OGH 4Ob29/61

OGH4Ob29/612.5.1961

SZ 34/70

Normen

Vertragsbedienstetengesetz 1948 §10
Vertragsbedienstetengesetz 1948 §10

 

Spruch:

Zum Begriff des Fachdienstes nach § 10 VBG. 1948.

Entscheidung vom 2. Mai 1961, 4 Ob 29/61.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger trat am 17. Juni 1940 als Vertragsangestellter beim damaligen Reichsstatthalter für Niederdonau in den öffentlichen Dienst und wurde nach TOA. in V b eingestuft und entlohnt. Am 20. Jänner 1951 wurde der Dienstvertrag zwischen dem Kläger und dem Bundesland Niederösterreich erneuert, und es wurde das Dienstverhältnis rückwirkend ab 27. April 1945 dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 unterstellt, wobei die Beschäftigung des Klägers als "mittlerer technischer Dienst" bezeichnet und die Entlohnung nach Schema I, Entlohnungsgruppe d, festgelegt wurde. Am 1. Juni 1959 wurde der Kläger ohne Ablegung einer Fachprüfung in die Entlohnungsgruppe c überstellt, da die beklagte Partei mit Rücksicht auf das hohe Lebensalter und aus sozialen Gründen von dieser Prüfung Abstand nahm. Am 31. Dezember 1959 endete das Dienstverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze.

Der Kläger meint, er sei von Anfang an in die Entlohnungsgruppe c einzustufen gewesen, und verlangt demgemäß einen Entgeltunterschied für die Zeit vom 1. Jänner 1957 bis 31. Dezember 1959 von insgesamt 21.010 S 50 g.

Das Erstgericht sprach diesen Betrag zu.

Das Berufungsgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein gab der Berufung nicht Folge und bestätigte das Ersturteil "unter Bedachtnahme auf die Einschränkung auf den Grund des Anspruches mit der Maßgabe, daß es zu lauten hat: Das Klagebegehren auf Zahlung der Gehaltsdifferenzen vom 1. Jänner 1957 bis 31. Dezember 1959 zwischen den tatsächlich erhaltenen (Entlohnungsschema I, Entlohnungsgruppe d 16 bis 18 des § 10 VBG. 1948) und den zustehenden (Entlohnungsschema I, Entlohnungsgruppe c 18 bis 20 des § 10 VBG. 1948) Bezügen besteht dem Gründe nach zu Recht."

Hinsichtlich der von den Untergerichten der "Entlohnungsgruppe c - Fachdienst" rechtlich zugeordneten Tätigkeit des Klägers steht folgendes fest:

Nach 1945 mußte der Kläger eine sogenannte Generalstraßenkarte von Niederösterreich und eine Straßenkarte aller Bundesstraßen im Land Niederösterreich, die damals eine Gesamtlänge von 2800 km aufwiesen, herstellen, wozu er als Basis die Straßenkarte 1 : 75.000 verwendete. Diese vom Kläger hergestellte Karte diente später seiner Dienststelle als Grundlage für die weitere Herstellung solcher Karten. Diese Generalstraßenkarte legte der Kläger auftragsgemäß im Maßstab 1 : 200.000 insoweit selbständig an, als es ihm überlassen blieb, die Karte so einzurichten, daß etwaige spätere Veränderungen leicht eingetragen werden konnten. Auch die spätere Evidenthaltung hat der Kläger besorgt. Alle diese Obliegenheiten erfüllte er zur vollsten Zufriedenheit seiner Dienststelle. Die Hauptaufgabe des Klägers bestand darin, während seiner gesamten Dienstzeit die Einzeichnung der Bundesstraßen im Land Niederösterreich in ein sogenanntes Straßenband vorzunehmen, welches karteimäßig für je 5 bis 6 km Straßenlänge bei einer derzeitigen Gesamtlänge von 3160 km geführt wurde. In diese Karte wurden auf Grund der Angaben auswärtiger Straßenaufnahmen und Vermessungsdaten für jeden einzelnen Kilometer alle Besonderheiten, wie Belag, Breite, Einmundungen, Unterbauten, Brücken und Überführungen eingezeichnet und den jeweiligen Veränderungen entsprechend in Evidenz gehalten. Neben dieser seiner Hauptaufgabe oblag dem Kläger auch die Führung eines Bildarchivs, die Überwachung der Herstellung von Formularen und die rechnerische Überprüfung einlaufender Anbote von Baufirmen auf deren ziffernmäßige Richtigkeit. Diese letztgenannte Tätigkeit beanspruchte den Kläger jeweils im Frühjahr zwei Monate und im Herbst einen Monat. Während des restlichen Jahres war der Kläger zu etwa 70% mit zeichnerischen Arbeiten beschäftigt und verwendete den Rest der Zeit auf Kollationierungen und andere Arbeiten. Schließlich hatte der Kläger auch jährlich einen Bericht an das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau über den Ausbauzustand der Bundesstraßen in Niederösterreich vorzubereiten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Richtig ist es, daß der Rechtsbegriff "Fachdienst" vom Vertragsbedienstetengesetz 1948 nicht bestimmt wird. Sein Inhalt muß daher aus dem Zusammenhang dieses Gesetzes entnommen werden, wobei auch sinngemäß § 6 GÜG. und die Dienstzweigeverordnung BGBl. 1948 Nr. 164 zu berücksichtigen sind. Danach bestehen insgesamt fünf Entlohnungsgruppen, nämlich: a) höherer Dienst, b) gehobener Fachdienst, c) Fachdienst, d) mittlerer Dienst, e) Hilfsdienst. Dieser Einteilung entsprechen die Verwendungsgruppen A bis E des § 6 GÜG. für öffentlich-rechtliche Bedienstete. Bei diesen gehören der Verwendungsgruppe A die Akademiker, der Verwendungsgruppe B die Maturanten an. Überdies wird sowohl die Verwendungsgruppe B gleich der Entlohnungsgruppe b als "gehobener Fachdienst" bezeichnet. Wenn sodann noch eine Verwendungsgruppe C bzw. eine Entlohnungsgruppe c besteht, so kann in dieser keine Tätigkeit mehr verlangt und erwartet werden, die in der Regel nur ein absolvierter Mittelschüler zu leisten vermag. Es muß vielmehr ein geringeres Allgemeinwissen, etwa jenes, das ein Hauptschüler erwirbt, und ein entsprechendes hinzukommendes Fachwissen sowie eine dieser Bildung entsprechende Tätigkeit ausreichen. Legt man diesen Maßstab an, so ist bei der festgestellten Tätigkeit des Klägers nicht zu erkennen, daß die Untergerichte bei ihrer Einordnung in die Verwendungsgruppe c geirrt hätten.

Wenn die beklagte Partei meint, daß deswegen, weil der Lehrplan für Zeichenunterricht in den Hauptschulen die Tätigkeit "ähnliche Figuren vergrößern und verkleinern" vorsehe, das Übertragen einer Karte aus dem Maßstab 1 : 75.000 in jenen 1 : 200.000 keine Fachtätigkeit sei, so kann ihr nicht gefolgt werden. Daß die Übertragung von Landkarten in andere Maßstäbe in den Hauptschulen gelehrt werde, behauptet die beklagte Partei selbst nicht. Darin, daß er diese nicht durch die allgemeine Schulbildung vermittelte Tätigkeit geleistet hat, liegt aber eben die fachliche Arbeit des Klägers. Dazu kommt, daß der Kläger nicht nur eine schematische Übertragung vorgenommen hat, sondern, wie feststeht, die Karte so weit selbständig anlegte, als es ihm überlassen blieb, sie so einzurichten, daß etwaige spätere Veränderungen leicht eingetragen werden konnten. Ferner hat sogar diese vom Kläger hergestellte Karte später seiner Dienststelle als Grundlage für die weitere Herstellung solcher Karten gedient. Daß der Kläger die Straßen - wie in der Revision behauptet wird - unsachgemäß maßstabwidrig gezeichnet und daß er später bloß Veränderungen des Bodenbelags eingetragen hätte, steht nicht fest. Es ist im Gegenteil festgestellt worden, daß der Kläger alle Obliegenheiten zur vollen Zufriedenheit seiner Dienststelle erfüllte. Die festgestellten Tätigkeiten des Klägers, nämlich die Anlegung einer Straßenkarte für alle Bundesstraßen in Niederösterreich im Maßstab von 1 : 200.000 auf der Grundlage einer Karte 1 : 75.000, wobei diese Karte später als Muster verwendet wurde, sowie Eintragungen und Evidenthaltungen der Straßen einschließlich ihres Zustandes auf dieser Karte sind nach dem Vorgesagten von den Untergerichten mit Recht als solche des Fachdienstes und nicht bloß des mittleren Dienstes rechtlich gewertet worden.

Auf die Ausführungen in der Revision, die an die Aussage des Zeugen Dr. K. anknüpfen, ist nicht einzugehen, weil sie teils die Beweiswürdigung der Untergerichte bekämpfen, teils einen Sachverhalt, der nicht festgestellt ist, in den Prozeß einzuführen versuchen. Letzteres ist umso weniger zulässig, als in der Revision gar nicht die Mängelrüge erhoben wurde.

Des weiteren ist auch die vom Kläger durchgeführte Kontrolle von Anboten als fachliche Tätigkeit zu werten. Es ist dabei nicht so, daß es bloß darauf ankäme, "unter Zuhilfenahme der Grundrechnungsarten Addition und Multiplikation die in den Anboten der Firmen aufscheinenden Ziffern nachzuprüfen". Gerade die vorgelegte Anbotsabrechnung, auf die sich die beklagte Partei in der Revision beruft, zeigt, daß es sich um ein sehr umfängliches und nicht leicht überblickbares Rechenwerk handelt, wozu - wie gleichfalls in der Revision ausgeführt wird - kommt, daß es der Zweck der Tätigkeit des Klägers war, "einer von manchen Firmen vielleicht sogar absichtlich geübten Gepflogenheit, niedrigere Anbotsummen vorzutäuschen, begegnen zu können". Seine diesbezügliche Arbeit erforderte daher sowohl Fachkenntnisse wie auch eine erhebliche Kritikfähigkeit. Auch diese Tätigkeit ist daher als solche des Fachdienstes zu beurteilen.

Da sohin der Kläger - jedenfalls überwiegend - Arbeiten des Fachdienstes geleistet hat, ist seine Einstufung in die Entlohnungsgruppe c gerechtfertigt und daher die Revision unbegrundet. Die Festsetzung der Entlohnungsstufen durch das Berufungsgericht hat die beklagte Partei nicht bekämpft.

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