OGH 2Ob28/62

OGH2Ob28/6226.1.1962

SZ 35/16

Normen

ABGB §1295
ABGB §1304
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §11 (1)
ABGB §1295
ABGB §1304
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §11 (1)

 

Spruch:

Der Kraftfahrzeugführer, der nicht zugleich Halter des Kraftfahrzeuges ist, haftet nur wegen Verschuldens nach bürgerlichem Recht. Eine Ausgleichspflicht nach § 11 (1) EKHG. besteht für ihn nicht.

Entscheidung vom 26. Jänner 1962, 2 Ob 28/62.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Nach den Feststellungen der Untergerichte ist es am 21. Jänner 1960 auf der Bundesstraße 1 in der Nähe von T. zu einem Verkehrsunfall gekommen, bei dem der Kraftwagen des Klägers, der von seiner Tochter Hannelore A. gelenkt worden ist, beschädigt wurde. Ein Strafverfahren ist nicht durchgeführt worden.

Der Erstbeklagte ist mit dem Lastkraftwagenzug des Zweitbeklagten auf den sogenannten Koberg in der Straßenmitte im Schrittempo hinaufgefahren. Die Straße war vereist und am Rand nicht bestreut. Die Tochter des Klägers ist mit dem Personenkraftwagen aus der Gegenrichtung bergab gefahren. Sie ist dabei zu weit nach rechts gekommen und an einen Straßenbegrenzungsstein angefahren.

Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage einen Sachschaden in der angeführten Höhe mit der Behauptung geltend gemacht, daß der Schaden durch den Erstbeklagten verschuldet worden sei und der Zweitbeklagte für dieses Verschulden hafte. In der Klage hat der Kläger behauptet, daß der Erstbeklagte auf der mit Glatteis bedeckten Straße mit einer zu hohen Geschwindigkeit gefahren und auf die linke Straßenseite geschleudert worden sei, so daß seine Tochter gezwungen gewesen sei, den Personenkraftwagen auf die äußerste rechte Straßenseite zu lenken. In der Folge hat er behauptet, daß der Erstbeklagte mit dem Lastkraftwagenzug zu weit nach links über die Straßenmitte gefahren sei und daß aus diesem Grund seine Tochter nach rechts lenken mußte, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Die Beklagten haben Klagsabweisung begehrt und eingewendet, daß der Erstbeklagte schon kurz vor dem Unfall wegen des Glatteises mit dem LKW-Zug auf der Straße zurückgerutscht sei, dann neuerlich angefahren sei und die Fahrbahnmitte befahren mußte, weil diese besser bestreut und daher sicherer gewesen sei. Der Erstbeklagte habe durch Blinkzeichen die entgegenkommenden Fahrzeugführer auf seine Fahrweise aufmerksam gemacht. Ein vor dem PKW des Klägers fahrender LKW sei anstandslos vorbeigekommen, weil dieser vom Fahrer angehalten worden sei. Die Tochter des Klägers sei in zügiger Fahrt vorbeigefahren und der Erstbeklagte habe von dem Unfall überhaupt nichts bemerkt. Er sei erst bei der Weiterfahrt darauf aufmerksam gemacht worden. Der Unfall sei nur durch das Verschulden der Tochter des Klägers herbeigeführt worden. Die Erklärung über den Unfallshergang habe der Erstbeklagte über Veranlassung der Tochter des Klägers aus Gefälligkeit unterschrieben, ohne die Absicht gehabt zu haben, damit ein Schuldbekenntnis abzulegen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch des Klägers dem Gründe nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht hob auf; im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht erkannte nunmehr mit Zwischenurteil, daß der Schadenersatzanspruch nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches gegenüber beiden Beklagten zur Hälfte zu Recht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof wies das Klagebegehren in Ansehung der erstbeklagten Partei ab; in Ansehung der zweitbeklagten Partei sprach er aus, daß ihr gegenüber der Klagsanspruch nach den Bestimmungen des EKHG. dem Gründe nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit der Rechtsrüge wenden sich die Beklagten gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Erstbeklagte den Unfall zur Hälfte mitverschuldet habe. Sie meinen, daß dieser sehr langsam gefahren sei und auf die außergewöhnliche Situation durch Blinkzeichen aufmerksam gemacht habe. Die Tochter des Klägers hätte sich schon aus einer Entfernung von 200 m auf diese Verkehrslage einstellen können und müssen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte sie bei einem Zwischenraum von zirka 2.50 m anstandslos vorbeifahren können. Die Fahrzeuge hätten sich weder berührt noch sei die Tochter des Klägers durch eine Ablenkung des LKW-Zuges nach links in ihrer Fahrweise beeinträchtigt worden.

Diesen Ausführungen ist insofern beizupflichten, als nach dem festgestellten Sachverhalt ein schuldhaftes Verhalten des Erstbeklagten nicht anzunehmen ist. Wie feststeht, ist der Erstbeklagte mit seinem LKW-Zug auf der eisglatten ansteigenden Straße zuerst vorschriftsmäßig auf der rechten Straßenseite gefahren. Als er aber mit dem LKW-Zug zufolge der Eisglätte und der zu geringen Sandbestreuung auf diesem Teil der Fahrbahn zurückgerutscht ist, hat er bei der Weiterfahrt den zufolge stärkerer Bestreuung sichereren Fahrbahnteil in der Mitte der Straße eingenommen. Er ist im Schrittempo bergwärts gefahren und hat außerdem durch die Einschaltung des linken Blinklichtes auf die besondere Situation, nämlich darauf aufmerksam gemacht, daß er sich gezwungenermaßen Erstbeklagten nicht als schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden, weil ihm diese bei der gegebenen Situation zugebilligt werden muß. Es ist allerdings die Annahme der Erstbeklagte noch ein Stück weiter nach rechts hätte ausweichen können, wenn er so gefahren wäre, wie er es selbst daß nur die linken Räder links von der Straßenmitte oder auf der gedachten Mittellinie der Straße gefahren wären. Dadurch hätte er den der Tochter des Klägers zur Vorbeifahrt verbleibenden Raum verbreitert und ihr eine bessere Durchfahrtsmöglichkeit verschafft. Auch in dieser Unterlassung kann aber ein schuldhaftes Verhalten des Erstbeklagten nicht erblickt werden, weil ihm zugute gehalten werden muß, daß er die einmal als sicher erkannte Fahrweise nicht aufgeben wollte. Er hat aber im Sinne des § 9 (2) EKHG. doch nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet, so daß die Haftung des Zweitbeklagten nach §§ 1 und 16 (1) Z. 3 EKHG. anzunehmen ist. Ihm ist der Entlastungsbeweis nach § 9 (2) EKHG. nicht gelungen. Er ist somit dem Kläger gegenüber gemäß § 11 (1) EKHG. ausgleichspflichtig. Eine Haftung des Verschuldens nicht. Es ist auch die Bestimmung des § 18 KfzVerkG. (1909) in das Eisenbahn- und übernommen worden (siehe hiezu Regierungsvorlage, 470 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VIII. GP. zu § 6 EKHG. und Eisenberger, "Streifzüge durch das EKHG.", in Versicherungs-Rundschau, 1959, S. 228).

Aus diesen Gründen ist das Klagebegehren gegenüber dem Erstbeklagten abzuweisen, und es bleibt nur die Haftung des Zweitbeklagten nach den obenzitierten Bestimmungen des EKHG. Durch die Annahme seiner Haftung für die Hälfte des Schadens ist der Zweitbeklagte nicht benachteiligt, auch wenn man davon ausgeht, daß die Tochter des Klägers schuldhaft gehandelt habe, wie es das Berufungsgericht unbekämpft angenommen hat. Dem schuldhaften Verhalten der Tochter des Klägers steht die überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr des schwer beweglichen LKW-Zuges des Zweitbeklagten gegenüber, die durch die Fahrweise des Erstbeklagten herbeigeführt worden ist.

In diesem Sinne ist der Revision der Beklagten Folge zu geben.

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