OGH 2Ob472/61

OGH2Ob472/6119.1.1962

SZ 35/11

Normen

ZPO §391 (3)
ZPO §391 (3)

 

Spruch:

Wenn gegenüber der Forderung des bei einem Kraftwagenzusammenstoß geschädigten Eigentümers des einen Wagens der Eigentümer des anderen Wagens eine Gegenforderung wegen Schadenersatzes aus demselben Unfall compensando geltend macht, darf ein Teilurteil gemäß § 391

(3) ZPO. nicht erlassen werden.

Entscheidung vom 19. Jänner 1962, 2 Ob 472/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Amstetten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Der Kläger erlitt am 6. August 1958 auf der Fahrt von Trient nach Riva einen Verkehrsunfall; sein Personenkraftwagen samt Anhänger stieß mit dem aus der Gegenrichtung kommenden Personenkraftwagen des Beklagten, den dieser selbst lenkte, zusammen, wodurch an beiden Fahrzeugen Sachschaden entstand. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen verkehrswidrigen Verhaltens auf Schadenersatz in Anspruch. Der Beklagte hat diesen Anspruch bestritten und compensando eine Gegenforderung in der Höhe von 8021.18 S (Sachschaden am PKW des Beklagten) geltend gemacht.

Das Erstgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger den Betrag von 9080.25 belgischen Francs s. A. in österreichischer Währung zum Warenkurs am Zahlungstag auf ein zugunsten des Klägers bei einem österreichischen Kreditinstitute zu eröffnendes Devisensperrkonto zu bezahlen, und das Mehrbegehren pcto. 3026.75 belgische Francs abgewiesen. Es war zum Ergebnis gekommen, daß der Schaden des Klägers aus dem Verkehrsunfalle vom 6. August 1958 insgesamt 12.107 belgische Francs betrage; beide hätten verkehrswidrig gehandelt; die rechte Fahrbahnseite sei von den Parteien nicht eingehalten worden; dem Beklagten liege außerdem die Überschreitung der für die besonderen Verhältnisse zulässigen Fahrgeschwindigkeit und eine unrichtige Reaktionshandlung, nämlich die gleichzeitige Brems- und Auslenkhandlung bei nasser Straße, wodurch eine weitere Kontrolle über das Fahrzeug verhindert wurde, zur Last; bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens sei insbesondere die gröbliche Verletzung des Grundsatzes des Fahrens auf Sicht seitens des Beklagten zu berücksichtigen, durch welche Fahrweise des Beklagten ein nahezu das Doppelte der Sichtstrecke betragender Anhalteweg entstanden sei. Da den Kläger lediglich die Verletzung der Rechtsfahrregel belaste, sei es gerechtfertigt, den Schaden des Klägers im Verhältnisse von 1 zu 3 zu Lasten des Beklagten aufzuteilen. In materiellrechtlicher Hinsicht hat das Erstgericht im Hinblick auf den Unfallsort italienisches Recht angewendet. Das Erstgericht entschied mit Teilurteil; über die Gegenforderung des Beklagten sei später zu verhandeln.

Die Fällung des Teilurteils im Sinne des § 391 (3) ZPO. seitens des Erstgerichtes sei gerechtfertigt gewesen, da die vom Beklagten mittels Einrede geltend gemachte Gegenforderung mit der Klagsforderung nicht im rechtlichen Zusammenhange stehe.

Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 9685.60 belgischen Francs s. A. in österreichischer Währung zum Warenkurs am Zahlungstag auf ein zugunsten des Klägers bei einem österreichischen Kreditinstitut zu eröffnendes Devisensperrkonto an den Kläger und wies das Mehrbegehren pcto. 2421.40 belgische Francs ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge und bestätigte das berufungsgerichtliche Urteil hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens von 2421.40 belgischen Francs. Der Revision der beklagten Partei gab er dahin Folge, daß das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem den Beklagten verurteilenden Ausspruch und in der Kostenentscheidung aufgehoben wurde. Im Umfange dieser Aufhebung wurde auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Streitsache insoweit an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger übersieht, daß das Berufungsgericht den Schaden im Verhältnisse von 1 zu 4 (1/5 zu 4/5) zu Lasten des Beklagten aufgeteilt hat; die Quote von 1/5, die nach dem Berufungsurteile dem Verschuldensanteile des Klägers entspricht, bringt aber selbst einen bloß geringfügigen Grad eines Verschuldens des Klägers zum Ausdruck und muß schon deshalb gebilligt werden, weil von einem Verkehrsteilnehmer auch eine entsprechende Reaktion auf das verkehrswidrige Verhalten eines anderen zu fordern ist; wenn nun der Beklagte seine rechte Fahrbahnseite überschritten hat, dann war der Kläger schon aus diesem Gründe zum Ausweichen nach rechts verhalten, weil dazu nach den vorinstanzlichen Feststellungen genügend Platz vorhanden war. Die Rechtsrüge des Klägers entbehrt daher der Berechtigung.

Es kann aber auch der Rechtsrüge des Beklagten kein Erfolg beschieden sein, wenn er damit die Schadensaufteilung im Verhältnisse von 1 zu 1 zu erreichen sucht. Auf Grund der maßgeblichen vorinstanzlichen Feststellungen kann vielmehr kein Zweifel daran bestehen, daß der Beklagte den Zusammenstoß der Fahrzeuge überwiegend verschuldet hat. Er ist doch in Anbetracht der Nässe der Fahrbahn auf der abschüssigen kurvenreichen Bergstraße für die Sichtverhältnisse viel zu schnell gefahren, so daß sein Anhalteweg rund 39 m betragen hat, gegenüber einer eingesehenen Strecke von bloß etwa 20 m; außerdem hat sich der Beklagte in der unübersichtlichen Rechtskurve nicht, wie erforderlich, streng rechts am Berghang gehalten, sondern seine rechte Fahrbahnseite verkehrswidrig überschritten; beim überraschenden Auftauchen des Fahrzeugs des Klägers samt Anhänger war der Beklagte somit zu einer Ausweichbewegung gezwungen, die aber unsachgemäß durchgeführt wurde. Bei der Beurteilung der Verhaltensweise des Beklagten sind die Vorinstanzen dem Gutachten des in erster Instanz vernommenen Verkehrssachverständigen Ing. F. gefolgt; die Rechtsrüge des Beklagten bedeutet im wesentlichen eine im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung dieses Sachverständigengutachtens, weil nicht ersichtlich ist, daß ein Verstoß gegen Denkgesetze vorliege oder wesentlicher Verhandlungsstoff unberücksichtigt geblieben wäre (vgl. z. B. SZ. XXII 126). Die Schadensaufteilung der Berufungsinstanz (1 zu 4 zu Lasten des Beklagten) wird vom Revisionsgerichte gebilligt, weil das Verschulden des Beklagten weitaus überwiegt.

Zur Rüge des Beklagten wegen unrichtiger Anwendung des § 391 (3)

ZPO.:

Verfahrensrechtlich ist österreichisches Recht anzuwenden; die bezeichnete Mängelrüge des Beklagten ist gerechtfertigt. Ein Teilurteil (vgl. das Vorbehaltsurteil nach § 302 DZPO.) ist ja im Falle des § 391 (3) ZPO. - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen - nur dann zulässig, wenn die vom Beklagten mittels Einrede geltend gemachte Gegenforderung mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhang steht. Nun vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, daß Forderung und Gegenforderung lediglich in einem tatsächlichen Zusammenhang stunden, so daß die Fällung des Teilurteils gestattet sei; jede der Parteien mache das schuldhafte Verhalten des anderen als Klagsgrund geltend; der Umstand, daß sich dieses Verhalten zur gleichen Zeit und am gleichen Ort abgespielt habe, sowie die Tatsache, daß der schädliche Erfolg auf jeder Seite zugleich eingetreten sei, sei für die Frage der Anwendbarkeit des § 391 (3) ZPO. nicht entscheidend. Zutreffend wendet sich der Revisionswerber gegen diese Auffassung. Der rechtliche Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung in einem derartigen Falle ist schon deswegen anzunehmen, weil das schädigende schuldhafte Verhalten des einen Verkehrsteilnehmers nicht nur die Forderung des anderen Betroffenen, sondern auch die Verminderung des eigenen Ersatzanspruches gegen den anderen, gleichfalls verkehrswidrig Handelnden, auslöst. Mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des § 391 (3) ZPO. (vgl. Sperl, Lehrbuch, S. 499) darf auch Lehre und Rechtsprechung zu § 302 DZPO. nicht unberücksichtigt bleiben; in diesem Geltungsbereich ist aber anerkannt (vgl. Baumbach - Lauterbach, Beckscher Kurz-Kommentar zur DZPO.[26], S. 559), daß für die Annahme des rechtlichen Zusammenhanges zwischen Forderung und Gegenforderung im bezeichneten Sinne nicht dasselbe Rechtsverhältnis erforderlich sei; genügend sei ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang, so daß es Treu und Glauben widerspreche, wenn der Anspruch ohne Berücksichtigung des Gegenanspruches durchgesetzt werden könnte. Diese Erwägungen sind auch für die Anwendbarkeit des § 391 (3) der österreichischen ZPO. ausschlaggebend; denn es soll zwar einerseits eine Prozeßverschleppung durch eine ungeklärte Aufrechnung verhindert werden; anderseits dienen aber die Beschränkungen des § 391 (3) ZPO. für die Erlassung des bezeichneten Teilurteils dem Schutze des Beklagten. Der Vorgang der Untergerichte hinsichtlich der Fällung des Teilurteils kann daher nicht gebilligt werden.

Daraus ergeben sich für die Erledigung die nachstehenden Folgerungen:

Der Entscheidung ist die Schadensaufteilung im Verhältnisse von 1 zu 4 (1/5 zu 4/5) zu Lasten des Beklagten zugrunde zu legen, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat. Bei diesem Umstande muß die Revision des Klägers in Ansehung der Abweisung seines Mehrbegehrens pcto. 2421.40 belgische Francs - die gesamte Schadenshöhe von 12.107 belgischen Francs ist im Rechtsmittelverfahren nicht strittig - erfolglos bleiben. Die Revision des Beklagten aber hat die Aufhebung des verurteilenden Ausspruchs des Berufungsgerichtes und die Aufhebung des Ersturteils in demselben Umfange sowie die Rückverweisung der Streitsache im Umfange dieser Aufhebung an das Erstgericht zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zur Folge. Das Erstgericht wird nunmehr die Gegenforderung des Beklagten, die dieser mit 8021.18 S geltend gemacht hat, zu prüfen haben. Vom endgültigen Betrage der Gegenforderung wird allerdings nur 1/5 (gemäß der obigen Aufteilungsquote) für die Aufrechnung in Betracht kommen; selbst auf der Grundlage des gesamten Betrages von 8021.18 S wird das maßgebliche Fünftel (1/5) nicht die Höhe der Forderung von 9685.60 belgischen Francs erreichen; trotzdem kann in dieser Richtung in dritter Instanz auch nicht vorläufig ziffernmäßig entschieden werden, weil die Kursrelation zwischen dem belgischen Franc (Klagsforderung) und dem österreichischen Schilling (Gegenforderung) nicht festgestellt ist. Auch in dieser Hinsicht ist das Verfahren ergänzungsbedürftig, damit nach Abzug der Gegenforderung im Anteile von 1/5 der Spruch hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung des Restbetrages formuliert werden kann. Zur Vermeidung von Weiterungen im künftigen Verfahren ist nur noch zu bemerken, daß die vom Kläger hinsichtlich der Gegenforderung erhobene Verjährungseinrede zufolge der hier anzuwendenden Bestimmungen des Art. 1242 (2) Codice Civile unbegrundet ist (in diesem Punkte besteht kein Unterschied zum materiellen österreichischen Recht, wonach eine Verjährung der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung, wenn diese im Zeitpunkte der Entstehung der Hauptforderung noch nicht verjährt war, nicht in Betracht kommt; vgl. z. B. SZ. XXVIII 76).

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