OGH 7Ob75/62

OGH7Ob75/6228.11.1962

SZ 35/123

Normen

Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §1 (2)
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §38
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §1 (2)
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §38

 

Spruch:

Mit der Prämienstundung wird mangels anderer Vereinbarung der Versicherungsschutz übernommen.

Im Falle der Stundung der Erstprämie gelten nicht nur die erste Teilzahlung, sondern auch die weiteren Zahlungen auf die Erstprämie als Erstprämie nach § 38 VersVG.

Entscheidung vom 28. November 1962, 7 Ob 75/62.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger schloß mit der Beklagten über einen Kraftwagenanhänger einen Kaskoversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn am 20. Mai 1959. Der Versicherungsschein wurde dem Kläger am 12. August 1959 zugestellt. Am 23. Oktober 1959 bezahlte der Kläger a conto der Prämie 1000 S und ersuchte gleichzeitig um Stundung der Restprämie. S., der Verrechnungsleiter der Salzburger Filiale der Beklagten, willigte in die Stundung, faßte sie jedoch so auf, daß der Kläger spätestens am 23. November wieder 1000 S zu bezahlen hat, während der Kläger sie so auffaßte, daß ihm für den ganzen Monat November Stundung bewilligt wurde, er im Laufe des Novembers wieder 1000 S zahlen und neuerlich um Stundung ansuchen könne. Am 26. November 1959 wurde dieser Anhänger bei einem Unfall total zerstört. Der Kläger begehrt den Ersatz des Schadens. Die Beklagte behauptet Leistungsfreiheit, weil im Zeitpunkt des Unfalls die Erstprämie nicht bezahlt gewesen sei. Außerdem sei der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in bezug auf die Leistungsfreiheit der beklagten Partei aus, daß es sich hinsichtlich der Prämie um eine Erstprämie gehandelt habe, die mit Ausfolgung des Versicherungsscheines fällig geworden sei. Die Vereinbarung über die Abstattung des Prämienrestes habe sich nur auf den Verzicht der beklagten Partei bezogen, Teilleistungen abzulehnen und bei Nichtzahlung der Prämie innerhalb von drei Monaten vom Fälligkeitstag an trotz Nichteinbringung der Prämienklage vom Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstrichterliche Urteil. Entscheidend sei allein, ob eine Vereinbarung zustande gekommen ist, die die Bestimmungen des § 1 AKB. zur Aufhebung brachte. Nach § 1 AKB. beginne der Versicherungsschutz mit der Einlösung der Versicherungspolizze durch Zahlung der Prämie. Solange der Kläger nicht bezahlte, genoß er auch keinen Versicherungsschutz. Nach § 1

(2) AKB. bedurfte es dazu einer besonderen Zusage des Versicherers (Deckungszusage). Eine solche sei in der Klage nicht einmal behauptet worden. Selbst nach der Aussage des Klägers liege in der Vereinbarung vom 23. Oktober 1959 zwischen ihm und S. S. keine solche über Prämienverzug und Leistungsfreiheit. Auch von einem stillschweigenden Zustandekommen einer solchen Vereinbarung könne nicht gesprochen werden. Nach Bezahlung von 1000 S a conto der Prämie am 23. Oktober 1959 und nach Zustimmung zum Vorschlag des Klägers auf Ratenzahlung durch S. erhielt der Kläger von der Zentrale der beklagten Partei das Schreiben vom 10. November 1959, in welchem nicht einmal die Rede davon ist, daß dem Kläger Ratenzahlung eingeräumt wurde, sondern in welchem nur gesagt wird, daß sich sein Prämienrückstand um 1000 S verminderte, und in welchem er aufgefordert wird, den Restbetrag verläßlich binnen acht Tagen zu überweisen, damit die Versicherung wieder vollkommen in Ordnung laufe und die mit dem Zahlungsverzug gegebenenfalls begrundeten Rechtsfolgen vermieden werden könnten. Um welche Rechtsfolgen es sich dabei handelte, hätte der Kläger durch Einsicht in die AKB. feststellen können. Der Kläger habe dieses Schreiben unbeantwortet gelassen, obwohl er daraus erkennen mußte, daß dem Stundungsversprechen des S. in keiner Weise damit Rechnung getragen worden sei. Der Kläger habe weiters das Schreiben vom 23. November 1959 erhalten, das ebenfalls im Widerspruch zu seiner Meinung über die Ratenzahlungsmöglichkeiten stand, denn er wurde wieder aufgefordert, die Prämie samt Mahnspesen von insgesamt 2.954.20 S binnen acht Tagen zu überweisen, ansonsten geklagt würde. Beide Schreiben sprechen also gegen das stillschweigende Zustandekommen einer vorläufigen Deckungszusage. Liege eine solche nicht vor, dann sei es auch nicht notwendig zu untersuchen, ob zwischen dem Kläger und S. S. eine gültige Ratenzahlungsvereinbarung zustandegekommen sei und ob S. zu solchen Stundungsvereinbarungen befugt gewesen sei. Der Kläger hätte sich zusätzlich zu seiner Ratenvereinbarung auch um Zusage der vorläufigen Deckung bemühen müssen, habe er dies nicht getan, genieße er auch keinen Versicherungsschutz, solange die Prämie nicht bezahlt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Schwerpunkt der Revision liegt in der Rechtsrüge. Da nach der Einlösungsklausel des § 1 AKB. der Versicherungsschutz erst mit der Bezahlung der Erstprämie beginnt, bedurfte es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung, wenn der Versicherungsschutz bereits in einem früheren Zeitpunkt beginnen sollte. Dabei handelt es sich aber nach dem Parteienvorbringen nur um eine Stundung unter gleichzeitiger Einräumung der Haftung des Versicherers (deckende Stundung), nicht um eine vorläufige Deckungszusage im Sinne des § 1

(2) AKB., die nur den Versicherungsschutz bis zum Abschluß des Versicherungsvertrages zum Gegenstand hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes muß aber in einer Stundungsvereinbarung, wenn darin nichts anderes gesagt wird, auch die Übernahme des Versicherungsschutzes erblickt werden, weil nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Versicherungsnehmer die Stundung der Prämie nicht nur deshalb anstrebt, um sich einer drohenden Prämienklage zu entziehen, sondern in erster Linie, um den vereinbarten Versicherungsschutz zu erhalten. Will der Versicherer bei Eingehen einer Stundungsvereinbarung den Versicherungsschutz nicht übernehmen, so muß er nach Treu und Glauben dies in der Stundungsvereinbarung ausdrücklich erwähnen. Im Zweifel ist immer eine "deckende" Stundung anzunehmen (Bruck - Möller, S. 462 und S. 464, Albert Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht 1935, S. 250 und S. 254: "Es ist dem Geschäftszweck stillschweigend zu unterstellen, daß der Beginn der Versicherung eintreten soll und die Haftung wirksam werden soll, also der Eintritt der in § 38 VersVG. bezeichneten Rechtsfolgen bis zum Stundungstermin hinausgeschoben werden soll."). Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die beiden Schreiben der beklagten Partei vom 10. November und 23. November 1959 verweist, so übersieht es, daß die behauptete Stundungsvereinbarung bereits am 23. Oktober 1959 zustandegekommen ist, spätere einseitige Erklärungen daher den Inhalt der Vereinbarung nicht beeinflussen können. Abgesehen davon, daß sich aus diesen Schreiben für die Frage der Übernahme des Versicherungsschutzes nichts entnehmen läßt, weil das erste Schreiben an der (zugegebenen) Vereinbarung überhaupt vorbeigeht und auch das zweite Schreiben nur eine Klagedrohung für den Fall der Nichtzahlung ausspricht. Im übrigen hat die beklagte Partei selbst nur den Standpunkt eingenommen, daß infolge Nichteinhaltens der Stundungsvereinbarung Haftungsbefreiung eingetreten sei (Klagebeantwortung). Erst in der Berufungsmitteilung findet sich (sichtlich von der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beeinflußt) die ausdrückliche Behauptung, daß in der Stundungsvereinbarung keine Haftungsübernahme gelegen gewesen sei.

Unrichtig ist allerdings die Meinung des Klägers, daß im Fall der Stundung als Erstprämie nur die erste Ratenzahlung angesehen werden könne, für die weiteren Ratenzahlungen aber ein Verfahren nach § 39 VersVG. notwendig gewesen sei. In Übereinstimmung mit Albert Ehrenzweig (Deutsches (österr.) Versicherungsvertragsrecht 1952, S. 137, Anm. 2, und S. 140) und Prölss (12. Aufl., S. 166), Ehrenberg (Neumanns Ztg. 1927, S. 15 - 18), Reiser (Anm. 27 zu § 9. S. 241), in Gegensatz zur Meinung Bruck - Möllers (§ 35, Anm. 16) vertritt auch der Oberste Gerichtshof die Ansicht, daß im Fall der Stundung der Erstprämie nicht nur die erste Teilzahlung, sondern auch die weiteren Zahlungen auf die Erstprämie als Erstprämie nach § 38 VersVG. gelten (so auch Thees, D. J. 1940 S. 82), wenn nicht von vornherein im Vertrag generell Zahlung in Raten vorgesehen ist. Die Rechtsfolgen einer Nichtzahlung werden bis zum Ablauf der Stundungsfrist hinausgeschoben. Der Versicherer ist bei Nichteinhaltung der Vereinbarung nach § 38 VersVG. leistungsfrei. Es bedurfte daher auch im vorliegenden Fall zum Eintritt der Leistungsfreiheit nicht erst einer qualifizierten Mahnung des Klägers nach § 39 VersVG. Es kann nicht angenommen werden, daß sich der Versicherer durch sein Zugeständnis des Zuwartens verpflichten wollte, bei fruchtlosem Ablauf der Stundungsfrist noch einmal eine 14tägige Nachfrist zu gewähren.

Hinsichtlich der Stundungsvereinbarung hat nun das Erstgericht festgestellt, daß eine Willensübereinstimmung nicht erzielt wurde. Der mündlichen Bitte des Klägers um Stundung auf den nächsten Monat sei entsprochen worden, dabei habe aber der Kläger dies so aufgefaßt, daß ihm für den ganzen nächsten Kalendermonat Stundung bewilligt worden sei, während S. der Ansicht gewesen sei, daß der Kläger spätestens am 23. November 1959 mindestens wieder 1000 S zu zahlen gehabt hätte. Der nächste Fälligkeitstermin sei nicht ausdrücklich genannt worden. Daß sich die beklagte Partei zu der Stundungsvereinbarung im Sinne der Auffassung S.s bekannte, hilft dem Kläger nichts, weil danach jedenfalls am 23. November 1959 Leistungsfreiheit des Versicherers eingetreten wäre, nachdem die Restprämie an diesem Tag nicht zur Gänze bezahlt wurde. Auch das Schreiben vom 23. November 1959 änderte an der eingetretenen Leistungsfreiheit nichts, weil die darin genannte achttägige Frist sich nur auf die gerichtliche Geltendmachung bezog, aber keine Änderung der Vereinbarung mit sich brachte. Anders wäre es, wenn der Inhalt der Vereinbarung in dem Sinn festgestellt werden könnte, in welchem sie der Kläger verstanden haben will. In diesem Fall wäre dem Kläger noch der ganze Monat November zur Einzahlung der Restprämie zur Verfügung gestanden. Der Kläger hat in seiner Berufung gegen das Ersturteil die Ansicht des Erstrichters über den Inhalt der Vereinbarung ausdrücklich mit dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft. Das Berufungsgericht hat dazu nicht Stellung genommen, weil es, von einer anderen Rechtsansicht ausgehend, den Inhalt der Vereinbarung für nicht streitentscheidend hielt. Da dies nach der hier vertretenen Ansicht aber der Fall ist, ist die Sache noch nicht spruchreif, so daß das berufungsgerichtliche Urteil aufgehoben werden mußte, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, zum Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung in dieser Richtung noch Stellung zu nehmen.

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