Spruch:
Zurückbehaltungsrecht des Inhabers einer Autoreparaturwerkstätte und zugleich Garagenunternehmers für die vor dem Widerruf des Reparaturauftrages gemachten Aufwendungen (beschaffte Ersatzteile) und für die zufolge der Zurückbehaltung erwachsenen Garagierungsgebühren.
Entscheidung vom 13. Juli 1961, 6 Ob 194/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Liezen; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Der Kläger hatte am 6. Februar 1960 mit seinem LKW. einen Unfall. Er erteilte dem Beklagten, einem Mechanikermeister, den Auftrag, das Fahrzeug abzuschleppen und zu reparieren, wobei er darauf hinwies, daß er es als Reisender dringend benötige. Der Beklagte besorgte die für die Reparatur nötigen Ersatzteile (Neuteile). Als der Kläger hievon anläßlich eines Telefongespräches am 10. Februar 1960 erfuhr, erklärte er dem Beklagten, er wolle diese neuen Ersatzteile nicht übernehmen, sondern seinen Wagen mit alten (also aus gebrauchten Fahrzeugen stammenden) Ersatzteilen reparieren lassen. Der Beklagte bestand aber auf der Übernahme der besorgten Ersatzteile, nahm allerdings ihren Einbau in das Fahrzeug auf Grund der Erklärung des Klägers nicht vor. Am 22. Februar 1960 erschien der Kläger beim Beklagten und verlangte die Herausgabe des noch nicht reparierten Wagens, wobei er sich bereit, erklärte, die bis dahin erbrachten Leistungen des Beklagten (nicht aber den Preis der Ersatzteile zu vergüten, doch ging der Beklagte darauf nicht ein, sondern verweigerte die Herausgabe des Fahrzeuges. In derFolge nahm die Lieferfirma die Ersatzteile auf Ersuchen des Beklagten zurück und versprach ihm eine Gutschrift, falls sie von ihr anderweitig abgesetzt werden könnten. Am 19. Mai 1960 schrieb der Beklagte dem Kläger, er brauche die Neuteile nicht zu übernehmen und könne das Fahrzeug abholen lassen, wenn er den in der mitübersandten Faktura ausgewiesenen Rechnungsbetrag zahle, nämlich 45 S an Abschleppkosten, 140 S an Arbeitskosten für Demontage und Überprüfung sowie 528 S an Garagierungskosten (6 S täglich für die Zeit vom 6. Februar bis 4. Mai 1960, d. h. für 88 Tage), zusammen 713 S. Der Kläger lehnte die Zahlung der erwähnten Garagierungskosten ab.
Im vorliegenden, seit 9. September 1960 anhängigen Prozeß belangte der Kläger den Beklagten auf Herausgabe des Wagens, wobei er sich bereit erklärte, die Demontagekosten von 140 S, die Abschleppkosten von 45 S und Garagierungskosten von 6 S täglich ab 6. Februar 1960 bis 22. Februar 1960, d. s. 96 S, zusammen also 281 S, zu zahlen.
Der Beklagte berief sich auf sein Zurückbehaltungsrecht und begehrte außer dem mit Schreiben vom 19. Mai 1960 in Rechnung gestellten Betrag auch noch Garagierungskosten von 6 S täglich ab 5. Mai 1960 bis 6. Oktober 1960 (Schluß der Verhandlung erster Instanz).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es den vom Kläger Zug um Zug zu zahlenden Betrag mit nur 281 S bestimmte. Es begrundete dies im wesentlichen damit, daß eine Verpflichtung des Klägers zur Übernahme der neuen Ersatzteile am 22. Februar 1960 nicht bestanden habe, zumal der Beklagte zu erkennen gegeben habe, er bestehe nicht auf der Durchführung des zwischen den Parteien zustandegekommenen Werkvertrages; der Beklagte hätte wohl Schadenersatzansprüche gehabt, wenn die von ihm besorgten Ersatzteile für ihn unverwendbar gewesen oder von der Lieferfirma nicht zurückgenommen worden wären; zur Zeit der Herausgabeforderung sei aber weder dem Grund noch der Höhe nach festgestanden, ob und welche Schadenersatzforderung dem Beklagten zustehe; die bloße Anschaffung der Ersatzteile ohne Verwendung für die Reparatur könne nicht als auf die Sache gemachter Aufwand im Sinne des § 471 ABGB. angesehen werden; der Beklagte sei darum am 22. Februar 1960 nicht berechtigt gewesen, das Fahrzeug zurückzubehalten, zumal der Kläger bereit gewesen sei, die bis dahin aufgelaufenen Kosten in der Höhe von 281 S zu zahlen; alle seither entstandenen Kosten habe der Beklagte selbst zu tragen.
Das Berufungsgericht bestimmte den vom Kläger Zug um Zug gegen die Herausgabe des Fahrzeuges zu zahlenden Betrag hingegen wie folgt:
Kosten des Abschleppens, der Demontage und der Garagierung vom 6. bis 22. Februar 1960, wie anerkannt, 281 S, plus Garagierungskosten vom 23. Februar bis 6. Oktober 1960, dem Tag des Schlusses der Verhandlung erster Instanz, d. s. 227 Tage a 6 S = = 1362 S, zusammen daher 1643 S.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß der vom Kläger dein Beklagten erteilte Reparaturauftrag auch die Anschaffung der neuen Ersatzteile deckte. Die Aussagen beider Parteien machen hinlänglich klar, daß die Weigerung des Klägers, die vom Beklagten im Hinblick auf die besonders betonte Dringlichkeit, der Reparatur unverzüglich besorgten neuen Ersatzteile zu übernehmen und zu bezahlen, letzten Endes darauf zurückging, daß sich seine Versicherungsgesellschaft weigerte, dafür aufzukommen. Diese Weigerung berührt aber nicht den mit dem Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag. Denn nach den Gepflogenheiten redlichen Geschäftsverkehrs enthält ein einschränkungsloser Reparaturauftrag, wie ihn der Kläger dem Beklagten erteilte, auch das kommissionsrechtliche Element, die für die Reparatur benötigten Materialien und Ersatzteile, soweit sie der Unternehmer nicht vorrätig hat, für Rechnung des Bestellers anzuschaffen. Aus diesen Erwägungen muß der Revision ein Erfolg versagt bleiben soweit sie versucht, gegen die Unterstellung des Falles unter die Bestimmungen des § 1168 Abs. 1 ABGB. durch das Berufungsgericht anzukämpfen.
Das bereits erwähnte kommissionsrechtliche Element eines Reparaturauftrages zur Anschaffung zur Reparatur benötigter Materialien und Ersatzteile auf Rechnung des Bestellers bleibt im Hintergrund der rechtlichen Beziehungen der Vertragspartner, wenn die Reparatur tatsächlich durchgeführt wird. Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob - je nach den Umständen des einzelnen Falles - anzunehmen ist, die Verrechnung dieser Anschaffungen erfolge indirekt durch Mitberücksichtigung beim Entgelt für das herzustellende Werk (§ 1152 ABGB.), oder der Unternehmer habe neben dem Entgeltanspruch einen zusätzlichen Anspruch auf Ersatz seiner für die Herstellung des Werkes gemachten Aufwendungen (vgl. Adler - Höller in Klang 2. Aufl. V 417 zu § 1170 ABGB.). Der Gewerbetreibende, dem das nach § 1170 ABGB. gebührende Entgelt (einschließlich Aufwendungsersatz) verweigert wird, darf das Werkstück als die Sache, zu deren Herausgabe er verpflichtet ist, zur Sicherung seiner fälligen Forderung auf Bezahlung geleisteter Ausbesserungsarbeiten bzw. des für die Sache gemachten Aufwandes zurückbehalten (vgl. dazu Klang 2. Aufl. II 544 f.; SZ. XII 138). Ist es - wie im vorliegenden Fall - nicht zur Vollendung des Werkes gekommen und gebührt dem Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 1168 Abs. 1 ABGB. das Entgelt, dann stellt die Anschaffung von Ersatzteilen und sonstigem Material, das zur Ausführung des bestellt gewesenen Werkes benötigt worden wäre, bereits Aufwendungen für die Sache im Sinn des § 471 ABGB. dar.
Daraus folgt, daß der Beklagte nach dem Widerruf des Reparaturauftrages durch den Kläger jedenfalls eine fällige Forderung hatte, die ihn zur Ausübung des Retentionsrechtes, und zwar auch über den Stichtag 22. Februar 1960 hinaus, berechtigte. Da infolge des Widerrufes des Reparaturauftrages das erwähnte, darin enthalten gewesene, kommissionsrechtliche Element in den Vordergrund trat, bzw. durch die vom Beklagten bereits besorgte Anschaffung der Ersatzteile verselbständigt worden war, konnte dieser dem Kläger gegenüber auch den Standpunkt einnehmen, der Kläger habe die jedenfalls letzten Endes für seine Rechnung angeschaffen Ersatzteile zu übernehmen und zu bezahlen. Wenn der Unternehmer im Fall des § 1168 Abs. 1 ABGB. bei Geltendmachung seines Entgeltanspruches im allgemeinen nicht behaupten muß, daß er infolge des Unterbleibens der Arbeit nichts erspart und nichts anderweitig erworben habe, vielmehr der Besteller Einwendungen in dieser Richtung vorbringen müßte (SZ. XXIV 324), ist es auch nicht Sache des Unternehmers, primär zu behaupten, die für die bestellte Reparatur eigens angeschafften Ersatzteile seien für ihn unverwendbar, und er könne ihre Anschaffung auch nicht mehr rückgängig machen. Es wäre vielmehr Sache des Klägers als des Bestellers gewesen, dem Beklagten gegenüber Einwendungen in dieser Richtung vorzubringen, doch hat er dies nicht getan, vielmehr - wie auch jetzt noch im Prozeß - rundweg jeglichen Anspruch des Beklagten aus der Anschaffung der Ersatzteile abgelehnt. Im übrigen ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß der Beklagte die von ihm besorgten Ersatzteile als für ihn anderweitig praktisch unverwendbar ansehen konnte. Schließlich ist hervorgekommen, daß die Lieferfirma auf ein Storno des Anschaffungsgeschäftes nicht einging, sondern diese Ersatzteile nur zum kommissionsweisen Verkauf "zurücknahm". Die Möglichkeit einer künftigen Gutschrift nahm dem Beklagten dem Kläger gegenüber nicht das Retentionsrecht.
Der Reparaturauftrag, den der Kläger dem Beklagten erteilte, enthielt aber nicht nur ein kommissionsrechtliches, sondern auch ein verwahrungsrechtliches Element, das infolge des Widerrufes des Reparaturauftrages als solchen ebenfalls in den Vordergrund trat und durch Ausübung des Retentionsrechtes durch den Beklagten an Bedeutung gewann. Wenn der Beklagte im Mai 1960 sein früheres Begehren auf Übernahme und Bezahlung der Ersatzteile in der Höhe von 1304 S 20 g auf Zahlung von Garagierungskosten vom 6. Februar bis zum 4. Mai 1960 in der Höhe von 528 S modifizierte, könnte das bedenklich sein, wenn er damit mehr beansprucht hätte als den Ersatz der Differenz zwischen dem Betrag von 1304 S 20 g und dem Betrag, den ihm die Lieferfirma für die zum kommissionsweisen Verkauf "zurückgenommenen" Ersatzteile etwa schon gutgeschrieben hatte. Dergleichen hat der Kläger aber nicht behauptet. Unterstellt man aber, eine Gutschrift sei überhaupt noch nicht erfolgt, so ergibt sich daraus erst recht, daß die Ersatzteile anderweitig unverwertbar waren. Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend begrundet, daß bei dem (durch Widerruf des Reparaturauftrages verselbständigten) verwahrungsrechtlichen Verhältnis zwischen den Parteien Entgeltlichkeit angenommen werden muß, und es ist auch zutreffend von einem Garagierungsgeld von 6 S täglich ausgegangen, so daß für die Zeit bis 4. Mai 1960 - neben dem Betrag von 45 S für das Abschleppen des Fahrzeuges und von 140 S für den effektiven Arbeitsaufwand im Betrieb des Beklagten - eine Garagierungskostenforderung bestand, wie sie der Beklagte dem Kläger in Rechnung stellte.
Da der Beklagte nach dem schon vom Berufungsgericht ausgewerteten Aufdruck auf seinem Geschäftspapier nicht nur Kaufmann ist, sondern auch die Garagierung von Fahrzeugen gewerbsmäßig betreibt, ergibt sich sein Retentionsrecht - abgesehen davon, daß es sich um keine vertraglich bedungene Verwahrung gehandelt hat - unter diesem Gesichtspunkt ungeachtet der Bestimmungen des § 1440 ABGB. schon aus §§ 970 Abs. 2 und 970c ABGB. (SZ. XXIII 125), so daß auf die vom Berufungsgericht unter Heranziehung der Entscheidung ZVR. 1959 Nr. 92 bejahte Frage, ob es auch aus § 471 ABGB. ableitbar wäre, nicht eingegangen zu werden braucht.
Daß der Beklagte keinen Vorbehalt der Verrechnung weiterer Garagierungskosten für den Fall, daß das Fahrzeug nicht abgeholt würde, gemacht hat, kann nach den Gepflogenheiten redlichen Geschäftsverkehrs nicht als, eindeutige Willensäußerung im Sinn eines Verzichtes auf weitere Garagierungskosten gewertet werden, besonders dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Fahrzeug vom Kläger dann noch viele Monate beim Beklagten stehengelassen wurde. Der Kläger hat dabei auf eigenes Risiko gehandelt. Das Zurückbehaltungsrecht besteht daher auch in Ansehung der weiter auflaufenden Garagierungskosten, so daß das Berufungsgericht zutreffend dem Ausfolgungsbegehren des Klägers nur Zug um Zug gegen Zahlung des von ihm anerkannten Betrages von 281 S zuzüglich der Garagierungskosten bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz, wie vom Beklagten beansprucht, stattgegeben hat.
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