OGH 8Ob281/62

OGH8Ob281/6211.9.1962

SZ 35/89

Normen

ZPO §279
ZPO §332 (2)
ZPO §365
ZPO §412
ZPO §279
ZPO §332 (2)
ZPO §365
ZPO §412

 

Spruch:

Die Folgen des Nichterlages eines aufgetragenen Sachverständigenkostenvorschusses werden durch einen späteren Richterwechsel nicht berührt.

Entscheidung vom 11. September 1962, 8 Ob 281/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der am 9. Jänner 1961 von Anna A. außer der Ehe geborene Kläger begehrt die Feststellung, daß der Beklagte als sein Vater anzusehen sei. Er beantragt ferner, den Beklagten zur Leistung eines Unterhaltsbetrages zu verhalten.

Der Beklagte gab zu, mit der Mutter des Klägers innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist geschlechtlich verkehrt zu haben, wendete aber ein, daß er den Kläger nicht gezeugt habe, und beantragte zum Nachweise dieser Behauptung die Durchführung des Sachverständigenbeweises durch Blutgruppenuntersuchung.

Der Erstrichter ließ in seinem Beweisbeschluß den Sachverständigenbeweis zu und trug dem Beklagten als Beweisführer zur Deckung des mit der Aufnahme dieses Beweises verbundenen Aufwandes den vorschußweisen Erlag von 1000 S innerhalb einer Frist von vier Wochen auf. Der Kläger stellte den Antrag, für den Fall des Nichterlages den Beweis zu präkludieren. Der Beklagte kam dem Auftrag des Gerichtes nicht nach und erlegte den vom Gericht bestimmten Kostenvorschuß innerhalb der vorgesehenen Frist nicht.

Hierauf fällte das Erstgericht unter Abstandnahme von dem beantragten Sachverständigenbeweis am 6. Juni 1961 das Urteil, mit dem es feststellte, daß der Beklagte als Vater des Klägers anzusehen sei und zu seinem Unterhalt ab 20. April 1961 einen monatlichen Betrag von 235 S zu leisten habe. Das Unterhaltsmehrbegehren auf Leistung weiterer 65 S monatlich wies es ab.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, weil im Falle der Präklusion eines Beweismittels das Verfahren nur über Antrag einer der Parteien fortzusetzen gewesen wäre, ein solcher Antrag aber nicht gestellt worden sei.

Das Verfahren vor dem Erstgericht wurde wegen Richterwechsels gemäß § 412 ZPO. neu durchgeführt. Der Erstrichter faßte einen neuen Beweisbeschluß, der mit dem des früheren Erstrichters gleichlautend ist. Der Kläger beantragte die Fortsetzung des Verfahrens ohne Rücksicht auf die Durchführung des Sachverständigengutachtens, weil dieses Beweismittel bereits präkludiert sei. Hierauf stand der Erstrichter ungeachtet des Antrages des Beklagten, ihm neuerlich eine Frist zum Erlag eines Kostenvorschusses oder zur Vorlage des Armenrechtszeugnisses zu gewähren, von der Durchführung des Sachverständigenbeweises ab.

Das Erstgericht stellte nunmehr neuerlich die Vaterschaft des Beklagten zum Kläger fest und erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger ab 20. April 1961 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 222 S zu bezahlen. Das Unterhaltsmehrbegehren von weiteren 94 S monatlich wies es ab. Es vertrat den Standpunkt, daß der Richter infolge Präklusion des Sachverständigenbeweises von diesem Beweise habe Abstand nehmen müssen.

Das Berufungsgericht teilte diese Auffassung des Erstgerichtes und bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der erhobenen Mängelrüge vertritt der Beklagte den Standpunkt, daß der Erstrichter, der zufolge Richterwechsels neuerlich den Beschluß auf Zulassung des Sachverständigenbeweises habe fassen müssen, als Folge dieses seines Beweisbeschlusses verpflichtet gewesen wäre, dem Beklagten eine neue Frist zum Erlag eines Kostenvorschusses zu setzen. Die bereits im ersten Rechtsgang abgelaufene Frist für den Erlag des Vorschusses sei zufolge der zwingenden Bestimmungen des § 412 ZPO. nicht mehr wirksam gewesen. Der Oberste Gerichtshof kann diese mit dem Prinzip der Prozeßökonomie nicht in Einklang zu bringende und nur der Verschleppung dienende Auffassung des Beklagten nicht teilen. Nach § 412 ZPO. ist bei Richterwechsel die mündliche Verhandlung vor dem neuen Richter mit Benützung der Klage und der zu den Akten gebrachten Beweise und des Verhandlungsprotokolles von neuem durchzuführen. Es ist richtig, daß der neue Richter an den Beweisbeschluß des früheren Richters nicht gebunden ist und daß er daher neuerlich zu beschließen hat, welche Beweise er, als für die Entscheidung wesentlich, zuläßt. Von einer solchen neuerlichen Zulassung eines Beweises ist aber abzusehen, ja der neue Richter hat von der Durchführung des Beweises, selbst wenn er wie hier den Beweis trotz bereits erfolgtem Ablauf der für den Kostenvorschuß vom früheren Richter bestimmten Frist zugelassen hätte, wieder Abstand zu nehmen, wenn der Gegner des Beweisführers den Antrag stellt, ohne Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme das Verfahren fortzusetzen. Dies ergibt sich aus den zwingenden Bestimmungen der §§ 279, 332 (2 und 365 ZPO. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß der Auftrag des Gerichtes zum Erlag des Kostenvorschusses eine zur Durchführung des Beweisbeschlusses dienende Verfügung ist (1 Ob 318/59). An den Auftrag des früheren Richters zum Erlag eines Kostenvorschusses zur Durchführung des Sachverständigenbeweises innerhalb einer bestimmten Frist ist auch der neue Richter gebunden. Dieser Beschluß hat keineswegs durch den Richterwechsel seine Wirksamkeit verloren, wie sich aus dem Zweck der Vorschrift des § 412 (2) ZPO. ergibt, die der Unmittelbarkeit des Verfahrens dienen, aber keineswegs infolge des Richterwechsels bereits verwirkte prozessuale Rechte wiederaufleben lassen will.

Aus diesen Erwägungen mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

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