OGH 2Ob91/61

OGH2Ob91/6117.3.1961

SZ 34/45

Normen

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §269 Abs1 Z1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §269 Abs1 Z1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332

 

Spruch:

Auch der Abfindungsbetrag nach § 269 Abs. 1 Z. 1 ASVG. ist eine "Leistung" im Sinne des § 332 ASVG.

Entscheidung vom 17. März 1961, 2 Ob 91/61.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach dem unbestrittenen Parteienvorbringen ist der Gatte der Erstklägerin am 9. Juli 1956 in W. bei einem Zusammenstoß des von ihm gelenkten PKWS. mit dem vom Zweitbeklagten gelenkten, dem Erstbeklagten gehörigen Reiseomnibus tödlich verunglückt; die Erstklägerin wurde schwer verletzt. Die Erstklägerin hat die ihr zustehenden Ersatzansprüche gegen die Beklagten mit der vorliegenden Klage erhoben; über sie wurde bereits rechtskräftig entschieden. Die Zweitklägerin (Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) hat gemäß § 332 ASVG. den Ersatz der Abfindung verlangt, die sie nach § 269 Abs. 1 Z. 1 ASVG. an die Erstklägerin in der Höhe von 10.152 S zu leisten hatte; nur dieser Betrag ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Erstgericht gab der Klage der Zweitklägerin in vollem Umfang statt. Der Verunglückte habe aus seinem Unternehmen monatlich 2000 S für sich und seine Gattin entnommen; hievon habe er die Hälfte für seine Gattin verwendet. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten hätten ihn genötigt, das Unternehmen in etwa 5 Jahren aufzulösen; dann hätte er ein Einkommen aus unselbständiger Arbeit von monatlich 1000 S erzielen können, wovon ihm 700 S verblieben wären; die Hälfte davon, das sind 350 S, hätte er zum Unterhalt seiner Gattin verwendet; sein Lebensende wäre für den 2. Juli 1974 zu erwarten gewesen. Unter Berücksichtigung des gleichteiligen Mitverschuldens ergebe sich somit ein Ersatzanspruch der Erstklägerin für die Zeit vom 9. Juli 1956 bis zum 8. Juli 1961 von monatlich 500 S und späterhin bis zum 2. Juli 1974 von monatlich 175 S; in diesen bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüchen finde der Abfindungsbetrag volle Deckung.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil. Es hat die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich übernommen und in rechtlicher Beziehung die Auffassung des Erstgerichtes gebilligt, jedoch mit der Abweichung, daß der Verunglückte auch dann, wenn ihm nur seine, Arbeitskraft als einzige Einkommensquelle zur Verfügung gestanden wäre, der Gattin jedenfalls mindestens 350 S monatlich seit dem Unfallstag an Unterhalt geleistet hätte; auch in diesen geringeren Ansprüchen von monatlich 175 S (bei Berücksichtigung seiner Mitverschuldensquote) finde der auf die Zweitklägerin übergegangene Anspruch seine volle Deckung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten meinen, der Anspruch auf Abfindung gemäß § 269 Abs. 1 Z. 1 ASVG. sei eine Art Beitragserstattung, die zwar nicht ident sei mit der früher in der Bestimmung des § 1309a RVO. vorgesehenen "Beitragserstattung", aber im Gründe denselben Zweck verfolge, nämlich eine Bereicherung des Sozialversicherungsträgers zu verhindern; eine solche Beitragserstattung stehe außerhalb des Geltungsbereiches des § 332 ASVG. und könne vom Sozialversicherungsträger nicht gegen den Ersatzpflichtigen geltend gemacht werden. Dieser Meinung kann nicht beigetreten werden. Nach § 332 ASVG. gehen die Ansprüche des Beschädigten gegen den Schädiger auf den Sozialversicherungsträger so weit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Da das Gesetz nicht unterscheidet, muß angenommen werden, daß die Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers in Ansehung aller seiner Pflichtleistungen wirkt, die er auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes an den Versicherten oder seine Hinterbliebenen zu erbringen hat. Die Frage, ob die Leistung des Abfindungsbetrages im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle als Befriedigung des dem Beschädigten - unabhängig von den Beitragsleistungen des Versicherten - gewährten Anspruches mit Unterhaltscharakter oder - wie die Beklagten meinen - als Beitragsrückerstattung zur Verhinderung einer Bereicherung des Sozialversicherungsträgers zu beurteilen ist, kann demnach hier auf sich beruhen.

Die Beklagten halten das angefochtene Urteil ferner für rechtsirrtümlich, weil es die Prüfung der zeitlichen Übereinstimmung der Ersatzleistung und der Unterhaltsansprüche unterlassen habe. Auch diese Ansicht greift nicht durch. Der Grundsatz der kongruenten Deckung verlangt - abgesehen von der Gleichartigkeit der Ansprüche, die nach dem Vorgesagten nicht zweifelhaft sein kann -, daß der Sozialversicherungsträger die Leistung in dem Zeitraum zu gewähren hat, für den bürgerlich-rechtliche Ansprüche bestehen. Dies trifft, wie die Untergerichte mit Recht angenommen haben, im vorliegenden Fall zu; denn die vom Sozialversicherungsträger der hinterbliebenen Witwe gewährte Versorgung geht nicht über den Zeitraum hinaus, für den nach den getroffenen Feststellungen auch Unterhaltsansprüche der Witwe bestehen. Auf welchen Zeitabschnitt sich die Abfindungssumme verteilt, ist nicht entscheidend; es kann vielmehr dabei sein Bewenden behalten, daß die Abfindungsleistung einerseits und der Ersatzanspruch andererseits einander in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang gegenüberstehen. Jedenfalls ist ein Dreimonatszeitraum, wie er für die Berechnung des Sterbequartals oder Todfallsbeitrages in Betracht kommt, im Gesetz ebensowenig vorgesehen wie das Erfordernis, daß es sich um eine Übergangsmaßnahme handelt; daß sie eine solche für die ihres Ernährers beraubten Hinterbliebenen darstellen soll, wie es in der Regierungsvorlage heißt, hat im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden.

Aber auch der letzte Einwand, das mitwirkende Verschulden des Getöteten sei unberücksichtigt geblieben, geht ins Leere. Wie der Oberste Gerichtshof in SZ. XXVI 87 und in zahlreichen weiteren Entscheidungen ausgesprochen hat, ist das Mitverschulden des Geschädigten insoweit zu berücksichtigen, als zunächst sein Verschuldensanteil von dem ihm erwachsenen Schaden zu ermitteln und von der ermittelten Differenz die Leistung des Sozialversicherungsträgers in Abzug zu bringen ist. Die Mitverschuldenseinrede des Schädigers ist unbeachtlich, wenn der auf den Versicherungsträger gemäß § 332 ASVG. übergegangene Anspruch niedriger ist als der von dem Beschädiger an den Beschädigten zu zahlende Schadenersatzbetrag (SZ. XXVII 68). Die Untergerichte haben festgestellt, daß der Erstklägerin aus dem Titel der Unterhaltsleistung Schadenersatzansprüche in einem die Pflichtleistung der Zweitklägerin wesentlich übersteigenden Ausmaß zustehen. Damit ist dem schon erwähnten Grundsatz der kongruenten Deckung entsprochen, daß der Ersatzanspruch des Geschädigten nur übergeht, soweit der Sozialversicherungsträger in dem gleichen Zeitraum, für den die Ersatzansprüche entstehen, Leistungen zu gewähren hat und soweit die Ansprüche, die dem Verletzten einerseits gegen den Versicherungsträger, andererseits gegen den Haftungspflichtigen zustehen, ihrer Art nach gleich sind.

Die Untergerichte haben also zutreffend ausgesprochen, daß die Abfindung als Ersatz für die entfallende Unterhaltsleistung gewährt wurde. Die Zweitklägerin konnte daher den Ersatz der Abfindung verlangen, weil diese in dem um den Mitverschuldensanteil gekürzten Betrag der Unterhaltsleistung für den gleichen Zeitraum Deckung findet.

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