OGH 5Ob168/61

OGH5Ob168/6131.5.1961

SZ 34/88

Normen

ABGB §433
GBG §32 Abs1 lita
Grundverkehrsgesetz für Niederösterreich §1
ABGB §433
GBG §32 Abs1 lita
Grundverkehrsgesetz für Niederösterreich §1

 

Spruch:

Nach § 433 ABGB. müssen in der Urkunde auch die einzelnen Grundstücke bezeichnet werden.

Ein Grundbuchsgesuch ist abzuweisen, wenn um die Genehmigung der Grundverkehrskommission nicht angesucht wurde und der Grundbuchsrichter Zweifel hat, ob das Grundstück land- oder forstwirtschaftlich genutzt wird.

Entscheidung vom 31. Mai 1961, 5 Ob 168/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Mit dem Kaufvertrag vom 21. März 1960 veräußerte Mathilde P. die ihr gehörige Liegenschaft EZ. 1147 KG. M., Haus KNr. 409, an ihre Tochter Erika H. gegen Zahlung einer lebenslänglichen Leibrente von 1500 S monatlich und behielt sich ein lebenslängliches unentgeltliches Wohn- und Benützungsrecht vor.

Das Erstgericht bewilligte die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Erika H. ob dieser Liegenschaft.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es das Grundbuchsgesuch abwies.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erika H. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 94 Abs. 1 Z. 3 GBG. 1955 ist die angesuchte Eintragung nicht zu bewilligen, wenn das Begehren durch die beigebrachten Urkunden nicht begrundet erscheint. Ein solches Bedenken - meint das Rekursgericht - liege vor, weil die Liegenschaft gegen Zahlung einer Leibrente von 1500 S monatlich veräußert und gleichzeitig ein Kaufpreis von 180.000 S vereinbart worden sei. Der Oberste Gerichtshof kann diese Auffassung nicht teilen. Wohl sagt die als Kaufvertrag bezeichnete Urkunde, daß der Kaufpreis 180.000 S betrage. Sie fährt aber fort, daß dieser Kaufpreis in Form einer der Verkäuferin auf Lebenszeit zu leistenden monatlichen Leibrente von 1500 S abzustatten sei, und fügt bei, daß diese Zahlungen mit dem Ableben der Verkäuferin ihr Ende finden, daß sie aber weiterhin auf Lebensdauer zu entrichten seien, wenn sie die Höhe des Kaufpreises, d. h. des Betrages von 180.000 S, übersteigen sollten. Aus dieser Formulierung ergibt sich mit hinlänglicher Deutlichkeit, daß eine Veräußerung der Liegenschaft gegen Leistung einer Leibrente auf Lebenszeit der Verkäuferin vereinbart wurde. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes besteht kein Zweifel an der Bestimmtheit der Einwilligung der Vertragsteile in den Vertrag (§ 869 ABGB.).

Die Abweisung des Gesuches ist aber aus den folgenden, bereits vom Rekursgericht aufgezeigten Gründen gerechtfertigt:

Nach § 433 ABGB. muß die Urkunde die genaue Angabe der Liegenschaft, die übergeben werden soll, mit ihren Bestandteilen enthalten. Die Lehre hat diese Vorschrift unter Hinweis auf das Grundbuchsgesetz (§ 32 Abs. 1 lit. a) bagatellisiert. So meint Bartsch (Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz in seiner praktischen Anwendung, 7. Aufl. S. 151), zur Bezeichnung der Liegenschaft samt ihren Bestandteilen werde in der Regel die Angabe der Einlagezahl genügen, weil sich nach § 3 GBG. jede Eintragung auf den ganzen Grundbuchskörper zu erstrecken habe und eine Grundbuchseinlage nach § 4 AllgGAG. nur einen Grundbuchskörper enthalten dürfe. Überdies habe das Gutsbestandsblatt nach § 7 AllgGAG. auch die Bestandteile des Grundbuchskörpers anzugeben, so daß trotz der bloßen Angabe der Einlagezahl in der Urkunde kein Zweifel entstehen könne, welche Liegenschaft und in welchem Umfang sie den Gegenstand des Vertrages bilde. Ganz ähnlich meint Klang 2. Aufl. II 364 f. unter Berufung auf die angeführte Stelle bei Bartsch, es genüge nach dem Grundbuchsgesetz im allgemeinen die Anführung der Grundbuchseinlage, welche eine ausreichende Wesensbezeichnung darstelle. Diese Auffassung der Lehre haben sich die Grundbuchsgerichte fallweise zueigen gemacht, und es sind ihr auch in einzelnen Entscheidungen die Rekursgerichte gefolgt (vgl. die Entscheidungen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien EvBl. 1950 Nr. 344 und EvBl. 1950 Nr. 435 sowie die in der NotZ. 1957 S. 129 von Staufer glossierte Entscheidung des Kreisgerichtes Wels NotZ. 1957 S. 106). Hingegen haben die Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien NotZ. 1930 S. 89, NotZ. 1930 S. 95 und NotZ. 1930 S. 167 ausgesprochen, daß in Kaufverträgen, die mehrere Parzellen umfassen, diese angeführt sein müssen. In der bei Sattlereters - Dittrich, GBG., bei § 32 GBG. unter Nr. 4 und bei Wegan, Das Grundbuchsrecht, bei § 32 GBG. unter Nr. 1 angeführten, aber unrichtig mit EvBl. 1951 Nr. 119 zitierten Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien wird ausgesprochen, daß bei Vorhandensein von mehr als einer Parzelle einer Einlagezahl die genaue Angabe aller Parzellennummern notwendig sei. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung ZBl. 1929 Nr. 91 nur gesagt, es wurde den Bestimmungen der §§ 85 GBG. und 433 ABGB. genügt. Die Parzelle sei durch die Anführung des Hauses Nr. 110 hinreichend bezeichnet, wenn auch die Parzellennummer ausgeblieben sei, weil das Haus ohne die Bauarea nicht verkauft werden könne. Zu der Frage, ob bei einer Veräußerung einer Liegenschaft mit mehreren Grundstücken die Anführung der Einlagezahl ausreiche, hat der Oberste Gerichtshof bisher nicht Stellung genommen.

Klang und Bartsch übersehen, daß ihre Auffassung sich mit der Absicht des Gesetzgebers nicht deckt. Die vor Inkrafttreten der III. Teilnovelle zum ABGB. geltende Bestimmung des § 435 ABGB. spricht von der Sache mit ihren Grenzen. Der § 17 der III. TN. legte die Fassung des § 433 ABGB. dahin fest, daß die Urkunde die Liegenschaft mit ihren Bestandteilen zu enthalten habe. Die Materialien zur III. Teilnovelle sagen ausdrücklich, daß die Vorschriften des ABGB. über die Erfordernisse der Beurkundung des Erwerbsgeschäftes, wie sie die §§ 432 bis 435 geben, eine allgemeine grundsätzliche Bedeutung erhalten, die über das Grundbuchsrecht hinaus reicht. Sie können daher auch nicht völlig dem Grundbuchsrecht überlassen werden. Diese aus den Materialien hervorgehende Absicht des Gesetzgebers läßt die Ansicht, daß die Anführung der Einlagezahl bei Veräußerungen genüge, nicht haltbar erscheinen, und es geht daher auch nicht an, diese Ansicht aus den Vorschriften des Grundbuchsgesetzes und den Bestimmungen des Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes abzuleiten. Die strikte Einhaltung der Bestimmung des § 433 ABGB. dient der Klarstellung der Rechtsbeziehungen. Läßt man die Anführung der Einlagezahl bei Veräußerungsgeschäften genügen, dann kann dies unter Umständen weittragende Folgen für den Veräußerer, für den Erwerber, ja auch für Dritte haben. Das haben an einzelnen Beispielen Edtstadler (Die mildere Auffassung, NotZ, 1959 S. 117) und Schmelz (§ 433 ABGB. in der Rechtsprechung und Praxis, NotZ. 1958 S. 21) aufgezeigt. Auch Staufer (Bemerkungen zu § 433 ABGB., NotZ. 1957 S. 129) hat sich unter Hinweis auf die Motivenberichte gegen die sogenannte mildere Praxis bei der Anwendung des § 433 ABGB. gewendet. Der Oberste Gerichtshof schließt sich diesen gegen die oben wiedergegebene Lehrmeinung von Bartsch und Klang und die ihnen gefolgten Entscheidungen geltend gemachten Bedenken an und ist der Ansicht, daß § 433 ABGB. nur so ausgelegt werden kann, daß die Urkunde nicht bloß die Einlagezahl der zu übergebenden Liegenschaft, sondern auch die einzelnen Grundstücke, die Gegenstand des Rechtsgeschäftes sind, zu bezeichnen hat.

Nach § 1 Abs. 1 nö. GVG. vom 19. Juli 1956, LGBl. Nr. 79, bedürfen Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die die Übertragung des Eigentums an einem land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstück zum Gegenstand haben, zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Grundverkehrskommission. Ob ein Grundstück land- oder forstwirtschaftlich genutzt ist, wird nicht nach seiner Bezeichnung im Grundkataster, sondern nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner tatsächlichen Verwendung beurteilt. Wurde um die Genehmigung der Grundverkehrskommission nicht angesucht (§ 12 Abs. 3 und 4 leg. cit.), dann ist das Gesuch abzuweisen, wenn der Grundbuchsrichter Zweifel hat, ob das Grundstück land- oder forstwirtschaftlich genutzt wird (1 Ob 138/56). Die Urkunde selbst (der Kaufvertrag vom 21. März 1960) enthält über die Art der Nutzung der Grundstücke 527/1 Garten und 445 Baufläche nichts. Sie führt ja die einzelnen Grundstücke gar nicht an. Aus der Lagebezeichnung der Liegenschaft allein ergibt sich zumindest für den Rechtsmittelrichter ebensowenig ein ausreichender Anhaltspunkt dafür, daß die Grundstücke nicht der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung unterliegen, wie aus der Berufsbezeichnung der vertragschließenden Parteien im Gesuch und in der Urkunde. Die Urkunde sagt auch nichts über die Größe des veräußerten Gartengrundstückes und der Baufläche, auf der das verkaufte Haus nach dem A-Blatt der Grundbuchseinlage nicht steht. Das A-Blatt weist auch keine Größenangaben der Grundstücke auf. Das Rekursgericht hat daher mit Recht das Einverleibungsgesuch auch aus diesem Grund abgewiesen.

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