OGH 1Ob249/61

OGH1Ob249/6122.6.1961

SZ 34/94

 

 

Spruch:

Mit einstweiliger Verfügung kann das Innehalten mit der Liquidation einer OHG. angeordnet und zugleich die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung auch nach Eintritt in das Liquidationsstadium entzogen werden.

Entscheidung vom 22. Juni 1961, 1 Ob 249, 250/61.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

 

Begründung:

Die Streitteile sind die beiden Gesellschafter der OHG. Josef R. in M., bestehend aus Kaufhaus, Bäckerei und Landwirtschaft. Beide Streitteile begehren wechselseitig die Ermächtigung zur Übernahme des Unternehmens ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven.

Sie beantragen die Erlassung folgender einstweiliger Verfügungen:

1. Der Kläger stellte den Antrag, zur Sicherung seines Anspruches auf Übernahme der Unternehmens ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven der Beklagten a) die Einleitung der Liquidation der Firma Josef R. oHG. zu untersagen, b) die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung dieser Gesellschaft zu entziehen und die alleinige Befugnis hiezu der klagenden Partei zu übertragen.

2. Die Beklagte beantragte zur Sicherung ihres gleichgearteten Anspruches auf Übernahme des Unternehmens ohne Liquidation a) dem Kläger die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung zu entziehen und der Beklagten die alleinige Befugnis zu übertragen, b) in eventu für die Gesellschaft einen Liquidator zu bestellen.

Das Erstgericht wies die Anträge ab.

Dem Rekurs der Beklagten wurde keine Folge gegeben, dem Rekurs des Klägers wurde teilweise Folge gegeben und angeordnet, daß mit der Liquidation der Firma innezuhalten sei; ferner wurde der Beklagten die Befugnis zur Geschäftsführung entzogen. Das Mehrbegehren auf Untersagung der Einleitung der Liquidation, auf Entziehung der Vertretungsmacht der Beklagten und Übertragung der alleinigen Vertretungsmacht und Geschäftsführung an den Kläger wurde abgewiesen. Das Rekursgericht führte im wesentlichen folgendes aus:

Die Beklagte habe das Gesellschaftsverhältnis mit Schreiben vom 23. Dezember 1959 für den 31. Dezember 1960 aufgekundigt und dabei ausgesprochen, daß sie ihren mit der Klage geltend gemachten Anspruch und Rechtsstandpunkt aufrecht halte. Diese Kündigung sei zu beachten, da eine Unwirksamerklärung bisher nicht erfolgt sei und Kündigungsbeschränkungen im Gesellschaftsvertrag nicht vereinbart wurden. Durch die Kündigung sei die Gesellschaft aufgelöst, aber nicht beendet. Auch im Stadium der Liquidation sei das Begehren auf Übernahmeermächtigung zulässig, zumal im gegenständlichen Fall die Kündigung erst nach Einbringung der Übernahmsklage erfolgt sei. In einem solchen Fall könne unter Umständen die Ausübung des Kündigungsrechtes gegen Treu und Glauben verstoßen, dies insbesondere dann, wenn sie nur zu dem Zweck geschehe, einen bereits vor der Kündigung entstandenen Ausschließungs- oder Übernahmsanspruch zu vereiteln.

Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruches des Klägers gemäß § 381 Z. 1 und 2 EO. seien gegeben. Als bescheinigt sei folgendes anzunehmen:

Zwischen den Streitteilen bestunden bereits seit Jahren gespannte Verhältnisse. Während sich der Kläger um das gewerbliche Unternehmen besonders bemühe und, wenn er gesund sei, den ganzen Tag im Unternehmen anwesend sei, halte sich die Beklagte durchschnittlich nur einige Stunden täglich im Geschäft auf.

Die Beklagte habe in den vergangenen Jahren laufend Entnahmen aus dem Unternehmen getätigt, so daß ihr Privatkonto in den Jahren seit 1956 einen Schuldenstand von rund 70.000 S, 32.000 S, 21.000 S und per 31. Dezember 1959 von rund 143.000 S aufgewiesen habe; auch nach Verbücherung der Gewinn- und Verlustanteile der beiden Gesellschafter habe sich für das Jahr 1959 noch ein Schuldenstand der Beklagten gegenüber der oHG. von rund 68.000 S ergeben. Die Beklagte habe bis zur Erlassung der einstweiligen Verfügung im Rechtsstreit 3 Cg 12/60 weitere Entnahmen aus dem Unternehmen widerrechtlich getätigt. Der Kläger habe sich wiederholt, jedoch ohne Erfolg, gegen die übermäßigen Entnahmen ausgesprochen. Auch ihre Schulden habe sie trotz Aufforderung nicht gedeckt.

Die Gesellschaft, die im Jahre 1959 einen Jahresumsatz von ungefähr 5.000.000 S aufwies, habe Mangel an flüssigem Kapital, welches in einer Höhe von 600.000 S bis 700.000 S erforderlich wäre. Der Warenbestand und die Forderungen der Lieferanten seien ungefähr gleich hoch und betrügen über 1.000.000 S. Daraus ergebe sich, daß die Waren zum größten Teil noch nicht bezahlt seien und auch nicht laufend bezahlt würden, und daß infolgedessen von den Lieferanten Mahnungen einliefen. Mit Rücksicht auf die ständig überhöhten Geldentnahmen durch die Beklagte bis August 1960 und den hiedurch eingetretenen Mangel an flüssigem Betriebskapital sei der Kläger seit Jahren genötigt, zur Vermeidung der Insolvenz des Unternehmens seinen Gewinnanteil zum größten Teil im Unternehmen zu belassen, so daß sein Privatkonto per 9. März 1960 ein Guthaben von über 160.000 S aufweise.

Anfang Jänner 1961 habe die Beklagte unter Hinweis auf die mit 1. Dezember 1960 ausgesprochene Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses die Mitunterfertigung eines Schecks zur Zahlung schon längst fällig gewordener und eingemahnter Rechnungen der Firma H. & R. über rund 4500 S verwehrt und sich zur Angestellten Berta M. geäußert, daß künftig keine Warenbestellungen mehr aufgegeben werden dürften.

Dadurch sei der Übernahmsanspruch des Klägers nach § 142 HGB. ausreichend bescheinigt, aber auch die Besorgnis der objektiven Vereitlung oder Erschwerung dieses Anspruches bzw. die Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens glaubhaft gemacht. Das Verhalten der Beklagten zeige, daß sie keine Rücksicht auf die finanziellen Belange des Unternehmens nehme, daß sie es grundsätzlich ablehne, ihre Schuld gegenüber der oHG. zu bezahlen, obwohl sie hinreichende Geldmittel zur Verfügung hatte, daß sie ungeachtet des Protestes des Klägers bis August 1960 weitere Entnahmen tätigte und erst nach dem gerichtlichen Verbot vorläufig einstellte. Bei der angespannten Finanzlage könnte durch allfällige weitere Abhebungen sogar Zahlungsunfähigkeit eintreten. Dazu komme noch, daß das von der Beklagten ausgeübte, mit ihrem Klagebegehren im Widerspruch stehende Kündigungsrecht als ein Verstoß gegen Treu und Glauben und deshalb als Rechtsmißbrauch angesehen werden müsse, weil es offenbar dem Zwecke diene, den bereits vor der Kündigung entstandenen Übernahmsanspruch des Klägers zu vereiteln. Dadurch drohe dem Kläger ein unwiederbringlicher Schaden, weil die Liquidation die Vollbeendigung der Gesellschaft und damit das Ausscheiden der Gesellschaft aus dem Geschäftsleben zum Ziele habe.

Dem Kläger könnten keine Verstöße gegen die Pflichten als Gesellschafter angelastet werden. Er widme sich unermüdlich dem Unternehmen und habe den erzielten Gewinn im Unternehmen belassen. Meinungsverschiedenheiten über die Anschaffung einer Büromaschine bzw. die Einstellung einer weiteren Kanzleikraft an Stelle einer solchen Maschine und über die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges könnten nicht als Verstöße angesehen werden.

Durch die Kündigung sei die Gesellschaft in das Stadium der Liquidation getreten, mit dem Ziel der Vollbeendigung. Der Anspruch des Klägers auf Übernahme des Unternehmens könne nur durch eine Maßnahme gesichert werden, welche die Vollbeendigung hemme. Als Sicherungsmittel genüge die Innehaltung mit der Liquidation. Auch die Voraussetzungen für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis seien gegeben. Die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis sei an sich eine geeignete Maßnahme zur Sicherung des Anspruches auf Übernahme des Unternehmens ohne Liquidation. Voraussetzung sei das Vorliegen eines wichtigen Gründes, wobei auch auf das Verhalten des anderen Gesellschafters insoweit Bedacht zu nehmen sei, ob allenfalls durch dessen Verhalten die angenommenen Entziehungsgrunde ausgelöst worden seien. Bei dem festgestellten Verhalten der Beklagten könne dem Kläger ihre weitere Tätigkeit als Geschäftsführerin und auch als vertretungsberechtigte Mitgesellschafterin nicht zugemutet werden. Die Übertragung dieser Befugnisse auf den anderen Gesellschafter sei jedoch unzulässig. Da jeder der beiden Gesellschafter allein zur Geschäftsführung berechtigt sei, werde durch die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnisse die Gesellschaft nicht lahmgelegt, so daß diese Maßnahme zu bewilligen gewesen sei. Die Entziehung der Vertretungsmacht würde jedoch die Gesellschaft lahmlegen, weil beide Gesellschafter nur kollektiv vertretungsbefugt seien, eine Übertragung der alleinigen Vertretungsbefugnis an den Kläger jedoch unzulässig sei.

Aus diesen Erwägungen gelangte das Rekursgericht zur teilweisen Stattgebung und teilweisen Abweisung des Antrages des Klägers.

Der Oberste Gerichtshof änderte den angefochtenen Beschluß nur insofern ab, als die einstweilige Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 100.000 S abhängig gemacht wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof pflichtet der Rechtsansicht des Rekursgerichtes über die grundsätzliche Zulässigkeit des Übernahmsbegehrens trotz der nachträglich erfolgten Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch die Beklagte bei. Es genügt, auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen.

Die Rechtsmittelwerberin führt dagegen zunächst aus, durch die Einleitung der Liquidation könne dem Kläger kein Schaden entstehen, denn auch die Liquidatoren seien zum Verkauf des Unternehmens als Ganzes verpflichtet, wenn dies die vorteilhafteste Verwertung sei. Die Beklagte habe dem Kläger angeboten, seinen Anteil gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages von 1.500.000 S zu übernehmen. Wenn ihm dies zu gering sei, könne er ein höheres Anbot stellen. Auch bei Übernahme des Unternehmens durch den Kläger müsse er sie, die Beklagte, mit dem wahren Wert abfinden. Es sei also nicht richtig, daß durch die angestrebte Liquidation das Ausscheiden des Unternehmens aus dem Geschäftsleben eintrete.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Grundsätzlich zielt die Liquidation auf die Vollbeendigung der Gesellschaft und deren Ausscheiden aus dem Geschäftsleben ab. Wohl können die Liquidatoren unter anderen Maßnahmen auch die des Verkaufes des Unternehmens als Ganzes treffen. Dadurch ist aber das Interesse des Klägers an der Übernahme des Geschäftes ohne Liquidation nicht behoben. Denn ob die Liquidatoren diese Maßnahme treffen, ist keineswegs gewiß. Ferner beeinträchtigt schon die Liquidation an sich den Ruf und den Wert des Unternehmens und verursacht beträchtliche Kosten. All dies wird bei Übernahme des Unternehmens durch den Kläger vermieden.

Das weitere Argument, daß nach Eintritt der Liquidation die Entziehung der Geschäftsführung gegenüber einem Gesellschafter nicht mehr begehrt werden könne, trifft hier nicht zu. In der Entscheidung Rspr. 1933 Nr. 300 wird dies damit begrundet, daß die Geschäftsführungsbefugnisse im Falle der Auflösung der oHG. auf die Liquidatoren übergehen, so daß es einer Entziehung gegenüber dem Gesellschafter nicht mehr bedürfe. Im vorliegenden Fall soll eben der Beginn der Liquidation hinausgeschoben werden. Damit würden an sich die Gesellschafter weiterhin geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sein, so daß auch die Entziehung möglich ist.

Was nun die Ausführungen zur Frage der Zulässigkeit und der sachlichen Voraussetzungen der bewilligten einstweiligen Verfügung anlangt, so ist von folgenden grundsätzlichen Erwägungen auszugehen.

Im Verfahren über die einstweilige Verfügung ist der Anspruch der gefährdeten Partei nur global zu prüfen. Eine eingehende Prüfung ist dem Prozeßverfahren vorbehalten. Dies ergibt, sich aus dem Zweck des Sicherungsverfahrens. Aus dem gleichen Grund findet im gegenständlichen Verfahren auch eine Gegenbescheinigung nur im beschränkten Umfang statt. Die Übernahme des Geschäftes durch einen Gesellschafter nach § 142 Abs. 1 HGB. ist grundsätzlich nur unter der Voraussetzung zulässig, daß es sich um besonders schwere Verfehlungen des anderen Gesellschafters handelt (SZ. XXVII 296 u. a.). Wenn beide Gesellschafter sich Verfehlungen zuschulden kommen ließen, ist die Übernahme durch einen nur möglich, wenn die Verfehlungen des anderen so schwer und überwiegend sind, daß die Verfehlungen des ersteren demgegenüber unerheblich erscheinen (SZ. XXIV 269).

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß der Anspruch überhaupt nicht bescheinigt ist. Denn einerseits sind nach den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses erhebliche Verstöße der Beklagten gegen ihre Pflichten als Gesellschafterin bescheinigt, so die widerrechtlichen Entnahmen; andererseits ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß die dem Kläger angelasteten Verstöße nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht erheblich erscheinen. Die abschließende Prüfung bleibt allerdings dem Prozeß vorbehalten. Dies gilt insbesondere bezüglich der Frage, ob die Kündigung der Gesellschaft einen Rechtsmißbrauch darstellt. Ob der Anspruch ausreichend bescheinigt ist, muß im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Denn gemäß § 390 EO. kann das Gericht einerseits bei nicht ausreichender Bescheinigung die einstweilige Verfügung gegen Sicherheitsleistung bewilligen, andererseits trotz völliger Bescheinigung die Bewilligung nach Lage der Umstände von einer solchen Sicherheitsleistung abhängig machen. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung erscheint aber nach Lage der Umstände des gegenständlichen Falles unbedingt geboten, weil es sich um eine in die Interessen der Beklagten sehr einschneidende Maßnahme handelt, welche voraussichtlich von längerer Dauer sein wird. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheint eine Sicherheitsleistung von 100.000 S erforderlich und zumindest vorläufig auch ausreichend.

Es war demnach der angefochtene Beschluß in der Hauptsache zu bestätigen, jedoch durch den zusätzlichen Ausspruch abzuändern, daß die einstweilige Verfügung von der Leistung einer Sicherheit in der Höhe von 100.000 S abhängig gemacht wird.

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