OGH 1Ob320/59

OGH1Ob320/594.10.1961

SZ 34/132

Normen

Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen §50
Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen §50

 

Spruch:

Zur Auslegung des § 50 AÖSp.

Entscheidung vom 4. Oktober 1961, 1 Ob 320/59.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin hat im Zuge der Geschäftsverbindung mit der Firma Franz K. an diese Firma durch Inanspruchnahme der Beklagten als Speditionsunternehmen in ihrem Unternehmen erzeugte Textilwaren ausgeliefert. Mit Rechnung vom 24. April 1957 sind in 39 Paketen übersandte, der Firma Franz K. verkaufte Stoffe zwecks Lieferung an diese von der Beklagten übernommen worden. Von den Stoffen hat die Beklagte noch 18 Pakete bzw. Kisten im Gesamtfakturenwert von 6130.42 DM in ihrem Besitz. Mit Rechnung vom 15. Mai 1957 hat die Klägerin neuerdings unter Inanspruchnahme der Beklagten der Firma Franz K. Textilwaren in 46 Paketen bzw. Kisten um 14.926.86 DM verkauft und geliefert. Auch hierüber sind vorher für die in der Rechnung aufgenommenen Bestellungen Auftragsbestätigungen der Firma Franz K. zugemittelt worden. Die Beklagte hat diese 46 Kisten nicht mehr an die Firma Franz K. ausgeliefert, sondern in ihrer Gewahrsame behalten. Die Ware wurde unter Eigentumsvorbehalt der Firma Franz K. geliefert; dieser Eigentumsvorbehalt hatte bis zur gänzlichen Bezahlung des Kaufpreises vereinbarungsgemäß zu gelten. Der Kaufpreis für die angeführten Lieferungen ist bisher nicht gezahlt worden, weshalb die Ware noch immer Eigentum der Klägerin ist. Mit Erklärung vom 6. August 1957 hat Franz K. ausdrücklich das Eigentumsrecht der Klägerin an der Ware anerkannt. Obwohl Franz K. sich in der auch der Beklagten bekanntgegebenen Erklärung mit der Ausfolgung der Ware an die Klägerin einverstanden erklärte, verweigert die Beklagte die Herausgabe, indem sie außer den auf den Waren haftenden Speditionskosten noch Forderungen erhebt, die mit der gegenständlichen Lieferung überhaupt nicht zusammenhängen und von denen die Beklagte behauptet, daß sie solche gegen die Firma Franz K. aus anderen, mit diesen Warenmengen überhaupt nicht zusammenhängenden Speditionsgeschäften besäße.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der oben angeführten und näher bezeichneten Ware.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und änderte die untergerichtlichen Urteile dahin ab, daß er die Beklagte schuldig erkannte, der Klägerin die klagsgegenständlichen Waren Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 8000 S binnen 14 Tagen herauszugeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur Auslegung der Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen, insbesondere des § 50 lit. a ADSp. die mit den AÖSp. inhaltsgleich sind, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil BGHZ. 17, 1 = NJW. 1955 S. 1145 ausführlich Stellung genommen und hiebei u. a. folgende Erwägungen angestellt: Die ADSp. seien eine "allgemeine geregelte Vertragsordnung", eine "fertig bereitliegende Rechtsordnung", die aber erst dann zur Anwendung komme, wenn der in diese Rechtsordnung Eintretende sich ihr unterwerfe. Es handle sich also nicht um objektive, allgemein verbindliche Rechtsnormen, sondern nur um eine allgemein festgelegte Vertragsgrundlage, die infolge beiderseitiger Unterwerfung unter ihre Bestimmungen Wirksamkeit erlange. Die Spediteurbedingungen hätten also die Bedeutung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Vertragsbestandteil würden, wenn sich der Auftraggeber ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erkläre, ohne daß er freilich die Einzelheiten ihres Inhaltes kennen müßte. Da die Spediteurbedingungen keine objektive Rechtsnorm darstellten, sei das im § 50 lit. a ADSp. vorgesehene Pfandrecht auch kein gesetzliches, sondern ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht.

Die hier im wesentlichen wiedergegebenen Gründe der Entscheidung des Bundesgerichtshofes sind, soweit übersehen werden kann, von Schmid - Loßberg (MDR. 1955 S. 670) bei Besprechung der Entscheidung und von Ewald in einem Aufsatz (MDR. 1959 S. 1) kritisiert worden. Die Meinung der Kritiker geht weniger von juristischen als von Zweckmäßigkeitsüberlegungen aus. Sie sagen, das gesetzliche Pfandrecht des § 410 HGB. sei durch die Praxis mehr oder minder entwertet. Bei ständiger Geschäftsverbindung mit einer Vielzahl von Speditionsaufträgen habe sich die Übung herausgebildet, daß nicht für jeden einzelnen Speditionsauftrag der jeweilige Rechnungsbetrag beglichen werde, der Auftraggeber vielmehr Kreditierung erwarte, ohne daß gerade eine laufende Rechnung zu entstehen brauche. Diese Übung sei vom wirtschaftlichen Standpunkt zwar zu bedauern, der Spediteur könne sich ihr aber grundsätzlich nicht entziehen. Die ultima ratio werde allerdings nur in seltenen Fällen angewendet. Davon abgesehen, sei das erweiterte Pfandrecht ja noch dadurch beschränkt, daß es auch nach der alten Rechtsprechung an dem Auftraggeber nicht gehörendem Gut nur bei Gutgläubigkeit des Spediteurs entstehen konnte. Die neue Rechtsprechung werde der Verkehrsauffassung und den berechtigten Interessen des Spediteurs nicht gerecht. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes habe die Praxis und die Entstehungsgeschichte der ADSp. nicht beachtet. Wenn der Auftraggeber auf Grund der ADSp. abschloß, so sei damit sein Unterwerfungswille auch unter die Rechtsfolgen festgestanden. Fraglich sei nur, ob sich der Eigentümer eine solche Verfügung über sein Gut gefallen lassen müsse. Die ADSp. seien entgegen der Meinung des Bundesgerichtshofes nicht "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" gleichzusetzen, denn sie seien von der Verladewirtschaft und den Spediteuren in gemeinschaftlicher Arbeit ausgehandelt worden, um die widerstreitenden Interessen auszugleichen. Der Verladewirtschaft seien auch die etwaigen Vorbehalts- und Sicherungseigentümer zuzuzählen, denn auch zur Zeit der Abfassung der ADSp. seien Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung keine Seltenheit gewesen. Auch die Vorbehalts- und Sicherungseigentümer wüßten also generell und von vornherein, daß sie bei Versendung mit dem erweiterten Pfandrecht rechnen müßten. Von Verkäufer-, Sicherungs- und Versenderseite sei man sich daher von jeher im klaren gewesen, daß das Gut auf jeden Fall für die gesamten Speditionsschulden hafte, sofern nicht der Spediteur bösgläubig sei. Sittenwidrig könne nicht etwas sein, was die beteiligten Wirtschaftskreise in Ausgleichung ihrer an sich widerstreitenden Interessen als künftige Richtschnur ihres Handelns vereinbart hätten. Es genüge der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Auftraggebers. Den guten Glauben habe der Spediteur, denn nach der Entstehungsgeschichte habe sich der Eigentümer mit der immanenten Pfandbestellung generell von vornherein einverstanden erklärt. Wenn er das nicht wolle, müsse er mit seinem Geschäftspartner vereinbaren, daß dieser bei einem Speditionsauftrag die Geltung der ADSp. durch Vereinbarung ausschließe.

Unrichtig ist, daß Kommentare wie Schlegelberger, Baumbach - Duden oder der Reichsgerichtsrätekommentar die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ablehnen. Richtig ist nur, daß die Kommentare zum Teil keine restlose Klarheit über ihre Einstellung zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigen. So führt Schröder im Betriebsberater 1956 S. 547 u. a. aus, daß die Gefahren für den Eigentümer des Gutes, der mit dem Versender nicht personengleich ist, bei der Unterwerfung des Gutes unter das rechtsgeschäftliche Pfandrecht des § 50 ADSp. wesentlich größer seien. Das Reichsgericht habe den Standpunkt vertreten, es sei in der Rechtsprechung anerkannt, daß sich der Spediteur über das gesetzliche Pfandrecht hinaus auch für Forderungen, die nicht aus dem übernommenen Speditionsauftrag erwachsen sind, ein Pfandrecht am Speditionsgut ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse ausbedingen könne. Dieser vom Reichsgericht anerkannte weite Schutz des gutgläubigen Spediteurs habe dazu geführt, daß das Gut des mit dem Versender nicht personengleichen Eigentümers dem vertraglichen Pfandrecht auch wegen Forderungen unterworfen wurde, die mit dem über dieses Gut geschlossenen Speditionsvertrag nicht im Zusammenhang standen (inkonnexe Forderungen). Der Bundesgerichtshof sei dieser Ansicht mit Recht entgegengetreten. Nach Meinung des Verfassers sei die Annahme einer Unterwerfung unter die ADSp. dann unbeachtlich, wenn der Versender nicht zum Abschluß des Speditionsvertrages vom Eigentümer des Gutes ermächtigt und der Spediteur weder hinsichtlich des Eigentums des Versenders noch hinsichtlich des Bestehens einer solchen Versendungsermächtigung gutgläubig war. Habe aber der Eigentümer den Versender zur Versendung ermächtigt, also zum Abschluß des erforderlichen Speditionsvertrages, so könne in dieser Ermächtigung auch die Ermächtigung des Versenders liegen, das Gut dem Pfandrecht des § 50 lit.a ADSp. auch wegen Inkonnexer Forderungen zu unterwerfen. Das gelte jedoch nur unter zwei Voraussetzungen: Der Eigentümer müsse zunächst wissen, daß dem Speditionsvertrag die ADSp. zugrunde gelegt werden. Diese Kenntnis sei anzunehmen, wenn der Eigentümer ein Kaufmann ist; denn bei einem Kaufmann sei als bekannt vorauszusetzen, daß Speditionsgeschäfte im allgemeinen den ADSp. unterstellt würden. Weiters müsse der Eigentümer wissen, daß inkonnexe Forderungen des Spediteurs gegen den Versender bestehen, deretwegen das vertragliche Pfandrecht geltend gemacht werden könnte; das folge daraus, daß der Eigentümer kein eigenes wirtschaftliches oder sonstiges Interesse in aller Regel daran habe, sein Gut einem Pfandrecht wegen einer es nicht berührenden Forderung zu unterstellen. Das gelte auch dann, wenn er mit der Versendung nach den ADSp. einverstanden war; denn daraus allein folge noch nicht sein Einverständnis zu einem Eingriff in sein Eigentum durch Unterwerfung unter ein vertragliches Pfandrecht wegen nicht konnexer Forderungen, von deren Bestehen er nicht unterrichtet war. Der Eigentümer könne vielmehr, sofern nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände vorlägen, in der Regel davon ausgehen, daß derartige inkonnexe Forderungen nicht bestunden, also auch nicht zu seinen Lasten durch Zugriff auf das Gut gesichert würden. Sei der Spediteur zwar nicht hinsichtlich des Eigentums des Versenders gutgläubig, wohl aber hinsichtlich einer dem Versender zustehenden Befugnis, das Gut mit Ermächtigung des Eigentümers zu versenden, so regle sich die Frage des Schutzes des guten Glaubens nach § 366 Abs. 1 HGB., soweit dieser das vertragliche Pfandrecht betreffe. Der Schutz des guten Glaubens werde aber dadurch sehr beeinträchtigt, daß § 366 Abs. 1 HGB., anders als § 366 Abs. 3 HGB., überhaupt nur anwendbar sei, wenn der Versender Kaufmann im Sinne des HGB. ist. Sei das nicht der Fall, komme der Schutz des guten Glaubens schon nach dem Gesetz nicht in Betracht. Aber auch wenn der mit dem Eigentümer nicht personengleiche Versender Kaufmann im Sinne des HGB. sei, werde sich der Spediteur in aller Regel dem Eigentümer gegenüber nicht auf guten Glauben an die Verfügungsberechtigung des Versenders berufen können.

Im gleichen Sinn äußern sich Schlegelberger - Schröder, HGB., 3. Aufl. § 410 Anm. 18. Dort heißt es u. a. : "Ist dem Eigentümer bekannt, daß sein Gut auf Grund der ADSp. befördert werden wird, und weiter bekannt, daß dem hinzuzuziehenden Spediteur Forderungen gegen den zum Abschluß des Speditionsvertrages vom Eigentümer ermächtigten Versender zustehen, so wird man den Versender als ermächtigt anzusehen haben, das Gut dem vertraglichen Pfandrecht nach § 50 lit a ADSp. auch wegen Forderungen aus den früheren Speditionsverträgen zu unterwerfen. Hält der Spediteur bei der Erlangung des Gutes in einem den ADSp. unterstehenden Geschäft den Versender für den Eigentümer des Gutes und ist er dabei auch nicht grob fahrlässig, so erwirbt der Spediteur das vertragliche Pfandrecht des § 50 lit. a ADSp. auch wegen inkonnexer Forderungen. In aller Regel wird aber dem Spediteur der gute Glaube an eine Ermächtigung des Versenders, das diesem nicht gehörige Gut einem Pfandrecht wegen nichtkonnexer Forderungen vertraglich zu unterwerfen, abzusprechen sein". An anderer Stelle,

und zwar unter Anm. 11 c zu § 407 HGB., schließt sich derselbe Kommentar ausdrücklich der obangeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofes an.

Baumbach - Duden, HGB., 13. Aufl. Anh. nach § 415 Anm. A zu § 50 ADSp., stimmen bei Besprechung der Bestimmungen des § 50 lit. a ADSp. über das erweiterte Pfandrecht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes gleichfalls zu. Im Reichsgerichtsräte-Kommentar zum HGB., 2. Aufl. § 410 Anm. 12 heißt es: "Auf nichtkonnexe Ansprüche kann der Spediteur kein Pfandrecht grunden; die gegenteilige Rechtsprechung des Reichsgerichtes ist vom Bundesgerichtshof bewußt aufgegeben worden. Forderungen des Spediteurs gegen den Versender, die mit dem Speditionsgut nicht im Zusammenhang stehen, bilden keine Grundlage des Pfandrechtes."

Dagegen wird in Anm. 12 a noch die Ansicht des Reichsgerichtes vertreten, ohne daß sich der Verfasser dort mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes auseinandersetzt. Ein Versuch, die Argumente der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu widerlegen, wird nicht gemacht.

Den kritischen Bemerkungen kann gerade in der Frage der Gutgläubigkeit des Spediteurs nicht zugestimmt werden. Zwischen einer Pfandbestellung gemäß § 366 Abs. 1 HGB. oder gemäß § 456 ABGB. und einer solchen nach § 50 lit. a ADSp. oder AÖSp. ist doch ein wesentlicher Unterschied. Im ersten Fall liegt eine durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung in Verbindung mit dem Übergabsakt begrundete Pfandbestellung vor, wogegen die Speditionsbedingungen in der Regel als allgemeine Vertragsgrundlage Bestandteil jedes Speditionsvertrages werden, ohne daß der Vertragspartner des Spediteurs ihren Inhalt zu kennen braucht. Daß in einem solchen Fall nur Bedingungen unterstellt werden können, die nicht geradezu gegen die guten Sitten verstoßen, leuchtet ein; ein solcher Verstoß läge aber vor, wenn von der Annahme ausgegangen würde, Auftraggeber und Spediteur seien mit der Verpfändung fremden Eigentums einverstanden, oder dieser sei bereit, wissentlich fremdes Eigentum als Pfand zu nehmen. Auch nach der österreichischen Rechtsordnung hat das Gesetz bei Bestellung eines Pfandrechtes an fremder Sache zugunsten des gutgläubigen Erwerbers und zum Nachteil des Eigentümers entschieden, weil der Eigentümer, der seine Sache einem anderen überläßt, diesem vertraut. Der Gedanke, bei Vertrauensmißbrauch den Eigentümer an denjenigen zu verweisen, dem er vertraut hat, kann jedoch dann keine Anwendung finden, wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Pfandrecht an fremden Sachen vorgesehen ist. Die Gültigkeit einer Vereinbarung, derzufolge am Speditionsgut ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse ein Pfandrecht für inkonnexe Forderungen bestellt werden soll, kann der Hinweis auf die §§ 367, 456 ABGB. oder § 366 HGB. nicht rechtfertigen, weil diese Vorschriften nicht eine unsittliche Vereinbarung zwecks Verfügung über fremdes Eigentum, sondern den guten Glauben des Erwerbers an das Eigentum oder die Verfügungsberechtigung schützen wollen. Die Frage, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Spediteure eine einseitige Maßnahme der Spediteurverbände oder das Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Verladewirtschaft und den Spediteurverbänden darstellen, spielt demnach bei Beurteilung der Frage der Gültigkeit sittenwidriger Bedingungen überhaupt keine ausschlaggebende Rolle, ebensowenig der Umstand, daß der Spediteur in Fällen laufender Geschäftsverbindung aus rein wirtschaftlichen Gründen genötigt ist, dem Auftraggeber, der nicht sofort bezahlen kann, zu kreditieren. Die Auslegung der Allgemeinen Spediteurbedingungen, wie sie die beklagte Partei für richtig hält, liefe darauf hinaus, der Spekulation des Auftraggebers, auf Kosten fremden Guts ohne Einwilligung des Eigentümers Kredite zu erlangen, unter Billigung des Spediteurs Vorschub zu leisten. Solche Bedingungen, in einen regulären Vertrag aufgenommen, könnten niemals Gültigkeit beanspruchen, weil sie gemäß § 879 ABGB. nichtig wären. Warum nicht etwas sittenwidrig sein sollte, was die beteiligten Wirtschaftskreise in Ausgleichung ihrer an sich widerstreitenden Interessen als künftige Richtschnur ihres Handelns vereinbart haben, ist ebensowenig einzusehen wie die Behauptung, daß eine Vereinbarung nicht außerhalb des Bereichs wirtschaftlich anständiger Erwägungen liegen kann, wenn sie praktischen Erfordernissen Rechnung trägt. Warum der Bundesgerichtshof der früheren Rechtsprechung des Reichsgerichtes, nach der es stets nur auf den guten Glauben des Spediteurs ankam, nicht gefolgt ist, hat er in den Gründen seines Erkenntnisses, wie schon gezeigt, ausführlich dargelegt, so daß dem schon Gesagten nur mehr hinzuzufügen ist, daß das Festhalten an der Theorie vom Schutz des guten Glaubens insofern auf einem Mißverständnis beruht, als die ADSp. oder AÖSp. überhaupt keinen Anwendungsfall dafür bieten. Wer einen Massenvertrag abschließt, unterwirft sich den allgemeinen, zur Einsicht offenen Vertragsbedingungen nur, soweit sie sich im Rahmen des Üblichen halten und nichts bestimmen, was in ihnen nicht vermutet werden kann (Rspr. 1929 Nr. 154). So wurden auch Lagerbedingungen von Spediteuren mit gewissen Haftungsbeschränkungen als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen (Rspr. 1936 Nr. 163).

Der Oberste Gerichtshof ist mithin im Gegensatz zu den Untergerichten der Rechtsansicht, daß gegebenenfalls der Beklagten kein Recht zusteht, auf das dem Auftraggeber Franz K. nicht gehörige Speditionsgut auch wegen solcher Forderungen der Beklagten gegen ihn, die mit früheren Speditionsaufträgen zusammenhängen, als Pfand zu greifen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Fragen und auf die sonstigen gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände. Da die klagende Partei sich bereit erklärt hat, die auf die gegenständlichen Waren von der beklagten Partei für Fracht- und Lagergeld verausgabten Beträge im unbestrittenen Ausmaß von 8000 S Zug um Zug gegen Herausgabe der in der Klage begehrten Waren zu zahlen, ist der Oberste Gerichtshof in der Lage, sofort in der Sache selbst zu erkennen und in Abänderung der untergerichtlichen Urteile im Sinne des Klagebegehrens mit dem Vorbehalt schuldig zu erkennen, daß die Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 8000 S zu erfolgen hat.

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