Ch. hat zwar den Kläger und seine Schwester Anna Ch. entsprechend dieser Zusage zu Erben eingesetzt, jedoch diese letztwillige Anordnung in der Folge dadurch, daß er die Beklagte zu seiner Universalerbin eingesetzt hat, widerrufen, womit er zum Ausdruck brachte, daß er die von ihm in Aussicht gestellte Gegenleistung nicht mehr zu erbringen gedenke. Daß der Kläger seinem Bruder Friedrich Ch. für den Fall, daß dieser seine Zusage nicht einhalten würde, den Drittelanteil an dem Haus hätte schenken wollen, wurde von niemandem behauptet. Nach den Verfahrensergebnissen könnte dies auch nicht angenommen werden. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf den in den Kaufvertrag aufgenommenen Verzicht, den Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes anzufechten, weil der Kläger den Vertrag nicht wegen laesio enormis anficht, sondern seinen Rückforderungsanspruch darauf grundet, daß das erwartete Verhalten des Friedrich Ch. nicht eingetreten ist. Der Verpflichtung der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Friedrich Ch., dem Kläger einen Drittelanteil an dem Haus rückzuübertragen, steht auch nicht die Verjährungseinrede entgegen. Ansprüche nach § 1435 ABGB. verjähren erst in 30 Jahren, weil das Gesetz über die Verjährung solcher Ansprüche keine besondere Bestimmung trifft (Swoboda in Klang, Komm.[1], § 1437, S. 470 und die dort in Anm. 204 zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes).

Wenn die Beklagte schließlich bestreitet, daß der Erblasser zur Bezahlung eines Benützungsentgeltes an den Kläger verpflichtet gewesen sei, übersieht sie, daß Friedrich Ch. seit der Einsetzung der Beklagten zu seiner Universalerbin als unredlicher Besitzer des Drittelanteiles des Klägers angesehen werden muß (§ 1437 ABGB.). Denn seit diesem Zeitpunkt wußte er, daß er die die Voraussetzung seines Erwerbes des Hausanteiles bildende Erwartung des Klägers enttäuschen werde, weil er seine Zusage nicht mehr einzuhalten gedachte. Daß das Benützungsentgelt, das der Kläger schon in der Klage mit dem Kaufpreis von 2000 S kompensiert, den Betrag von 2000 S bei weitem übersteigt, hat das Berufungsgericht überzeugend begrundet. Überdies hat die Beklagte in ihrer Revision die Höhe des Benützungsentgeltes nicht bekämpft.

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