OGH 1Ob67/62

OGH1Ob67/6214.3.1962

SZ 35/33

Normen

ABGB §1152
Notariatstarif §§1 ff
Rechtsanwaltstarif §§1 ff
ABGB §1152
Notariatstarif §§1 ff
Rechtsanwaltstarif §§1 ff

 

Spruch:

Zur Bemessung der Kosten für Leistungen, für die der Rechtsanwaltstarif nicht anwendbar ist.

Entscheidung vom 14. März 1962, 1 Ob 67/62.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 15.824.60 S samt 4% Zinsen seit dem Klagstage, weil sie den Beklagten in außergerichtlichen Angelegenheiten vertreten habe, ihm nach Vollmachtskündigung eine Kostennote über den eingeklagten Betrag geschickt, der Beklagte jedoch bisher nichts bezahlt habe.

Der Beklagte anerkannte einen Teilbetrag und leistete am 3. März 1961 eine Zahlung von 4107 S, worauf die Klägerin das Klagebegehren um diesen Teilbetrag auf 11.717.60 S s. A. einschränkte.

Der Beklagte wendete vor allem ein, daß die Klägerin für ihre Tätigkeit weitaus zu viel verlange, auch den Beweis dafür schuldig geblieben sei, all das geleistet zu haben, was sie in der Kostennote verrechne, und schließlich bei Erstellung der Betragshöhe für die einzelnen Leistungen eine zu hohe Bemessungsgrundlage verwendet habe.

Das Erstgericht hat der Klägerin einen Betrag von 11.149.20 S samt 4% Zinsen seit 13. Dezember 1960 sowie die Prozeßkosten zugesprochen, das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 568.40 S dagegen abgewiesen. Es führte aus, daß auf Ersuchen der beklagten Partei der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer die Kostennote der Klägerin überprüft und mit dem Bescheide vom 10. Jänner 1961 das Honorar der Klägerin mit 6000 S als angemessen erklärt sowie mit dem Bescheid vom 24. Jänner 1961 ausgesprochen habe, daß über die gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1961 rechtzeitig erhobene Vorstellung der Klägerin vorläufig nicht entschieden werde, weil dem in der vorliegenden Rechtssache ergehenden Urteile durch eine Entscheidung des Kammerausschusses nicht vorgegriffen werden solle. Das Gericht sei in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. Kurt N. der Auffassung, daß gemäß dem Abschnitt E, Punkt 9, des Autonomen Tarifes der österreichischen Rechtsanwaltskammern als Mindestwert für die Kostenberechnung der Klägerin die im Zeitpunkt der Vollmachtskündigung festgesetzte Kaufsumme, das sei die mit dem damaligen Schätzwert übereinstimmende Kaufpreisziffer in der Höhe von 216.000 S, zugrunde zu legen sei, nicht aber der Einheitswert der Liegenschaft, da der Kaufpreis nicht zweifelhaft gewesen, sondern auf Grund eines Schätzungsgutachtens festgestanden sei. Auf Grund der Parteiaussage der Klägerin stehe fest, daß sie alle in ihrer Kostennote verzeichneten Leistungen im Interesse des Beklagten durchgeführt habe, diese Leistungen zweckmäßig und notwendig gewesen seien, die Klägerin nicht einmal alle Telefonate verzeichnet habe, sondern nur solche, in denen sie meritorisch verhandelte und die länger dauerten, ferner, daß insbesondere auch die Telefonate mit dem Hausverwalter P., der Kreditanstalt, in der der Beklagte ein Akkreditiv von 10.000 DM für den Kaufpreis hinterlegt hatte, und mit Frau M., der Hälfteeigentümerin der beiden gegenständlichen Liegenschaften, zweckmäßig und notwendig gewesen seien, weiters, daß auch die Telefonate und Kommissionen im Finanzministerium sowie später dann bei der Vermögensschutzgesellschaft, um die Angelegenheit in Fluß zu halten und vorwärts zu bringen, zur Gänze und in der angeführten Dauer stattgefunden hätten bzw. verrichtet worden seien, auch an ihrer Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit nicht zu zweifeln sei. Die einzelnen Positionen in der Kostennote seien mit Ausnahme des Kaufantrages an die Vermögensschutzgesellschaft vom 20. Juni 1960 dem Tarife entsprechend berechnet. Der dem Gerichte zur Einsicht vorgelegene Kaufantrag vom 20. Juni 1960 sei seinem Inhalt nach einfacher Art und rechtfertige die Berechnung des Honorars nur nach Tarifpost 2 und nicht nach Tarifpost 3. Da nur für den Kaufantrag die verrechnete Post zu ermäßigen sei, habe dem Klagebegehren bis auf den Betrag von 568.40 S stattgegeben werden müssen.

Während die Klägerin die teilweise Abweisung des Klagebegehrens rechtskräftig werden ließ, focht der Beklagte den stattgebenden Teil des Ersturteiles an und hatte damit teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht änderte den angefochtenen Teil des Urteils dahin ab, daß es vom Klagebegehren weitere 3.877.25 S abwies, den Beklagten somit nur schuldig erkannte, der Klägerin den Betrag von 7840.35 S samt 4% Zinsen seit 13. Dezember 1960 sowie die mit 1416.80 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen. Hinsichtlich der Bemängelung der vom Erstgericht herangezogenen Bemessungsgrundlage für das Honorar der Klägerin könne, so führt das Berufungsgericht aus, den Ausführungen des Beklagten Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach dem Autonomen Tarif der österreichischen Rechtsanwaltskammern sei in Sachen des Grundverkehrs als Honorargrundlage die Kaufsumme, der Wert des Rechtes und im Zweifel der Einheitswert anzusehen. Der Betrag von 216.161 S stelle sich als ein einseitiges Anbot der Republik Österreich dar, das vom Beklagten nicht angenommen wurde, weil ihm ein solcher Kaufpreis zu hoch erschien. Daß auch die Klägerin dieser Auffassung gewesen sei, gehe aus ihrer Parteiaussage hervor. Sie habe auch versucht, den Kaufpreis herabzudrücken, jedoch infolge der Vollmachtskündigung in dieser Richtung nicht mehr tätig werden können. Wenn der Beklagte vermeine, es wäre mangels anderer Grundlagen der Einheitswert der Liegenschaften den Honoraransprüchen der Klägerin zugrunde zu legen, so könne sich das Berufungsgericht dieser Meinung nicht anschließen. Denn verhältnismäßig bald nach der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses (Oktober 1960), und zwar im Mai 1961, habe der Beklagte einen Kaufvertrag über die genannten Liegenschaftsanteile mit der Republik Österreich zu einem Kaufpreis von 150.000 S abgeschlossen. Dieser kurze Zeitabstand berechtige zu dem Schluß, daß der Wert dieser Liegenschaftsanteile auch zum Zeitpunkt des der Klägerin erteilten Auftrages 150.000 S betragen habe, wofür übrigens auch der Einheitswert von 52.500 S im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Verordnung (soll wohl richtig heißen des Gesetzes vom 27. Mai 1952) BGBl. Nr. 108/1952 spreche. Bei den Postzahlen 3, 5 und 9 der klägerischen Kostennote handle es sich um kurze Schreiben, die der Tarifpost 5 und nicht, wie in der Kostennote, der Tarifpost 6 zu unterstellen seien. Hinsichtlich der Postzahl 4 ergebe sich aus dem vorgelegten Schreiben, Beilage ./E, daß sich dieses im wesentlichen in einem Bericht und der Abrechnung des Honoraranspruchs aus dem früheren Auftrag erschöpfe, dessen Flüssigmachung durch Rechtsanwalt und Notar Dr. A. geschehen sollte. Diese Angelegenheit sei aber durch das Pauschalhonorar mitergriffen, weshalb das Honorar für dieses Schreiben als hiedurch abgegolten angesehen werden müsse. Somit bestehe der restliche Honoraranspruch der Klägerin nur mehr mit dem Betrage von 7840.35 S zu Recht, während das Mehrbegehren abzuweisen gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin führt aus, daß das Berufungsgericht bei seiner Kostenberechnung von einer Bemessungsgrundlage von nur 150.000 S ausgehe, während sie ihre Kostennote auf der Grundlage eines ihr damals bekannten, objektiv festgestellten Schätzwertes der Anteile von 216.000 S erstellt habe. Die Kostennote sei im Oktober 1960, der Kaufvertrag dagegen im Juli 1961 verfaßt worden. Daß der Beklagte einen geringeren Kaufpreis zu zahlen hatte, erkläre sich damit, daß er als einziger Käufer der Anteile aufgetreten sei und infolge dieser für ihn günstigen Konstellation das Finanzministerium sich in einer Zwangslage befunden habe. Daß der damalige Schätzwert ungefähr dem Verkehrswert entsprochen habe, ergebe sich daraus, daß der Beklagte am 18. Dezember 1961 einen Tauschvertrag mit der Eigentümerin der beiden anderen Liegenschaftshälften geschlossen habe, so daß er jetzt Alleineigentümer einer ganzen Liegenschaft sei, wegen Verkaufes dieser Liegenschaft in Unterhandlungen stehe und ihm bereits ein Kaufpreis für diese Liegenschaft nicht unter 1.100.000 S angeboten worden sei. Die vom Beklagten erworbenen zwei Achtel-Anteile hätten mithin auch schon im Zeitpunkt des Kaufes durch ihn einen höheren Wert für ihn gehabt, als dem Kaufpreis entspreche. Zur Grundlage ihres Honorars könne nur der Wert angenommen werden, den die Liegenschaften im Zeitpunkt ihrer Tätigkeit gehabt haben. Da der Beklagte durch die Vollmachtskündigung die Möglichkeit der Errechnung des Honoraranspruchs auf Grundlage eines Kaufpreises selbst vereitelt habe, müsse er gegen sich gelten lassen, daß Grundlage der Kostenerstellung der Wert der Liegenschaftsanteile im Zeitpunkt der Beendigung ihrer Tätigkeit sei.

Obigen Ausführungen der Revision ist folgendes entgegenzuhalten:

Soweit sie neues Vorbringen enthalten, ist hierauf wegen Verletzung des Neuerungsverbotes keine Rücksicht zu nehmen. Der Rechtsanwaltstarif, der sich auf das Gesetz vom 4. Juni 1923, BGBl. Nr. 305, grundet, trifft nur eine Regelung hinsichtlich der Leistungen, die im gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren erbracht werden. Er findet daher auf die Errichtung von Verträgen oder auf die Vorbereitung hiezu keine Anwendung. Die ständige Vertreterversammlung der österreichischen Rechtsanwaltskammern hat für jene Leistungen der Rechtsanwälte und ihrer Kanzleien, die nicht den Bestimmungen der Verordnung des Bundesministeriums für Justiz über den Rechtsanwaltstarif (RAT) unterliegen, mit Beschluß vom 17. Jänner 1959 gemäß § 28 RAO. das angemessene Mindestentgelt in einem Autonomen Tarif festgesetzt. Dieser Tarif ist also ein Mindesttarif, der nur die Untergrenze des Honoraranspruchs festlegt. Er bezweckt lediglich eine Bindung der Kammermitglieder an ihn bei den im RAT nicht geregelten Leistungen, soll daher einen unlauteren Konkurrenzkampf unterbinden. Dort, wo ein solcher Mindesttarif aufgestellt oder übernommen ist, sind die Kammermitglieder verpflichtet, ihn ihren Honorarforderungen zugrunde zu legen, widrigens sie disziplinär zur Verantwortung gezogen werden können. Es handelt sich bei einem solchen Mindesttarif nicht um einen für die Parteien in Geltung stehenden Tarif, zu dessen Aufstellung die Rechtsanwaltskammern gar nicht berechtigt wären (E. vom 24. November 1954, 1 Ob 872/54). Mangels einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen ist das der Klägerin gebührende Entgelt gemäß § 1152 ABGB. zu bestimmen. Zur Ermittlung der Angemessenheit des Entgelts nach Punkt 9 des Abschnittes E des Autonomen Tarifes als beiläufiger Wegweiser dienen. Eine Kaufsumme in der Höhe von 216.000 S kam als Bemessungsgrundlage nicht in Frage, weil im Zeitpunkt der Vollmachtskündigung eine solche Kaufsumme weder vereinbart noch vom Beklagten angeboten war, der Beklagte vielmehr eine Kaufsumme in dieser Höhe ausdrücklich als wesentlich überhöht ablehnte, das von der Verkäuferseite gestellte Anbot als einseitiges Verlangen um so weniger als Orientierungsmittel gebraucht werden kann, als es beide Streitteile, die Klägerin und der Beklagte, wegen dessen Höhe erstaunlich fanden und dieses Erstaunen hinterher in der Abmachung eines Kaufpreises von nur 150.000 S zwischen dem Beklagten als Käufer und der Republik Österreich als Verkäuferin seine Bestätigung fand. Jedenfalls übersteigt dieser Kaufpreis noch wesentlich den Einheitswert, der nicht nur nach dem Mindesttarif, sondern z. B. auch nach § 60 (2) JN. in Betracht kommt, wie der Revisionsgegner richtig hervorhebt. Das zur Stützung des seinerzeitigen Angebots der Verkäuferseite dienende Schätzungsgutachten ist als Bemessungsgrundlage mit Recht abgelehnt worden, weil ihm, wie gerade der später vereinbarte Kaufpreis zeigt, die Verläßlichkeit abgeht. Wenn das angefochtene Urteil den später vereinbarten Kaufpreis von 150.000 S als Grundlage für die Berechnung der Kosten der Klägerin jeder anderen Grundlage vorzog, hat es damit dem Postulat der Angemessenheit des Honorars entsprochen, und zwar vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich hiebei nicht um ganze Liegenschaften, sondern um Liegenschaftsanteile handelte, die auf einen breiten Kreis von Kaufinteressenten wenig Anreiz üben. Da die Revisionswerberin ansonsten der Begründung des angefochtenen Urteils in keiner Weise entgegentritt, diese Begründung auch keinen Anlaß zu rechtlichen Bedenken gibt, war das angefochtene Urteil zu bestätigen und demgemäß der Revision nicht Folge zu geben.

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