OGH 8Ob218/62

OGH8Ob218/623.7.1962

SZ 35/73

Normen

ABGB §1168a
ABGB §1299
ABGB §1168a
ABGB §1299

 

Spruch:

Die Warnpflicht des Unternehmers nach § 1168a ABGB. besteht auch gegenüber einem sachverständig beratenen Besteller, insbesondere bei einer Gefahr für Leben und körperliche Sicherheit von Menschen.

Entscheidung vom 3. Juli 1962, 8 Ob 218/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Eferding; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Der beklagte Verein, der ein aus der CSR stammendes, in Österreich noch nicht zum Verkehr zugelassenes Gebrauchtflugzeug erworben hatte, erteilte der Klägerin am 2. Oktober 1959 den Auftrag, die von der Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt im Zusammenhang mit der Zulassung des Flugzeuges zum Verkehr geforderten Arbeiten durchzuführen. Am 9. November 1959 wurde das Flugzeug zum Luftverkehr in Österreich zugelassen. Am 14. November 1959 holte der Obmann des Beklagten das Flugzeug vom Flughafen Schwechat ab, um damit nach Wels zu fliegen. Infolge eines Motorschadens mußte er in der Nähe von Steinhof notlanden, wobei das Flugzeug schwer beschädigt wurde. In der Folge wurde das beschädigte Flugzeug im Auftrag des Beklagten von Leuten der Klägerin geborgen.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten das Entgelt für die in Auftrag gegebenen Arbeiten einschließlich der Lande- und Einstellgebühren. Der Beklagte wendete u.a. eine Gegenforderung von 60.000 S bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise ein. Er grundete die Gegenforderung darauf, daß ihm aus dem Verschulden der Klägerin durch die Beschädigung des Flugzeuges ein Schaden in dieser Höhe erwachsen sei.

Der Erstrichter sprach aus, daß das Begehren auf Zahlung des Betrages von 2.681.20 S zu Recht, die Gegenforderung dagegen nicht zu Recht bestehe. Er erkannte daher mit Teilurteil den Beklagten schuldig, der Klägerin 2.681.20 S zu bezahlen. Hinsichtlich der restlichen Klagsforderung von 3.923.50 S sprach er mit Zwischenurteil aus, daß dieses Begehren dem Gründe nach zu Recht bestehe. Der Erstrichter stellte im wesentlichen fest: Die Klägerin habe den ihr erteilten Auftrag befolgt und die von der Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt angeordneten Arbeiten durchgeführt. Dies gelte auch insoweit, als es sich um die Arbeiten handle, die im Hinblick auf das von den Leuten der Klägerin bemerkte und dem Prüfer des Bundesamtes für Zivilluftfahrt zur Kenntnis gebrachte Vorhandensein von Metallspänen im Motorölbehälter und im Ölsieb durchzuführen gewesen seien. Es sei zwar nur eine mehrmalige Kontrolle und Reinigung des Ölsiebes nach vorherigem Ölwechsel sowie eine Kompressionsprobe durchgeführt worden, während auf Grund des Sachverständigengutachtens feststehe, daß diese Maßnahmen nicht ausgereicht hätten, daß vielmehr der Motor nach Feststellung der Metallspäne unbedingt hätte zerlegt werden müssen. Eine Zerlegung des Motors sei aber vom Prüfer nicht angeordnet worden. Der Erstrichter war der Ansicht, daß nach dem der Klägerin erteilten Auftrag für diese lediglich die Anordnungen der Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt maßgebend gewesen seien. Da der Prüfer eine Weisung, den Motor zu zerlegen, nicht erteilt habe, könne es der Klägerin nicht angelastet werden, daß der Motorschaden nicht erkannt und behoben worden sei. Der Klägerin könne auch nicht die Verletzung der ihr nach § 1168a ABGB. obliegenden Informationspflicht angelastet werden, weil es sich bei dem Beklagten nicht um einen Laien gehandelt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es sprach aus, daß der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 1.031.20 S s. A. nicht zu Recht bestehe, daß der Anspruch auf Zahlung von 1.650 S samt 4% Zinsen aus den einzelnen Teilbeträgen, aus denen sich dieser Betrag zusammensetzt, zu Recht, das Zinsenmehrbegehren von 4.5% aus den einzelnen Teilbeträgen jedoch nicht zu Recht bestehe; daß der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des restlichen Betrages von 3.923.50 S dem Gründe nach, schließlich daß die Gegenforderung des Beklagten von 60.000 S bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Zahlung von 2.681.20 S s. A. mit Teilurteil ab. Hinsichtlich des Betrages von 3.923.50 S verblieb es beim Teilzwischenurteil. Das Berufungsgericht teilte nicht die Ansicht des Erstrichters, daß die Klägerin schon deshalb weil sie die ihr von der Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt erteilten Weisungen befolgt habe, von jeder Verantwortung dem Beklagten gegenüber frei sei. Die Klägerin sei auf Grund des erhaltenen Auftrages nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, das Flugzeug in flugtüchtigen Zustand zu versetzen. Dazu hätte auch die Behebung des Motorschadens gehört, der bei der nach der Sachlage erforderlichen Zerlegung des Motors erkannt worden wäre. Die Klägerin, die gemäß § 1299 ABGB. die entsprechenden Kenntnisse zu vertreten habe, habe dafür einzustehen, daß nicht der Motor zerlegt und nicht der Motorschaden, der für die Notlandung und die damit verbundene Beschädigung des Flugzeuges ursächlich geworden sei, behoben worden sei. Zumindest aber hätte die Klägerin gemäß § 1168a letzter Satz ABGB. die Beklagten warnen müssen. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf Entgelt, soweit es sich um die Leistungen handelt, die sie auf Grund des ersten ihr erteilten Auftrages erbracht habe und für die sie den Betrag von 1.031.20 S s. A. begehre. Einer Heranziehung der Gegenforderung bedürfe es in diesem Belange nicht. Der der Höhe nach nicht bestrittene Entgeltsanspruch von 1650 S für die auf Grund des zweiten Auftrages nach dem Unfall erbrachten Leistungen bestehe dagegen mit Ausnahme des den Prozentsatz von 4% übersteigenden Zinsenbegehrens zu Recht. Dieser Teil der Klagsforderung werde durch die Gegenforderung aufgezehrt, die dem Gründe nach deshalb zu Recht bestehe, weil der bei der Notlandung aufgetretene Schaden auf das von der Klägerin verschuldete Unterbleiben der Behebung des Motorschadens zurückzuführen sei. Der Höhe nach übersteige die Gegenforderung jedenfalls die berechtigte Klagsforderung. Dem Gründe nach bestehe auch der Anspruch auf Zahlung des Betrages von 3.923.50 S zu Recht, der im Zusammenhang mit der Bergung der Maschine begehrt werde. Eine Abweisung dieses Teiles des Klagsbegehrens sei jedoch, obwohl er jedenfalls auch durch die Gegenforderung aufgezehrt werde, deshalb noch nicht möglich, weil vorerst klargestellt werden müsse, in welchem Umfang dieser Betrag zu Recht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin führt im wesentlichen aus, der ihr erteilte Auftrag habe nur einen ganz beschränkten Umfang gehabt, nämlich die Behebung der von der Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt erhobenen Beanstandungen. Was zu machen gewesen sei, sei von der Prüfstelle erschöpfend festgelegt worden. Die Klägerin sei nicht verpflichtet, ja nicht einmal berechtigt gewesen, die Beanstandungen der Prüfstelle auf ihre Vollständigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Ihr gegenüber sei das Bundesamt für Zivilluftfahrt als unmittelbarer Auftraggeber aufgetreten. Eine Haftung der Beklagten gegenüber würde sie nur im Falle eines vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Verhaltens treffen. Auch eine Warnpflicht habe sie nur der Prüfstelle als ihrer unmittelbaren Auftraggeberin gegenüber gehabt. Dieser Warnpflicht habe sie genügt.

Soweit die Klägerin darzutun versucht, daß "unmittelbarer" Auftraggeber das Bundesamt für Zivilluftfahrt gewesen sei, legt sie ihren Ausführungen nicht den festgestellten Sachverhalt zugrunde, ganz abgesehen davon, daß dieses Vorbringen in der Revision nicht nur mit dem Vorbringen in erster Instanz, sondern auch mit dem sonstigen Vorbringen in der Revision nicht in Einklang zu bringen ist. Daß die Klägerin auf Grund des ihr von dem Beklagten erteilten Auftrages die von der Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt erhobenen Beanstandungen zu beheben hatte, besagt nicht, daß letztere die "unmittelbare" Auftraggeberin war. Auftraggeber war der Beklagte, von dem die Klägerin auch das Entgelt verlangt. Es genügt daher nicht, daß die Klägerin von den ihren Leuten bekannten, bedenklichen Umständen (von dem Vorhandensein von Metallspänen im Motoröl sowie von dem starken Druckabfall in einem der Zylinder) der Prüfstelle Mitteilung machte. Sie hätte, da die Prüfstelle keine ausreichenden Anordnungen traf, nach Treu und Glauben auch den Beklagten davon unterrichten müssen. Der dem letzten Satz des § 1168a ABGB. zugrunde liegende Gedanke hat, wie schon in der Entscheidung ZVR. 1959 Nr. 126, ausgesprochen wurde, eine über das Anwendungsgebiet dieser Gesetzesstelle hinausgehende Bedeutung. Die Klägerin hat dabei, wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, gemäß § 1299 ABGB. für die notwendige Aufmerksamkeit und die besonderen Kenntnisse einzustehen, die mit ihrer Berufsausübung verbunden sind. Sie hätte, da nach den Feststellungen der Vorinstanzen auch ihr Kontrollor hätte erkennen müssen, daß eine Klärung der Ursache des Vorhandenseins von Metallspänen im Motoröl und des Druckabfalls in einem der Zylinder nur bei einer Zerlegung des Motors möglich gewesen wäre, den Beklagten darauf aufmerksam machen müssen, daß die von der Prüfstelle angeordneten Maßnahmen nicht ausreichend seien. Offenbar unrichtige Anweisungen der Prüfstelle sind Anweisungen des Beklagten als des Bestellers im Sinne des § 1168a letzter Satz ABGB. gleichzuhalten. Sie hätte den Beklagten insbesondere auf die Gefahr hinweisen müssen, die sich für ihn daraus ergeben könnte, wenn das Flugzeug vor Klärung der Ursache der obigen Erscheinung in Benützung genommen werde, zumal eine Warnpflicht des mit einer Reparatur betrauten Sachverständigen nach Treu und Glauben um so mehr dann angenommen werden muß, wenn der nur ihm erkennbare, vom Reparaturauftrag nicht erfaßte Mangel - wie hier - eine unmittelbare Gefahr für Leben und körperliche Sicherheit von Menschen herbeizuführen geeignet ist. Es kann auch der Meinung des Erstrichters nicht beigepflichtet werden, daß eine solche Warnpflicht deshalb nicht bestanden habe, weil es sich bei dem Beklagten nicht um einen "Laien" gehandelt habe, dies um so weniger, als nicht festgestellt wurde, daß dem Beklagten von dem Auftreten der obigen Erscheinungen Mitteilung gemacht wurde. Nur wenn sich der Beklagte trotz entsprechender Warnung mit der Ausführung der von der Prüfstelle angeordneten Maßnahmen zufriedengegeben hätte, könnte sich die Klägerin mit Erfolg darauf berufen, daß sie ihren Pflichten dem Besteller gegenüber voll nachgekommen sei. In dem Unterlassen der Warnung hat das Berufungsgericht mit Recht ein Verschulden der Klägerin erblickt. Dieses Verschulden rechtfertigt es, der Klägerin die Verantwortung dafür aufzuerlegen, daß ein so wesentlicher Mangel, wie es der gegenständliche Motorschaden war, nicht behoben wurde (vgl. Klang[2] V, S. 392, ZVR. 1959 Nr. 126). Der Beklagte ist damit gemäß § 1167 ABGB. nicht nur von der Verpflichtung zur Bezahlung eines Entgeltes für die von der Klägerin erbrachten Leistungen frei, er ist überdies infolge des Verschuldens der Klägerin berechtigt, von der Klägerin Ersatz für die auf den Motorschaden zurückzuführende Beschädigung des Flugzeuges zu verlangen (vgl. Klang, a. a. O., S. 395). Ob auch die Prüfstelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt ein Verschulden trifft, ist für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache nicht entscheidend, weil ein solches Verschulden die Verantwortung der Klägerin dem Beklagten gegenüber nicht schmälern könnte. Der ergänzenden Einvernahme des Prüfers des Bundesamtes für Zivilluftfahrt über den Inhalt des zwischen ihm und dem Obmann des Beklagten am 10. Oktober 1959 geführten Telefongespräches bedürfte es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht. Daß die Zerstörung des Flugzeuges die Folge eines Motorschadens gewesen ist, der bei der erforderlichen Zerlegung des Motors erkannt und behoben worden wäre, haben die Untergerichte in unbedenklicher Weise, für das Revisionsgericht unüberprüfbar, festgestellt. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt daher in diesem Belange nicht vor.

Was das den Prozentsatz von 4% übersteigende Zinsenbegehren hinsichtlich der Teilbeträge anlangt, aus denen sich der vom Berufungsgericht als zu Recht bestehend erkannte Betrag von 1650 S zusammensetzt, so fühlt sich die Klägerin dadurch beschwert, daß nicht ein Zinssatz von 8 1/2% als vereinbart angenommen wurde. Dem Berufungsgericht ist jedoch darin beizupflichten, daß die Klägerin keinen Rechtsgrund dargetan hat, aus dem sich ergeben würde, daß sie berechtigt sei, 8 1/2% Zinsen von dem obenangeführten Betrag zu verlangen. Kann doch angesichts der Tatsache, daß die Gegenforderung der Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die Höhe der berechtigten Klagsforderungen jedenfalls erreicht, diese daher durch die Gegenforderung aufgezehrt werden, nicht einmal von einem Zahlungsverzug des Beklagten gesprochen werden. Auch das behauptete Anerkenntnis kann dem Vorbringen des Beklagten, welcher die gänzliche Klagsabweisung beantragt hat, nicht entnommen werden.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

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