OGH 6Ob154/61

OGH6Ob154/617.6.1961

SZ 34/91

Normen

ABGB §36
ABGB §300
ABGB §1063
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
ABGB §36
ABGB §300
ABGB §1063
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18

 

Spruch:

Der "verlängerte Eigentumsvorbehalt" erlischt jedenfalls mit der Weiterverarbeitung.

Auch für bewegliche Sachen gilt die lex rei sitae.

Auch die nach § 36 ABGB. zulässig vereinbarte Anwendung ausländischen Rechtes ist dann ausgeschlossen, wenn sie gegen den Zweck eines österreichischen Gesetzes verstoßen würde.

Entscheidung vom 7. Juni 1961, 6 Ob 154/61.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Aktiengesellschaft, die ihren Sitz in der Deutschen Bundesrepublik hat, begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Unterlassung von über die Be- und Verarbeitung und Lagerung hinausgehenden Tat- und Rechtshandlungen hinsichtlich der bei der beklagten Partei befindlichen Waren, nämlich Rohbolzen und Bolzen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Die Beklagte habe bei der Wiener Vertretung der Klägerin Stahlwaren bestellt. In den Verkaufsbedingungen der Klägerin werde im Punkt 7 unter der Überschrift "Eigentumsvorbehalt" ausgeführt, daß das vorbehaltene Eigentum als Sicherung für die Saldoforderung der Klägerin gelte, daß die Be- und Verarbeitung für die Klägerin unter Ausschluß des Eigentumserwerbes nach § 950 DBGB. erfolge, ohne die Klägerin zu verpflichten, weiters, daß die verarbeitete Ware zur Sicherung der Klägerin in der Höhe des Rechnungswertes der Vorbehaltsware diene, der Käufer zur Weiterveräußerung der Vorbehaltsware nur mit der Maßgabe berechtigt und ermächtigt sei, daß die Forderung aus der Weiterveräußerung auf die Klägerin übergehe, daß die Forderung des Käufers bereits jetzt an die Klägerin abgetreten werde, und zwar gleichgültig, ob die Vorbehaltsware ohne oder nach Verarbeitung und ob sie an einen oder mehrere Abnehmer weiterveräußert werde. Unter Punkt 12 werde angeführt, daß für alle Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Käufer ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland zu gelten habe. - Es sei trotz der widersprechenden schriftlichen Bedingungen fortlaufend bestellt, die Bestellungen seien angenommen, es sei geliefert und die Lieferung auf Grund der "Bedingungen" nicht beanstandet worden. Kein Streitteil habe den Bedingungen der Gegenseite mündlich oder schriftlich widersprochen. Die unter Eigentumsvorbehalt verkauften und gelieferten Stahlwaren seien von der beklagten Partei für die Erzeugung von Kolben und Kolbenbolzen benötigt und verwendet worden. Im Jänner 1960 hätten sich im Betrieb der beklagten Partei angearbeitete Kolbenbolzen - und zwar rohe Bolzen sowie Bolzen in der Härterei - aus dem Material der Klägerin im Gewicht von etwa 24.500 kg befunden; der Rohmaterialwert dieser Menge betrage etwa 125.000 S.

Nach Ansicht des Erstgerichtes seien den zwischen den Parteien getätigten Geschäften die Verkaufsbedingungen der klagenden Partei zugrunde zu legen, da die beklagte Partei diesen Bedingungen ausdrücklich widersprechen hätte müssen, falls sie sie ausschließen hätte wollen. Die Verträge seien in Wien abgeschlossen worden. Nach § 36 ABGB. hätte daher von den Parteien die Anwendung eines ausländischen Rechtes nicht vereinbart werden können. Sie hätten nur innerhalb der Schranken des zwingenden Rechtes Vertragsbestimmungen ausdrücklich vereinbaren können, die einem ausländischen Recht entsprechen. Die Vereinbarung der Anwendung einzelner deutscher Rechtsbestimmungen, wie sie in den Verkaufsbedingungen enthalten seien, sei zulässig gewesen. Ihre Rechtswirksamkeit sei aber nach österreichischem Recht zu beurteilen. Nach diesem Recht sei ein Eigentumsvorbehalt nur bis zum tatsächlichen Verbrauch oder bis zur Weiterveräußerung oder Verarbeitung zulässig. Der Eigentumsvorbehalt erlösche durch Bezahlung der Ware oder deren früheren Verbrauch oder durch Verarbeitung oder Weiterveräußerung im ordentlichen Geschäftsgang. Der vereinbarte Eigentumsvorbehalt könne sich demnach nicht auf die durch Verarbeitung geschaffenen Sachen beziehen. Übrigens sei auch nach der deutschen Rechtslehre die Wirksamkeit des sogenannten "verlängerten Eigentumsvorbehaltes" bestritten. Das Klagebegehren sei daher nicht begrundet.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach gemäß § 500 Abs. 2 ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 10.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Prozeßentscheidend ist, ob der von den Parteien vereinbarte sogenannte "verlängerte Eigentumsvorbehalt" auch an Sachen, die bereits einer Verarbeitung unterzogen wurden, wirksam ist. Die Untergerichte haben dies im Ergebnis mit Recht verneint. Auch wenn die Parteien im Sinne des § 36 ABGB. die Anwendung einzelner deutscher Rechtsbestimmungen mit Rücksicht auf die im Vertragsrecht herrschende Freiheit des Willens der Parteien im Rahmen des dispositiven Rechtes wirksam vereinbaren konnten (siehe Walker, Verdross - Drossberg, Satter in Klang 2. Aufl. I/1 S. 237), so könnten doch nur die zwingenden sachenrechtlichen Bestimmungen des österreichischen Rechts hinsichtlich der vom Vertrage erfaßten Waren angewandt werden. Denn es entspricht der herrschenden Lehre (Walker, Verdross - Drossberg, Satter a. a. O. S. 234 ff.; JBl. 1949 S. 70 u. a.), daß bei richtiger Auslegung des § 300 ABGB. auch für bewegliche Sachen grundsätzlich die lex rei sitae gilt, wobei sich der Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an solchen Sachen nach den Gesetzen des Ortes richtet, an dem sich die Sachen zur Zeit der Verwirklichung des Tatbestandes, welcher den Erwerb oder Verlust dinglicher Rechte begrundet haben soll, befunden haben. Im vorliegenden Fall befanden sich die klagegegenständlichen Waren im Zeitpunkt ihrer Verarbeitung bei der beklagten Partei, also in Österreich. Es entspricht nun der herrschenden Rechtsprechung (SZ. XVIII 92, 3 Ob 380/56 u. v. a., auch Klang 2. Aufl. II 286, 2 b, zu § 415 ABGB.), und der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, hievon abzugehen, daß der Eigentumsvorbehalt an verbrauchbaren, zur Weiterveräußerung oder Verarbeitung bestimmten, beweglichen Sachen nur bis zum Verbrauch, zur Weiterveräußerung oder zur Verarbeitung zulässig und wirksam, im Moment der Weiterverarbeitung also erloschen ist, so daß die beklagte Partei demnach durch die Verarbeitung der klagegegenständlichen Sachen Eigentümerin der daraus entstandenen neuen Sachen geworden ist. Die Vollzugsanweisung vom 16. Juni 1920, BGBl. Nr. 320, über den Eigentumsvorbehalt an ausländischen Rohstoffen, die unter der Voraussetzung der Eintragung in ein bei der Handelskammer geführtes Register hievon abweichende Bestimmungen traf, wurde durch Art. 13 Z. 7 der 4. EVzHGB. aufgehoben.

Aber selbst wenn man annehmen wollte, daß die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit im Verhältnis untereinander unter Umständen von der allgemeinen Norm, abweichende Bestimmungen auch über die Eigentumsverhältnisse an beweglichen Sachen nach erfolgter Verarbeitung treffen könnten, so wäre damit für die klagende Partei nichts gewonnen; denn da über das Vermögen der beklagten Partei das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde, das unbestrittenermaßen noch nicht beendet ist, und das vorliegende Begehren der klagenden Partei auf ihr behauptetes Eigentumsrecht an den angeführten Gegenständen trotz bereits erfolgter Verarbeitung der gelieferten Rohstoffe gestützt wird, würden die klagegegenständlichen Sachen, falls das von der klagenden Partei behauptete Eigentumsrecht anerkannt würde, aus dem Vermögen des Ausgleichsschuldners ausscheiden, und der klagenden Partei würde an den betreffenden Sachen ein Aussonderungsrecht im Sinne der §§ 11, 46 Abs. 1 AO. zustehen. Die klagende Partei hat sich dies in der Klage ausdrücklich vorbehalten. Entsprechend dem nicht nur auf dem Gebiet des Eherechtes, sondern sinngemäß allgemein anzuwendenden § 18 der 4. DVzEheG. ist aber die Anwendung ausländischer Rechte dann ausgeschlossen, wenn sie gegen den Zweck eines österreichischen Gesetzes verstoßen würde (SZ. XXV 103 u. a.; Walker - Verdross - Drossberg - Satter a. a. O. 220 f.); einer der wichtigsten Zwecke der AO. (ebenso der KO.) ist aber der Schutz der Gläubiger, die durch das Ausscheiden der klagegegenständlichen Sachen aus dem Vermögen des Ausgleichsschuldners geschädigt würden. Die Frage, ob der klagenden Partei im Ausgleichsverfahren der beklagten Partei ein ein solches Aussonderungsrecht begrundendes Eigentumsrecht an den klagegegenständlichen Sachen zusteht, kann daher - da es sich hier um die Rechte der übrigen Ausgleichsgläubiger, also dritter Personen, handeln würde - trotz einer zwischen den Parteien getroffenen, abweichenden Vereinbarung hinsichtlich deren sachenrechtlicher Auswirkung immer nur nach dem Recht der gelegenen Sache, also diesfalls nach österreichischem Recht, beurteilt werden (vgl. 3 Ob 380/56). Nach österreichischem Recht ist aber im Sinne der herrschenden Rechtsprechung - wie bereits oben angeführt - der Eigentumsvorbehalt der klagenden Partei jedenfalls durch die Verarbeitung der gelieferten Rohstoffe erloschen, so daß die beklagte Partei Eigentümerin der daraus neu entstandenen Sachen geworden ist. Damit ist dein auf das behauptete Eigentumsrecht der klagenden Partei an den gegenständlichen Sachen gestützten Klagebegehren im vorliegenden Fall jedenfalls der Boden entzogen.

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