OGH 5Ob219/62

OGH5Ob219/6212.10.1962

SZ 35/105

Normen

ZPO §396
ZPO §529
ZPO §530
ZPO §533
ZPO §396
ZPO §529
ZPO §530
ZPO §533

 

Spruch:

Die Fällung eines Versäumungsurteiles nach § 396 ZPO. ist im Aufhebungsverfahren über Rechtsmittelklagen dann unzulässig, wenn es auf Aufhebung des angefochtenen Urteils lauten soll. Dagegen ist die Abweisung der Rechtsmittelklage zulässig.

Entscheidung vom 12. Oktober 1962, 5 Ob 219/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger wurde mit dem Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes vom 19. September 1961 als der außereheliche Vater des minderjährigen Peter Hans S. festgestellt und zur Leistung von Unterhaltsbeträgen verpflichtet. In der am 5. Dezember 1961 bei Gericht zu Protokoll gegebenen Nichtigkeitsklage macht er geltend, die Klage samt Ladung und das Versäumungsurteil seien ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

Bei der für den 2. Jänner 1962 anberaumten ersten Streitverhandlung wurde der Kläger wieder säumig, und die beklagte Partei beantragte, gegen ihn Versäumungsurteil nach § 396 ZPO. zu fällen. Sie bestritt die Klagsbehauptungen und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht nahm die vom Kläger beantragten Beweise auf und hob das Versäumungsurteil als nichtig auf. Es stellte fest, die Klage samt Ladung zur ersten Streitverhandlung im Vorprozeß sei dem Kläger nicht gesetzmäßig zugestellt worden. Es liege der Nichtigkeitsgrund des § 529 (1) Z. 2 ZPO. vor, da der Kläger im Verfahren nicht vertreten war. Die Erlassung eines Versäumungsurteils gegen den Kläger sei wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters des Verfahrens über Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen nicht zulässig gewesen.

Der Berufung der beklagten Partei wurde nicht Folge gegeben. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zu beantworten ist vorerst nur die Frage, ob im Sinne des Antrags der beklagten Partei gegen den Kläger ein Versäumungsurteil zu fällen war, weil er die erste Streitverhandlung versäumt hatte. Der Oberste Gerichtshof wurde auch nur in dieser Frage angerufen.

Grundsätzlich bestimmt § 533 ZPO., daß auf das Verfahren über Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Bestimmungen Abweichungen ergeben, die im ersten bis vierten Teile dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Zu diesen Vorschriften gehören auch die über das Urteil in Versäumnisfällen. Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, daß die Rechtsmittelklagen der ZPO. Klagen des Prozeßrechtes, also des öffentlichen Rechtes, sind. Nur der Richterspruch, nicht aber Parteienübereinkommen ist imstande, ein gefälltes Urteil zu beseitigen. Daher ist es ausgeschlossen, daß die Parteien im Wege von Versäumnis, Anerkenntnis oder gerichtlichen Vergleich das Verfahren nach ihrem Wunsche gestalten können und auf einem Umweg gerichtliche Entscheidungen oder Urteile außer Kraft setzen können. Auch Geständnisse können das Gericht nicht binden, soweit sie Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsgrunde zum Gegenstand haben. Daraus ergibt sich, daß die Fällung eines Versäumungsurteiles nach § 396 ZPO. im Aufhebungsverfahren über Rechtsmittelklagen dann unzulässig ist, wenn es auf Aufhebung des angefochtenen Urteils lauten soll.

Diese Grundsätze schließen aber die Abweisung der Rechtsmittelklage mit Versäumungsurteil infolge Säumnis des Klägers nicht aus, denn der Ausschluß jeder Parteiendisposition gilt nur für den Fall der Aufhebung eines gefällten Urteiles. Wird der Kläger säumig und ist auf Grund des für wahr zu haltenden Vorbringens des Beklagten das Vorliegen des geltend gemachten Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsgrundes zu verneinen, bedeutet das kein unzulässiges Parteienübereinkommen über einen Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsgrund. Der Anwendung des § 396 ZPO. im Falle der Säumnis des Klägers steht daher nichts im Wege (vgl. Neumann, Komm.

z. ZPO., II. Bd., S. 1419, Fasching, Komm. z. ZPO., II. Bd., S. 715, Rosenberg[9] S. 784, SZ. XIX 28).

Die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben, weil diese, von einer anderen Rechtsansicht ausgehend, zur Frage, ob ein Säumnisfall vorliegt, nicht Stellung nahmen. Das Erstgericht wird insbesondere zu prüfen haben, ob der Erlassung des Versäumungsurteils gegen den Kläger ein Hindernis im Sinne des § 402 (1) ZPO. entgegensteht.

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