Normen
ZPO §18 (1)
Ausländische Rechtsquellen. Deutsche Zivilprozeßordnung §70
ZPO §18 (1)
Ausländische Rechtsquellen. Deutsche Zivilprozeßordnung §70
Spruch:
Der Beitritt des Nebenintervenienten wird mit der Zustellung der Beitrittserklärung an die Parteien wirksam.
Wird Beitrittserklärung und Rechtsmittel des Nebenintervenienten in einem Schriftsatz verbunden, muß dieser Schriftsatz den Parteien vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zugestellt werden.
Entscheidung vom 5. September 1962, 1 Ob 156, 157/62.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger brachte gegen die beklagte Partei eine Klage ein, in der er, gestützt auf seine Stellung als selbständiger Handelsvertreter, Provisionen in der Höhe von zusammen 27.170 S s. A. begehrt. Bei der ersten Tagsatzung am 2. März 1962 wurde auf Antrag des allein erschienenen Klagevertreters ein Versäumungsurteil gefällt. Dieses wurde der beklagten Partei am 5. März 1962 zugestellt. Am 19. März 1962 langte beim Erstgericht ein von Dr. Julius H., dem gemäß § 55b
u. c AO. bestellten Sachwalter der beklagten Partei, über deren Vermögen am 22. August 1961 das Ausgleichsverfahren eröffnet worden war, verfaßter Schriftsatz ein, in dem dieser die Erklärung abgab, im Hinblick auf seine erwähnte Stellung dem Verfahren auf Seite der beklagten Partei als Nebenintervenient beizutreten, und in dem er gleichzeitig gegen das Versäumnisurteil des Erstgerichtes eine Berufung ausführte. Dieser Schriftsatz wurde den Prozeßparteien am 21. März 1962 zugestellt. Nachdem die klagende Partei mittels Schriftsatzes den Antrag auf Zurückweisung des Nebenintervenienten gestellt und gleichzeitig eine Berufungsmitteilung erstattet hatte, faßte das Erstgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Erörterung der Zulassung des Nebenintervenienten den Beschluß auf dessen Zulassung.
I.
Dem gegen diesen Beschluß vom Kläger eingebrachten Rekurs gab das Rekursgericht Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Nebenintervention des Dr. Julius H. als im Ausgleich der beklagten Partei bestellter Sachverwalter auf Seite des Beklagten zurückgewiesen wird. Gestützt auf die Feststellung, daß das Versäumungsurteil der beklagten Partei laut Rückschein am 5. März 1962 zugestellt worden und demnach am 19. März 1962 in Rechtskraft erwachsen ist, und die weitere Feststellung, daß der die Erklärung, als Nebenintervenient einzutreten, enthaltende Schriftsatz den Prozeßparteien am 21. März 1962 zugestellt worden ist, nahm das Rekursgericht den Standpunkt ein, daß die Erklärung über den Eintritt als Nebenintervenient zufolge der bereits eingetretenen Rechtskraft des Versäumungsurteils verspätet abgegeben wurde und demgemäß zurückzuweisen war. Das Rekursgericht begrundete seinen Standpunkt damit, daß die Beitrittserklärung ein prozessualer Akt gegenüber den Hauptparteien sei, der erst vom Zeitpunkt der Zustellung an diese wirksam werde; erst von diesem Zeitpunkt an könne der Nebenintervenient rechtsgültig handeln. Die mit der Beitrittserklärung verbundene Prozeßhandlung, nämlich die Berufung, sei daher auch erst von der Zustellung der Beitrittserklärung an wirksam. Da diese Zustellung jedoch erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist an die beiden Hauptparteien erfolgte, müsse davon ausgegangen werden, daß das Versäumungsurteil in diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen des Dr. Julius H. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Beitritt eines Nebenintervenienten vollzieht sich durch eine an beide Parteien gerichtete schriftliche Erklärung, in den Prozeß als Nebenintervenient eintreten zu wollen. Er ist ein prozessualer Akt gegenüber beiden Parteien, wirksam vom Moment der Zustellung der Beitrittserklärung an beide Parteien. Von dem Zeitpunkt an kann der Nebenintervenient rechtsgültig handeln. Trotzdem darf er schon mit der Beitrittserklärung eine Prozeßhandlung verbinden, jedoch ist letztere erst mit der Zustellung der ersteren wirksam. Es muß, damit die Einlegung des Rechtsmittels rechtsbeständig ist, die Beitrittserklärung an beide Parteien vor Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgen (Neumann[4] I, S. 456). Die Rechtsprechung bejaht die Möglichkeit der Verbindung der Interventionserklärung mit der Berufung oder mit Einwendungen gegen eine Kündigung (JBl. 1962 S. 157, SZ. IV 79, GlUNF. 5757). Dabei ist jedoch immer vorausgesetzt, daß der Schriftsatz mit der Beitrittserklärung noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist den Hauptparteien zugestellt wurde. Da der Nebenintervenient erst vom Zeitpunkt der Zustellung der Beitrittserklärung an beide Parteien rechtsgültig handeln kann, so fällt die mit der Beitrittserklärung wirksamgewordene Erhebung der Berufung, wenn diese Zustellung an die Parteien nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgt, bereits in die Zeit nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils (JBl. 1962 S. 157, EvBl. 1957 Nr. 339, RZ. 1958 S. 59). Zu dem gleichen Ergebnis kommt die vom Rekurswerber für seinen Rechtsstandpunkt herangezogene, in Wahrheit aber dagegen sprechende Entscheidung GlUNF. 6309, der zufolge die Frage der Zulässigkeit der Nebenintervention nach dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, in dem der Beschluß über die Zulassung der Nebenintervention ergeht, und daß ein möglicherweise auch vorliegendes rechtliches Interesse an dem Obsiegen einer Partei in dem Moment in Wegfall kommt, in dem das Recht der Partei, der beigetreten werden soll, erloschen ist (hier: die Rechtskraft des Versäumungsurteils).
Der Oberste Gerichtshof vermag sich der von Novak in seiner Glosse zu der Entscheidung 2 Ob 341/61 (JBl. 1962 S. 157 ff.) vertretenen Ansicht, daß die Bestimmung des § 18 (1) ZPO. im Schluß des ersten Satzes "durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien" lediglich die Form der Beitrittserklärung festlege, aber keine Fristbestimmung enthalte, nicht anzuschließen. Die sinngemäße Auslegung des Wortlautes des § 18 (1) ZPO. "Die Nebenintervention kann ... durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen" führt zu dem Ergebnis, daß es der Gesetzgeber, was die Zeitkomponente anlangt, auf die Zustellung des Schriftsatzes an die Prozeßparteien abstellen und dieser Zustellung Prozeßbedeutung beigemessen wissen wollte, denn andernfalls hätte die entsprechende Bestimmung lauten müssen, daß die Nebenintervention - solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist - durch die Erklärung dem Gericht gegenüber erfolgt. Der Oberste Gerichtshof hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (JBl. 1962 S. 157, RZ. 1958 S. 59, EvBl. 1957 Nr. 339, SZ. XXIV 131 - ebenso Fasching II S. 216) fest, daß der für die dem Nebenintervenienten gesetzte Frist maßgebende Zeitpunkt die Zustellung seiner Beitrittserklärung an die Hauptparteien ist und daß diese Zustellung vor rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens erfolgt sein muß. Daß Pollak, Sperl und Neumann zu dieser Frage nicht Stellung nehmen, vermag die Richtigkeit der erwähnten Ansicht Novaks nicht zu unterstützen, um so weniger, als Neumann (I[4] S. 456) die von Novak bekämpfte Ansicht Skedls (Das Österreichische Civilprozeßrecht), der den in der vorliegenden Entscheidung wiedergegebenen Standpunkt einnimmt, ohne Widerspruch zitiert und damit füglich zum Ausdruck brachte, daß er sich ihr anschließt. - Die Heranziehung der deutschen Prozeßrechtslehre zu der gegenständlichen Frage durch Novak erscheint verfehlt. § 70 DZPO. in der bis zum Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 20. September 1950 (DBGBl. 455) geltenden Fassung entsprach mit dem Wortlaut "Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes" dem § 18 (1) ZPO. In der deutschen Rechtslehre wurde diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß die letzte Zustellung der Zeitpunkt des Beitritts ist und daß erst von da an Prozeßhandlungen des Nebenintervenienten wirksam sind (Stein, Die Zivilprozeßordnung für das deutsche Reich[11] I. Band, S. 212; ebenso Förster - Kann, Die Zivilprozeßordnung für das deutsche Reich[3] I. Band, S. 241: "Der Schriftsatz ist an beide Parteien zuzustellen, erst mit der Vollendung des letzten Zustellaktes ist der Beitritt vollzogen."). Während somit die Ansicht namhafter Rechtslehrer vor Inkrafttreten des Vereinheitlichungsgesetzes aus dem Jahre 1950 für den Standpunkt Novaks nicht herangezogen werden kann, erweist sich der Versuch, den derzeit geltenden Wortlaut des § 70 DZPO. "Der Beitritt des Nebenintervenienten erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Prozeßgericht" zur Stützung seiner Meinung heranzuziehen als untauglich, weil der nunmehr geänderte - und mit § 18 (1) ZPO. nicht mehr übereinstimmende - Wortlaut ausdrücklich sagt, daß hinsichtlich der Zeitkomponente die Zustellung an das Prozeßgericht entscheidend ist, während der anderslautende Wortlaut des § 18 (1) ZPO., wie bereits dargetan, keinen anderen Sinn ergibt, als daß es auf die Zustellung des Schriftsatzes an die Prozeßparteien ankommt.
Im Hinblick darauf, daß nach der Aktenlage das Versäumungsurteil am 19. März 1962 in Rechtskraft erwachsen ist und daß die Erklärung Dris. H., in seiner Eigenschaft als Sachwalter der beklagten Partei in den Prozeß als Nebenintervenient einzutreten, den Prozeßparteien nach Rechtskraft des Versäumungsurteils, nämlich am 21. März 1962, zugestellt worden ist, ist die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht, daß die Erklärung Dris. H., auf seiten der beklagten Partei als Nebenintervenient einzutreten, wegen Verspätung zurückzuweisen sei, weil diese Erklärung nur wirksam abgegeben werden könne, solange das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, zutreffend.
Dem Rekurs Dris. H. mußte daher der Erfolg versagt werden.
Die Kostenentscheidung grundet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
II.
Die gegen das erwähnte Versäumungsurteil vom 2. März 1962 seitens des, gestützt auf seine Stellung als Sachwalter der beklagten Partei, einschreitenden Dr. Julius H. erhobene Berufung wies die zweite Instanz als Berufungsgericht zurück. Es nahm auch in diesem Beschluß den Standpunkt ein, daß, weil die Beitrittserklärung gleichzeitig mit der Berufung abgegeben wurde und die Nebenintervention den Hauptparteien gegenüber erst mit der Zustellung der schriftlichen Beitrittserklärung an diese Parteien wirksam wird, auch die mit der Beitrittserklärung verbundene Berufung erst am 21. März 1962 Rechtswirksamkeit erlangt hat, zu welcher Zeit die Berufungsfrist aber bereits verstrichen war. Die festgestellte Verspätung der Berufung veranlaßte das Berufungsgericht, die Berufung zurückzuweisen.
Der gegen diesen Beschluß seitens des Sachwalters eingebrachte Rekurs ist nicht begrundet. Zur Vermeidung von Wiederholungen ist auf die zu Punkt I gemachten Ausführungen zu verweisen, aus denen sich ergibt, daß die Berufung mit prozessualer Wirkung erst als nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht anzusehen ist, woraus erhellt, daß es nicht auf den Tag der Einbringung des Schriftsatzes (19. März 1962, also den letzten Tag der Rechtsmittelfrist), sondern auf den Tag des Wirksamwerdens der mit der Berufung verbundenen Erklärung, als Nebenintervenient auf seiten der beklagten Partei eintreten zu wollen (21. März 1962), ankommt. Es muß demnach davon ausgegangen werden, daß im Zeitpunkt der Rechtskraft des Versäumungsurteils kein Nebenintervenient vorhanden war und daß die von Dr. H. erst nach Rechtskraft des Versäumungsurteils eingebrachte Berufung als von einem Nichtprozeßbeteiligten eingebracht anzusehen ist. Die Berufung war daher zwar nicht, wie das Berufungsgericht vermeint, wegen Verspätung, sondern als unzulässig zurückzuweisen, weil sie von einem Nichtprozeßbeteiligten eingebracht wurde, der zu einem derartigen prozessualen Schritt nicht legitimiert war.
Was die Ausführungen im Rekurs anlangt, die Ausgleichsschuldnerin habe in der Ausgleichstagsatzung vom 17. November 1961 dem Sachwalter das Unternehmen mit allen seinen Rechten übergeben und ihm gleichzeitig eine bis 30. Juni 1963 laufende unwiderrufliche Verkaufsvollmacht, beinhaltend die Ermächtigung, sämtliche Firmenaktiven und sonstige vertretbare Rechte zu veräußern bzw. abzutreten, erteilt, so kann dieses Vorbringen, das von den Untergerichten nicht zum Gegenstand von Feststellungen gemacht wurde, infolge der Bindung des Obersten Gerichtshofes an die Feststellungen der zweiten Instanz (SZ. XXII 40) im gegenwärtigen Prozeßstadium nicht zum Gegenstand von Erörterungen gemacht werden, abgesehen davon, daß die hier aufgestellten Behauptungen mit der Frage der Rechtzeitigkeit oder Zulässigkeit der Berufung, auf die es einzig ankommt, überhaupt in keinem Zusammenhang stehen.
Es war demnach auch diesem Rekurs nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung grundet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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