Spruch:
Der Ersatzanspruch nach § 970 ABGB. steht grundsätzlich dem Gast zu, auch für die von ihm eingebrachten Sachen eines Dritten.
Entscheidung vom 20. Oktober 1961, 2 Ob 406/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Mariazell; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Die klagende Personengesellschaft verlangt vom beklagten Hotelunternehmer die Zahlung von 23.587 S 80 g s. A. (Ersatz der Kosten der Reparatur ihres Kraftwagens sowie der Transportspesen) mit der Behauptung, die Gattin ihres Komplementärs, Elfriede K., sei am 1. Dezember 1960 im Hotel des Beklagten abgestiegen und habe dem beim Beklagten beschäftigten Arnold W. die Schlüssel des Kraftwagens der Klägerin übergeben, damit dieser das Fahrzeug in die Hotelgarage bringe; Arnold W. habe, zwar den Auftrag angenommen, sei jedoch nicht in die Hotelgarage gefahren, sondern habe eine Spazierfahrt mit dem Kraftwagen unternommen und dabei einen schweren Unfall verschuldet; dadurch sei der Klägerin der bezeichnete Schaden entstanden, dessen Ersatz sie vom Beklagten verlange.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Nur der Gast und nicht ein Dritter könne Ansprüche aus der strengen Haftung durch Gastaufnahme nach den §§ 970 und 1316 ABGB. gegenüber dem Gastwirt geltend machen. Nur zwischen dem Gastwirt und seinen Gästen entstehe ein Vertragsverhältnis in dem Sinne, daß die Haftung nach § 970 ABGB. gleich einer Vertragshaftung gestaltet sei. Zwischen einem Dritten und dem Hotelunternehmer komme das gesetzliche Verpflichtungsverhältnis nach § 970 ABGB. nicht zur Entstehung. Schon nach dem Prozeßvorbringen der klagenden Partei sei das Klagebegehren abzuweisen; im Hotel des Beklagten sei ja Elfriede K. abgestiegen; nur dieser könnten Ansprüche nach den §§ 970 und 1316 ABGB. gegenüber dem Beklagten zustehen.
Der Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Es hat unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung die Abweisung der Klage aus dem vom Erstgericht dargelegten Grund gebilligt und noch ausgeführt, daß der Beklagte von Anfang an die Aktivlegitimation der klagenden Partei bestritten habe; die klagende Partei habe nicht einmal behauptet, daß die allenfalls anspruchsberechtigte Elfriede K. die Prozeßführung, der Klägerin genehmigt hätte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Haftung aus der Gastaufnahme ist als Vertragshaftung zu behandeln (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 385). Daraus folgt, daß der Gastwirt für die eingebrachten Sachen haftet, auch wenn sie nicht Eigentum des Gastes sind (vgl. Ehrenzweig a. a. O. S. 388). Subjekt des Anspruchs ist der Gast (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 663 f.). Umgekehrt ist zwischen einer dritten Person, die Eigentümerin der vom Gast eingebrachten Sache ist, und dem Unternehmer das gesetzliche Verpflichtungsverhältnis nach § 970 ABGB. überhaupt nicht entstanden (vgl. Gschnitzer a. a. O. 664), so daß der Eigentümer der Sache, der nicht Gast ist, keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Gastwirt aus der Gastaufnahme hat. Zutreffend haben sich die Vorinstanzen auf die Rechtsprechung des Revisionsgerichtes berufen. Denn wenn auch in SZ. V 120 die Frage im Vordergrund steht, wer als Gast im Sinne des § 1316 ABGB. anzusehen sei, ist doch die Frage der Aktivlegitimation im Sinn der Ansicht der Vorinstanzen schon in den Entscheidungen GerZ. 1921 S. 110 - hier unter Hinweis auf das römische Recht - und EvBl. 1959 Nr. 295 = ZVR. 1960 Nr. 15 vom Obersten Gerichtshof entschieden worden. Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal im Geltungsbereich des § 701 BGB., des Vorbildes der Regelung nach der III. Teilnovelle, anerkannt ist (vgl. Enneccerus - Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 14. Bearbeitung S. 696; ferner Gramm in Palandt, Kommentar zum BGB., 19. Aufl. S. 574), daß der Ersatzanspruch wegen der fremden vom Gast eingebrachten Sachen lediglich dem Gast und nicht dem Eigentümer der Sachen zusteht; der Eigentümer muß sich an den Gast halten und kann von ihm gegebenenfalls die Abtretung der Ersatzansprüche gegenüber dem Gastwirt verlangen. Die Aktivlegitimation ist nach § 1316 ABGB. nicht anders als nach § 970 ABGB. zu beurteilen. Da somit das Klagebegehren schon nach dem Prozeßvorbringen der Klägerin abzuweisen ist, sind auch die von der Revision gerügten Feststellungsmängel nicht gegeben.
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