Normen
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §61
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §61
Spruch:
Hat ein Miteigentümer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, dann besteht keine Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber den anderen Miteigentümern.
Entscheidung vom 19. April 1961, 3 Ob 460/60.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Johann und Marie F. leben in Gütergemeinschaft und sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 31 KG. S. Sie hatten ihren Besitz bei der Beklagten gegen Feuer versichert. Am 12. April 1958 geriet das versicherte Wirtschaftsgebäude in Brand. Johann F. wurde wegen Brandlegung strafgerichtlich verurteilt. Das Strafverfahren gegen die Miteigentümerin Marie F., die jetzige Klägerin, wurde eingestellt. Die Klägerin hat die gesetzliche Verwaltungsmacht ihres Mannes nicht förmlich widerrufen.
Die Klägerin begehrt in der am 13. Juni 1959 eingebrachten Klage von der Beklagten den auf sie entfallenden halben Ersatzbetrag aus der Feuerversicherung in der Höhe von 8130 S s. A. Die Beklagte stellte die Höhe des Klagsbetrages außer Streit, bestritt aber das Begehren der Klägerin dem Grund nach, behauptete, daß die Klägerin den Brand dadurch mitverschuldet habe, daß sie sich bei der Verwaltung der Liegenschaft einer ungeeigneten Person, nämlich ihres Mannes, bediente und nicht verhinderte, daß ihr Mann den Brand legen konnte; die Beklagte sei von der Verpflichtung zur Leistung zur Gänze frei, da Johann F. als Vertreter der Klägerin (Repräsentant) den Brand vorsätzlich verursacht und die Klägerin grob fahrlässig die Brandlegung durch ihren Gatten nicht verhindert habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin als "Mitversicherte" ihres Mannes hafte für das Verschulden ihres Gatten als ihres gesetzlichen Vertreters, so daß bei der festgestellten schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles durch, den Ehegatten der Klägerin die beklagte Partei auch gegenüber der Klägerin von jeder Haftung aus dem Versicherungsvertrag befreit sei. Da nach Lehre und Rechtsprechung infolge Eintritts der Repräsentantenhaftung der Klägerin für das Verschulden ihres Mannes an der Brandlegung ein Anspruch gegenüber der beklagten Partei auf Zahlung einer Versicherungssumme nicht bestehe, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt zurück. Es bestehe entgegen der Meinung des Erstgerichtes und der beiden Parteien, die auch in ihren Rechtsmittelschriften das Problem der Repräsentantenhaftung in den Vordergrund stellten, im konkreten Fall gar kein Anlaß, zu diesem Problem Stellung zu nehmen, weil der Anwendung der Repräsentantentheorie, selbst wenn man diese für das österreichische Versicherungsrecht für vertretbar halten wollte, der entscheidende Umstand entgegenstehe, daß der Ehemann der Klägerin "Miteigentümer" der Liegenschaft ist. Der Miteigentümer ist nach Lehre und Rechtsprechung vollständiger Eigentümer seines Anteils. Er kann über diesen frei verfügen (§ 829 ABGB.). Sicherlich hätte die Klägerin in bezug auf ihren Liegenschaftsanteil die Verwaltungsberechtigung des Ehemannes widerrufen können, damit hätte sie aber nicht verhindert, daß sich ihr Ehemann als Miteigentümer an der Verwaltung der Liegenschaft beteiligte, daß er weiter auf der Liegenschaft wohnte und lebte und daß er schließlich das Wirtschaftsgebäude in Brand steckte. Es stand ihr auf das Verhalten ihres Ehemannes kein Einfluß zu; dieser hatte schon mit Rücksicht auf die ihm auf Grund seines Miteigentumsrechtes zustehenden Verwaltungsbefugnisse freie Hand. Ein Widerruf seiner Verwaltungsbefugnisse in bezug auf den Liegenschaftsanteil der Klägerin hätte daran nichts geändert. Bei der vorliegenden Beweislage könne ohne nähere Aufklärung des Sachverhaltes nicht ohne weiteres als erwiesen angenommen werden, daß beide Ehegatten den Versicherungsvertrag im Jahre 1952 und im Jahre 1956 bei der beklagten Anstalt abgeschlossen haben. Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, daß neben der Klägerin auch der Ehemann als Versicherungsnehmer anzusehen war, dann wäre das Klagebegehren nicht begrundet, denn in einem solchen Falle würde das schuldhafte Verhalten des Ehemannes auch gegen die Klägerin selbst wirken.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Klägerin machte in ihrer Klage einen Anspruch als Versicherungsnehmerin geltend, wie sich entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes eindeutig aus der Klagserzählung, insbesondere aber aus der Berufung auf die Feuerversicherungspolizze L 874.548 ergibt, in der als Versicherungsnehmer Johann F. und die Klägerin angeführt sind. Die Beklagte hat ausdrücklich zugegeben, daß die Klägerin und Johann F. die ihnen eigentümlich gehörige Liegenschaft bei ihr gegen Feuerversichert haben. Auch wenn es richtig wäre, daß Johann F. allein den späteren Versicherungsantrag unterschrieben hat, der zur Ausstellung der neuen Polizze für ihn und die Klägerin als Versicherungsnehmer geführt hat, so könnte dies nur dahin verstanden werden, daß er den Versicherungsantrag nicht nur im eigenen Namen, sondern auch als Vertreter der Klägerin als seiner damaligen Ehegattin unterschrieben hat, wozu er auch berechtigt gewesen wäre, und die Beklagte dies auch so aufgefaßt hat, da sie sonst die neue Versicherungspolizze nicht auf beide Ehegatten als Versicherungsnehmer ausgestellt hätte. Dazu kommt noch, daß in der Polizze ausdrücklich vermerkt ist: Ersatz der Polizze Nr. L 862.190/XII, die nach der Behauptung der Klägerin gleichfalls auf Johann und Marie F. lautete, was von der Beklagten auch nicht bestritten wurde. Es ist daher bei der rechtlichen Beurteilung davon auszugehen, daß die Klägerin und ihr Gatte Johann F. Versicherungsnehmer bei der Feuerversicherung der Beklagten waren. Es bedarf daher aus diesem Grund keiner Aufhebung es erstgerichtlichen Urteils.
Versichern Miteigentümer eine ihnen gehörige Liegenschaft gegen Feuer, so spricht die Vermutung für eine Versicherung des eigenen Eigentumsinteresses, also bei Miteigentümern des eigenen Miteigentümerinteresses (Dgl. Prölß, VersVG., 12. Aufl. S. 208, Vorbem. vor § 51 VersVG. Anm. 3). Es ist dabei ohne Bedeutung, ob für jeden Miteigentümer als Versicherungsnehmer eine gesonderte Polizze für die ganze Liegenschaft ausgestellt wurde oder ob unter Anführung aller Miteigentümer als Versicherungsnehmer eine einheitliche Polizze ausgestellt wird. Es tritt im letzten Fall nicht eine versicherungsrechtliche Interessengemeinschaft ein, mit der entgegen dem Versicherungsvertragsgesetz besondere Rechtsfolgen verbunden wären. Daran ändert auch eine Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten nichts. Die Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten bildet nach der herrschenden Lehre in Österreich einen Fall schlichten Miteigentums, bei dem allerdings die Aufhebung während der Dauer der Ehe ausgeschlossen ist (vgl. Klang 2. Aufl. II 150, ferner ebendort III 1090). Es ist kein Grund vorhanden, Ehegatten, die in Ehepakten eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden und auf den Todesfall vereinbart haben, in versicherungsrechtlicher Hinsicht anders zu behandeln als Ehegatten, die keine Gütergemeinschaft vereinbart haben. Es kommen daher auch bei Ehegatten, die Miteigentümer einer Liegenschaft und Versicherungsnehmer sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie eine Gütergemeinschaft vereinbart haben oder nicht, bei der Feuerversicherung für eine Leistungsfreiheit des Versicherers die Bestimmungen des § 61 VersVG. 1958 genau so zur Anwendung wie bei fremden Miteigentümern einer Liegenschaft, die eine Feuerversicherung abgeschlossen haben. Ist der Versicherer einem der Miteigentümer gegenüber wegen eines durch diesen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfalles von der Leistung frei, so kann er sich aus diesem Grund noch nicht auf eine Leistungsfreiheit gegenüber den anderen Miteigentümern berufen, wenn diese nicht auch bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls vorsätzlich oder grob fahrlässig mitgewirkt haben. Dies gilt auch, wenn Ehegatten als Miteigentümer einer Liegenschaft Versicherungsnehmer sind. Der Versicherer könnte sich nur durch ausdrückliche Aufnahme einer diesbezüglichen Bestimmung in den Versicherungsvertrag gegen die Haftung gegenüber allen Miteigentümern bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls auch nur durch einen der Miteigentümer schützen, da § 61 VersVG. 1958 einverständlich auch zu Ungunsten der Versicherungsnehmer abgeändert werden kann. Bei einer Feuerversicherung durch Miteigentümer kann aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch einen Miteigentümer bei Fehlen besonderer Vereinbarungen noch nicht eine Leistungsfreiheit des Versicherers auch gegenüber, dem anderen oder den anderen Miteigentümern gefolgert werden (vgl. GlUNF. 3587).
Die Beklagte hat im Rekurs die Frage der Repräsentantenhaftung nicht mehr releviert, doch soll im Rahmen der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung noch zu dieser Frage Stellung genommen werden. Die Beklagte behauptete als Versicherer aus dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung, also deshalb, weil im vorliegenden Fall Johann F. als Verwalter der ganzen Liegenschaft, sei es im Sinne des § 1238 ABGB. oder im Sinne des § 837 Satz 2 ABGB., Repräsentant der Klägerin als Hälfteeigentümerin gegenüber der Beklagten gewesen sei und als solcher den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe, auch der Klägerin gegenüber nach § 61 VersVG. 1958 leistungsfrei zu sein. Die Behandlung der Frage der Repräsentantenhaftung ist in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Ehegatte Repräsentant der Ehefrau ist (vgl. GlUNF. 3587, Rspr. 1931 Nr. 288, SZ. XVI 213 = Rspr. 1934 Nr. 359 (mit ablehnender Besprechung von Wahle); Prölß a. a. O. S. 66 ff. zu § 6 VersVG. Anm. 8 B; Wahle in ZVR. 1959 S. 61 ff. und 85 ff.).
Die Frage, ob dem österreichischen Versicherungsrecht im allgemeinen eine Repräsentantenhaftung fremd ist (s. Wahle a. a. O.), braucht im vorliegenden Fall nicht untersucht zu werden. Johann F. war hier keinesfalls Repräsentant der Klägerin, denn es kann unmöglich in der Vertretungsmacht eines gesetzlichen Vermögensverwalters liegen, einen Schaden absichtlich herbeizuführen, etwa, wie hier, das verwaltete Haus in Brand zu stecken. Eine Repräsentantenhaftung in diesem Fall anzunehmen, würde bedeuten, eine Stellvertretung auch hinsichtlich vorsätzlich deliktischer Handlungen anzuerkennen, was von der Rechtsprechung stets abgelehnt wurde. Der Oberste Gerichtshof kann die damit im Widerspruch stehende Rechtsansicht der Entscheidung Rspr. 1931 Nr. 288 nicht mehr aufrechterhalten.
Da die Klägerin an dem Versicherungsfall kein Verschulden trifft, wird dem Klagebegehren stattzugeben sein.
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