OGH 3Ob77/62

OGH3Ob77/6223.5.1962

SZ 35/57

Normen

ABGB §233
Mietengesetz §19 (2) Z11
ABGB §233
Mietengesetz §19 (2) Z11

 

Spruch:

Der Vormund bedarf zur Aufgabe der Rechte der Minderjährigen an einer Mieterschutzwohnung der Genehmigung des Gerichtes.

Entscheidung vom 23. Mai 1962, 3 Ob 77/62.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Franz K., der inzwischen verstorbene außereheliche Vater der mj. Kläger, war Mieter der Wohnung Nr. 40 in dem den Beklagten gehörigen Hause R.-Straße 4, wo er mit diesen und deren Mutter Franziska H. lebte. Nach seinem Tode gab das Bezirksjugendamt als Amtsvormund der mj. Kläger mit Schreiben vom 19. November 1957 gegenüber der Hausverwaltung die Erklärung ab, daß es mit der Übertragung der Mietrechte, welche die Minderjährigen gemäß § 19 (2) Z. 11 MietG. durch Eintritt erworben hatten, an Franziska H. einverstanden sei. Die Hauseigentümer schlossen dann mit der Genannten den Mietvertrag vom 22. September 1958. Es heißt dort, daß die Dauer des Bestandverhältnisses durch die Minderjährigkeit der eintrittsberechtigten Kinder (geb. am 16. Oktober 1950 und 8. Juni 1952) beschränkt sei. Im Gegensatz hiezu enthält das Schreiben des Jugendamtes vom 19. November 1957 die Beschränkung, daß die Übertragung der Hauptmietrechte bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder, also nicht bis zur Großjährigkeit, wirksam sein solle. Die Beklagten kundigten Franziska H. das Mietverhältnis rechtskräftig auf.

Die Kläger beantragen Unzulässigkeitserklärung der auf Grund der Kündigung bewilligten Räumungsexekution und führen aus, daß die Beklagten nicht berechtigt seien, sich der Wohnung zu bemächtigen, an der ihnen weiter ein Mietrecht zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte aus, daß die Kläger derzeit nicht die Befugnis hätten, in die Rechte der Beklagten auf Übergabe der Wohnung einzugreifen. Sie müßten die Wohnung mit ihrer Mutter räumen, da sie durch ihren Amtsvormund die Mietrechte aufgegeben hätten.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und führte aus, daß die Erklärung der Amtsvormundschaft vom 19. November 1957 mangels vormundschaftsbehördlicher Genehmigung unwirksam sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Unrecht bestreiten die Beklagten, daß es sich bei der Aufgabe der Mietrechte um ein außergewöhnliches Geschäft im Sinne des § 233 ABGB. handelt. Der Besitz einer Mieterschutzwohnung ist unter den heutigen Verhältnissen von großem Wert. Ihr Verlust kann Obdachlosigkeit mit sich bringen. Hiezu kommt noch, daß es fraglich ist, ob die Kläger nach Erlangung ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit wieder in den Besitz der Wohnung gelangen können. Ein gutgläubiger Mieter könnte nicht verhalten werden, ihnen die Räume zu übergeben (s. Entsch. MietSlg. Nr. 6260, 7869 und 7870).

Daß das Jugendamt verpflichtet war, den von ihm gewünschten Vertrag dem Vormundschaftsgericht vorzulegen, ist für die Beurteilung der Rechte der Minderjährigen ohne Belang. Sollten die Beklagten eine solche Genehmigung bei Abschluß des Mietvertrages nicht für erforderlich gehalten haben, so könnten sie sich darauf gemäß § 2 ABGB. nicht berufen. Es geht daher nicht an, sich auf den Standpunkt zu stellen, das Verhalten der Kläger widerspräche Treu und Glauben.

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