OGH 8Ob353/62

OGH8Ob353/628.1.1963

SZ 36/3

Normen

ABGB §1435
ABGB §1435

 

Spruch:

Der Eigentümer kann den Verkaufserlös seiner Sache von demjenigen kondizieren, der die Sache in der irrigen Meinung, sie gehöre einem Dritten, für dessen Rechnung verkauft und den Verkaufserlös mit einer Forderung gegen diesen Dritten aufgerechnet hat.

Entscheidung vom 8. Jänner 1963, 8 Ob 353/62.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger stellte im Frühjahr 1957 seinen Omnibus bei dem Landwirt Josef W., dem Pächter einer dem Beklagten zur Hälfte gehörigen Liegenschaft in I. ein. Obwohl W. die Pachtliegenschaft bis spätestens 30. September 1960 zu räumen hatte, unterließ er den Abtransport des nur noch als Wrack anzusprechenden Omnibusses und anderen Gerümpels. Der Beklagte verkaufte am 20. April 1961 für Rechnung W.'s das Wrack um 500 S und die übrigen Altmetallwaren um 100 S an einen Altwarenhändler.

Der Kläger begehrt vom Beklagten mit der Behauptung, dieser habe den Omnibus, der 20.000 S wert gewesen sei, veräußert, obwohl W. ihn ausdrücklich auf das Eigentum des Klägers aufmerksam gemacht habe, einen Betrag von 20.000 S samt Anhang als Ersatz des ihm durch die willkürliche und widerrechtliche Handlungsweise des Beklagten entstandenen Schadens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe erst nach Räumung der Pachtliegenschaft durch W. erfahren, daß dieser nur Pächter sei. Der Beklagte habe nach dem Verhalten W.'s der begrundeten Meinung sein müssen, daß diesem der Omnibus gehöre. W. habe die Räumung der Pachtliegenschaft immer wieder hinausgezogen. Sein Sohn Ferdinand habe den Beklagten wegen des Abtransportes des Omnibuswrackes wiederholt vertröstet. Zu Beginn des Jahres 1961 habe Ferdinand W. dem Beklagten, als dieser ihn neuerlich wegen des Abtransportes angegangen sei, geantwortet: "Räumen Sie das weg". Daraufhin habe der Beklagte das Wrack um 500 S und das andere Gerümpel um 100 S einem Altwarenhändler verkauft. Die 600 S habe er mit W. verrechnet, da er von diesem einen Betrag von 600 S zu fordern gehabt habe. Bei dieser Sachlage könne dem Beklagten keine Außerachtlassung einer Obsorgeverpflichtung und schon gar nicht eine willkürliche und widerrechtliche Handlungsweise angelastet werden.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß der Beklagte zur Bezahlung eines Betrages von 500 S samt Anhang schuldig erkannt wurde, und bestätigte es im Ausspruch über die Abweisung des 500 S übersteigenden Mehrbegehrens. Bei der gegenständlichen Klage handle es sich nicht um eine Eigentumsklage, sondern um eine Schadenersatz- bzw. Bereicherungsklage. Der Kläger könne jedoch vom Beklagten nicht den Ersatz seines Schadens begehren, weil den Beklagten kein Verschulden an dem Verkauf des Wracks treffe. Hingegen müsse der Beklagte dem Kläger den Verkaufserlös von 500 S herausgeben. Die Verrechnung zwischen dem Beklagten und W. stelle sich als eine Kompensation dar. Mit der Forderung eines Dritten könne ohne dessen Einwilligung nicht kompensiert werden, so daß der Beklagte um den Betrag von 500 S bereichert erscheine.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Beklagten kann zugegeben werden, daß er zur Herausgabe des Verkaufserlöses nicht verpflichtet wäre, wenn er Eigentümer des Omnibuswrackes nach § 367 ABGB. geworden wäre. Er wurde es aber nicht, weil keiner der Fälle des § 367 ABGB. vorliegt. Mit dem Hinweis des Beklagten, daß er die "theoretische Möglichkeit", die Sache in einer öffentlichen Versteigerung an sich zu bringen, gehabt habe, weil das Wrack im Zuge einer gegen W. geführten Exekution gepfändet worden war, ist für ihn nichts gewonnen, weil er das Wrack bei der Versteigerung nicht erstanden hat. Bei dieser Sachlage braucht auf das nicht recht verständliche Vorbringen des Beklagten bezüglich einer analogen Anwendung des § 367 ABGB. nicht näher eingegangen zu werden. Soweit der Beklagte in der Revision vorbringt, daß er das Wrack vom Vertrauensmann des Klägers nämlich von W., gegen Entgelt an sich gebracht habe, setzt er sich mit den Feststellungen der Untergerichte in Widerspruch. Diese haben bloß festgestellt, daß Ferdinand W., der Sohn des Pächters, zum Beklagten gesagt habe: "Räumen Sie das weg", worunter das Wrack und anderes Gerümpel gemeint war. Auch wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, daß Josef W. seinen Sohn Ferdinand zur Abgabe einer solchen Erklärung bevollmächtigt oder dessen Verhalten nachträglich genehmigt hat, so können diese Worte doch nicht dahin verstanden werden, daß Josef W. das Wrack dem Beklagten verkauft hätte. Hiemit hat W. den Beklagten lediglich ermächtigt, allenfalls beauftragt, das Wrack wegzuschaffen, womit für den Beklagten im Verhältnis zu Josef W. die Verpflichtung entstand, den aus dem Geschäft entstandenen Nutzen dem Josef W. zu überlassen (§ 1009 ABGB.).

Der Beklagte hat demnach Eigentum an dem Wrack nicht erworben, so daß das Berufungsgericht zutreffend in die Prüfung der Frage einging, ob der Kläger vom Beklagten den Verkaufserlös kondizieren könne, nachdem die Schadenersatzklage gegen den Beklagten mangels Verschuldens keinen Erfolg haben konnte. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Bereicherungsanspruch des Klägers bejaht. Wenn der Beklagte in der Revision ausführt, daß er allenfalls bereichert wäre, wenn er den Verkaufserlös für sich behalten hätte, aber keinesfalls dann, wenn er den Verkaufserlös an W., den er für den Eigentümer des Wracks habe halten müssen, abgeführt oder mit diesem verrechnet habe, so verkennt er das Wesen der grundlosen Bereicherung. Zunächst kann es dahingestellt bleiben, ob das Klagebegehren auch dann begrundet wäre, wenn der Beklagte den Verkaufserlös dem W. abgeführt hätte weil ein solcher Sachverhalt hier nicht vorliegt. Jedenfalls ist der Beklagte dadurch, daß seine Forderung gegen W. aus dem Verkaufserlös befriedigt wurde, grundlos bereichert. Mag auch der Beklagte aus einem entschuldbaren Irrtum W. als Eigentümer des Wracks angesehen haben, so war doch der Verkauf durch den Beklagten für Rechnung W.'s objektiv rechtswidrig, weil er fremdes Eigentum, nämlich das des Klägers, verletzt hat. Der Beklagte hat den Verkaufserlös, wenn auch in der irrigen Meinung, sein Schuldner sei Eigentümer der verkauften Sache und habe einen Anspruch auf den Erlös, für seinen eigenen Nutzen verwendet, weil er den Verkaufserlös mit einer ihm gegen seinen Schuldner zustehenden Forderung verrechnet hat. Seine Forderung wurde auf diese Weise getilgt, womit er einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, weil W. bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt hatte, der Beklagte daher mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß seine Forderung uneinbringlich werden könnte. Aus ähnlichen Erwägungen gewährt die Rechtsprechung dem dritten Eigentümer, dessen Sache irrtümlich versteigert wurde, einen Kondiktionsanspruch gegen den betreibenden Gläubiger (ÖRZ. 1936 S. 247, SZ. XVI 114), weil eine Bereicherung nicht bloß dann vorliegt, wenn das Vermögen desjenigen, der eine fremde Sache zu seinem Nutzen verwendet, eine tatsächlich wahrnehmbare Vermehrung erfährt, sondern auch dann, wenn nur eine qualitative Besserung seiner Vermögenslage stattfindet, also auch dann, wenn an die Stelle einer allen Fährlichkeiten der Eintreibung ausgesetzten Forderung der aus dem Verkauf erzielte Erlös tritt, womit er einen früher nicht bestandenen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Bei dieser Rechtslage kommt dem Einwand des Beklagten, daß er das Wrack im Auftrag und für Rechnung W. verkauft habe, daher diesem den Verkaufserlös abzuführen verpflichtet gewesen sei, überhaupt keine streitentscheidende Bedeutung zu.

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