OGH 3Ob405/61

OGH3Ob405/615.12.1961

SZ 34/181

Normen

Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §7
Allgemeine Kraftfahrversicherungsbedingungen §7

 

Spruch:

Der Mitversicherte, der die Mitwirkung an der Schadensaufklärung unterläßt, um sich oder andere der strafgerichtlichen Verfolgung zu entziehen, handelt vorsätzlich im Sinne des § 7 AKB.

Entscheidung vom 5. Dezember 1961, 3 Ob 405/61.

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Gestützt auf § 7 AKB. beantragt die klagende Versicherungsgesellschaft, die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 71.500 S zu verurteilen. Die beiden Beklagten hätten in gewolltem und vorsätzlichem Zusammenwirken den Hergang eines am 29. Oktober 1957 im Gemeindegebiet von G. stattgefundenen Verkehrsunfalls zu verschleiern gesucht, bei dem der Fußgänger Josef P. tödlich verunglückte. An die Witwe des Verunglückten habe die Klägerin zur Abgeltung ihrer Ansprüche im Vergleichsweg 71.500 S gezahlt.

Der Erstrichter verurteilte die Beklagten bloß zur Zahlung von 5000 S. Nach den getroffenen Feststellungen war das Fahrzeug durch Rudolf C. als Versicherungsnehmer bei der Klägerin versichert. Die Zweitbeklagte war Eigentümerin des Fahrzeuges. Sie kam für den Treibstoff, Reparaturen und Versicherungskosten auf. Die Zweitbeklagte wurde daher vom Erstgericht als Halterin des Fahrzeuges angesehen. Der Erstbeklagte fuhr am Unfallstag mit der Zweitbeklagten von H. in Richtung N. Im Ortsgebiet von N. mußte er abblenden und bemerkte im Licht des abgeblendeten Scheinwerfers nicht die Gestalt des am Rand der rechten Fahrbahnhälfte gehenden Josef P. Dieser wurde vom Kühler des PKWs. erfaßt, nach vorne geschleudert und tödlich verletzt. Der Erstbeklagte, der den Unfall bemerkt hatte, fuhr, ohne anzuhalten, weiter, kehrte dann um und fuhr nach H. zurück. Mit einem geliehenen Motorrad kehrte er mit der Zweitbeklagten gemeinsam zum Gendarmerieposten G. zurück und machte dort, ohne sein Verschulden an dem Unfall auch nur zu erwähnen, Meldung, daß ein Toter am Straßenrand liege. Die Zweitbeklagte war mit ihm einig, das Verschulden am Unfall zu vertuschen. Am Tag nach dem Unfall kaufte sie einen Ersatz für das durch den Unfall zerbrochene Scheinwerferglas, das der Erstbeklagte in ihrer Gegenwart auf freiem Feld montierte. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalls nach den §§ 335, 337 lit. c StG. verurteilt. Der Erstrichter nahm auf Grund dieses Sachverhalts vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit der Aufklärungs- und Schadensminderungspflicht durch beide Beklagten als gegeben an und erkannte sie im Sinne des Art. II der im Unfallszeitpunkt in Geltung gestandenen Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen, BGBl. Nr. 234/1956, schuldig, der Klägerin den Höchstbetrag von 5000 S zu ersetzen.

Das Berufungsgericht erkannte auf Berufung der klagenden Partei die Zweitbeklagte schuldig, einen weiteren Betrag von 66.500 S s. A. an die klagende Partei zu zahlen. Hinsichtlich des Erstbeklagten wurde das Ersturteil bestätigt. Das Berufungsgericht führte aus, daß nach § 7 Abs. 2 AKB. jeder Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, schriftlich anzuzeigen sei. Der Versicherungsnehmer sei verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein könne. Werde eine solche Obliegenheit verletzt, dann sei der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung müsse diese überdies Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt haben. Art. II der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen, BGBl. Nr. 234/1956, normiere die Leistungsfreiheit der Versicherungsgesellschaft bis zu einem Betrag von 5000 S, wenn der Lenker nach einem von ihm verschuldeten Unfall versucht habe, sich der Feststellung seiner Person zu entziehen, oder wenn er einem Verletzten seinen Beistand nicht angeboten habe. Während sohin § 7 AKB. Obliegenheiten des Versicherungsnehmers enthalte und die Leistungsfreiheit der Versicherung diesem gegenüber normiere, richte sich die Bestimmung des Art. II der zitierten Verordnung gegen den Lenker des Fahrzeugs, nicht jedoch gegen andere versicherte oder mitversicherte Personen. Die Haftung des Erstbeklagten als Lenkers des Fahrzeuges sei daher vom Erstgericht mit Recht mit dem Höchstbetrag von 5000 S begrenzt worden. Hinsichtlich der Zweitbeklagten führte das Berufungsgericht aus, daß diese zwar gleichfalls nicht Versicherungsnehmerin sei, weil das Fahrzeug durch Robert C. bei der Klägerin versichert worden war. Es stehe aber fest, daß C., der Sohn der Zweitbeklagten, nur deshalb der Versicherungsgesellschaft gegenüber als Versicherungsnehmer aufgetreten sei, weil die Zweitbeklagte Steuerschulden hatte und ihrem damaligen Bräutigam, dem Erstbeklagten, nicht ausreichend traute. C. sei daher nur als Strohmann für die Fahrzeughalterin, die Zweitbeklagte, anzusehen, die auch aus ihrem Vermögen die Versicherungsprämie leistete. Eine derartige Rollenspaltung könne nicht zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft erfolgen. Die Obliegenheiten des § 7 AKB. seien daher in diesem Fall von der Zweitbeklagten als Eigentümerin und Halterin des Unfallsfahrzeuges zu erfüllen gewesen. Dadurch, daß die Zweitbeklagte mit dem Erstbeklagten darin einig war, dessen Beteiligung an dem Unfall zu vertuschen, habe sie vorsätzlich ihrer Aufklärungs- und Schadensminderungspflicht nicht genügt, weshalb sie nach § 7 AKB. der Klägerin gegenüber für den Betrag hafte, den diese gemäß § 158c VersVG. dem geschädigten Dritten zu ersetzen habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Zweitbeklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie führt aus, daß ihr Verhalten nur darauf gerichtet gewesen sei, den Erstbeklagten keiner strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Dabei habe sie nicht die Absicht gehabt, ihre Obliegenheiten gegenüber der klagenden Partei vorsätzlich zu verletzen. Es könne sich höchstens um eine Fahrlässigkeit gehandelt haben, in welchem Fall jedoch kein Regreßanspruch der klagenden Partei anzunehmen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Zweitbeklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei kann zwar nicht davon gesprochen werden, sie sei deshalb als Versicherungsnehmerin anzusehen, weil ihr Sohn den Versicherungsvertrag nur als Strohmann für sie abgeschlossen habe. Solche Erwägungen brauchen hier nicht angestellt zu werden, weil die Zweitbeklagte jedenfalls Halterin des Fahrzeuges war und als solche nach § 10 AKB. mitversichert ist. Nach § 3 AKB. haben die Mitversicherten die Obliegenheiten im gleichen Umfang wahrzunehmen wie die Versicherungsnehmer selbst. Die Zweitbeklagte hatte daher auch die Obliegenheiten nach § 7 I 2 AKB. zu erfüllen, d. h. sie hatte alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein konnte. In dem Verhalten der Zweitbeklagten, wie es von den Untergerichten festgestellt wurde, liegt ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 7 AKB. Die Zweitbeklagte hatte als Halterin des Fahrzeuges und Unfallszeugin alles zu tun, um den Unfall aufzuklären und an seiner Feststellung mitzuwirken. Dies hat sie vorsätzlich unterlassen. Vorsätzlich heißt aber in diesem Zusammenhang nicht, daß sie den wahren Tatbestand gerade gegenüber der Versicherungsgesellschaft verschleiern wollte. Es genügt vielmehr, daß die Handlung überhaupt vorsätzlich gesetzt wurde, gleichgültig aus welchem Motiv der Vorsatz entsprang.

Nach § 7/5 AKB. ist die klagende Partei daher gegenüber der zweitbeklagten Partei leistungsfrei gewesen. Die klagende Partei konnte nach § 158f VersVG. jenen Betrag von der Zweitbeklagten zurückfordern, den sie dem Dritten nach § 158c VersVG. gezahlt hat.

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