Normen
ABGB §§833 ff
EO §§109 ff
ABGB §§833 ff
EO §§109 ff
Spruch:
Der Verpflichtete kann während der Zwangsverwaltung seines Liegenschaftsanteiles eine Benützungsregelung hinsichtlich der ganzen Sache nach den §§ 833 ff. ABGB. nicht beantragen.
Entscheidung vom 25. Oktober 1961, 1 Ob 441/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Antragsteller und der Antragsgegner sind Miteigentümer eines Hauses in W., in dem eine Wohnung derzeit frei ist.
Der Antragsteller begehrt vor dem Außerstreitrichter eine Benützungsregelung in der Weise, daß ihm diese Wohnung zur Benützung zugewiesen werde. Er habe bisher nur in Untermiete gewohnt, während der Antragsgegner seine Wohnung in Budapest habe, daher nicht gleichfalls die Wohnung für sich beanspruchen könne.
Der Antragsgegner begehrt die Abweisung des Antrages und wendet ein, daß der Antragsteller sich widerrechtlich in den Besitz der Wohnung gesetzt habe; ein deshalb eingeleitetes Besitzstörungsverfahren gegen den Antragsteller sei mit Erfolg durchgeführt worden. Bei einem zu erwartenden zwangsweisen oder freiwilligen Verkauf der Liegenschaft werde der für das Haus erzielbare Erlös wesentlich herabgedrückt, wenn im Haus keine sofort beziehbare Wohnung vorhanden sei.
Das Erstgericht hat dem Antragsteller die Wohnung auf Grund seiner Eigenschaft als Hälfteeigentümer der Liegenschaft zur Benützung zugewiesen.
Infolge Rekurses des Antragsgegners änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag auf Benützungsregelung an der gemeinsamen Liegenschaft abwies. Dem Rekursgericht sei aus der zwischen denselben Parteien anhängigen Sache wegen Bestellung eines gerichtlichen Verwalters für die gegenständliche Liegenschaft bekannt, daß auf Antrag der Aurelia H. mit rechtskräftigem Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 24. Februar 1961 in Ansehung des Hälfteanteils des Antragstellers an der gemeinsamen Liegenschaft die Zwangsverwaltung bewilligt und zum Zwangsverwalter Dr. Gustav K. ernannt wurde. Mit der Bestellung des Zwangsverwalters sei das Recht des Antragstellers, auf die Verwaltung der gemeinsamen Sache Einfluß zu nehmen, erloschen. Es habe daher für den Außerstreitrichter nach Eröffnung der Zwangsverwaltung keine Möglichkeit mehr bestanden, die Benützung der gemeinsamen Sache auf Grund des Miteigentums des Antragstellers gerichtlich zu regeln, da dies einem unzulässigen Eingriff in die Rechte des Zwangsverwalters gleichkomme (§ 99 EO.).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die rechtliche Stellung des Zwangsverwalters ergibt sich aus den §§ 106, 108 bis 118 EO. Er übt die Verwaltung aus, und zwar die Verwaltungsrechte des Verpflichteten. Die Dispositionsbefugnis der Parteien selbst ist in dieser Hinsicht ausgeschlossen. Aus dem Zwang zur Anerkennung der Verfügungen des Zwangsverwalters durch den Verpflichteten folgt, daß zum Beispiel die in diesem Rahmen geschlossenen Verträge den Verpflichteten auch über die Dauer der Zwangsverwaltung hinaus binden. Der Verpflichtete wird durch die Zwangsverwaltung in der Ausübung seines Eigentumsrechtes nicht behindert; er bleibt auch Besitzer, ist jedoch während der Dauer der Zwangsverwaltung in der Ausübung der Rechte aus dem Besitz insoweit behindert, als sie mit den Rechten des Zwangsverwalters, die Liegenschaft zu verwalten und über sie zu verfügen, kollidieren. In der Entscheidung GlUNF. 1743 wird ausgesprochen, daß der Verpflichtete berechtigt ist, über die Sache sowie über einzelne Teile derselben zu verfügen, sofern der Zweck der Zwangsverwaltung durch solche Verfügungen des Eigentümers über die der Verwaltung unterliegende Sache nicht berührt wird. Ob dies zutrifft, muß in jedem einzelnen Fall festgestellt werden (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. I S. 412 f.). § 99 EO. schreibt vor, daß sich der Verpflichtete nicht nur jeder Verfügung über die von der Exekution betroffenen Erträgnisse zu enthalten hat, sondern daß er sich auch an der Geschäftsführung des Verwalters gegen dessen Willen nicht beteiligen darf. Abs. 3 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß dann, wenn gegen den Miteigentümer einer Liegenschaft die Zwangsverwaltung des ihm zustehenden Liegenschaftsanteiles bewilligt wird, u. a. auch die Miteigentümer vom Beschluß des Exekutionsgerichtes zu verständigen sind. Die Übergabe an den Zwangsverwalter findet nur nach Maßgabe der dem Verpflichteten zustehenden Besitzrechte statt. Ist der Verpflichtete also nur Miteigentümer einer Liegenschaft, so wird diese dem Verwalter nur nach Maßgabe der Besitzrechte des Verpflichteten übergeben, eine physische Übergabe findet nicht statt. Der Zwangsverwalter wird an den gemeinsamen Verwalter (§ 836 ABGB.) oder, falls ein solcher noch nicht bestellt ist, an die Miteigentümer verwiesen. Der Zwangsverwalter hat an Stelle des Verpflichteten die Rechnungen des gemeinsamen Verwalters einzusehen, den dem Verpflichteten gebührender Anteil zu übernehmen und damit so zu verfahren, wie es das Gesetz bezüglich der Erträgnisse vorschreibt. Ist noch kein gemeinsamer Verwalter bestellt, haben aber die Eigentümer die Verwaltung und Benützung geregelt, dann ist der Zwangsverwalter an diese Vereinbarung gebunden. Er übt die einem Miteigentümer gemäß den §§ 828 ff. ABGB. zustehenden Rechte aus, doch ist er nicht berechtigt, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen oder darauf zu klagen oder eine Veränderung bezüglich des Miteigentumsrechtes des Verpflichteten durchzuführen (Neumann - Lichtblau a. a. O. S. 396 f.). Zu Verfügungen, die über den gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb hinausgehen, und zu allen sonstigen Maßregeln von besonderer Wichtigkeit bedarf der Zwangsverwalter allerdings der Zustimmung des Exekutionsgerichtes.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß dem Zwangsverwalter nicht bloß, wie der Rechtsmittelwerber anzunehmen scheint, die Einziehung von Einkünften und Erträgnissen zukommt, sondern daß er vielmehr den Verpflichteten, wie schon der Begriff "Zwangsverwaltung" sagt, in allen Fragen, die mit der Verwaltung zusammenhängen, gleichviel ob sie ordentliche oder außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen betreffen, ausschaltet.
Da die Tatsache der bestehenden Zwangsverwaltung des Liegenschaftsanteiles des Antragstellers nicht in Abrede gestellt wird, hat das Rekursgericht mit Recht die Legitimation des Antragstellers zu einem Antrag auf Benützungsregelung an der freigewordenen Wohnung verneint.
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