Normen
Mietengesetz §19 Abs2 Z11
Mietengesetz §19 Abs6
Mietengesetz §19 Abs2 Z11
Mietengesetz §19 Abs6
Spruch:
Ein vor dem Tod des Mieters abgegebener Verzicht des Eintrittsberechtigten auf sein Eintrittsrecht ist unwirksam.
Entscheidung vom 11. Jänner 1961, 1 Ob 487/60.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht erklärte die auf § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. gestützte Aufkündigung des Bestandvertrages über die Wohnung Nr. 27 im Haus S.-Gasse 44 für rechtswirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die Revision zu.
Festgestellt ist folgender Sachverhalt:
Hauptmieterin der Wohnung war Theresia D., die am 18. September 1959 gestorben ist. Im Zeitpunkt des Todes wohnte mit ihr im gemeinsamen Haushalt ihre Tochter Leopoldine P.
Aus Anlaß eines Kündigungsverfahrens wegen unleidlichen Verhaltens der damals ebenfalls in der gekundigten Wohnung wohnenden Tochter der Leopoldine P., Elfriede B., und ihres Gatten fand eine Besprechung zwischen dem Kläger einerseits und der Theresia D. und Leopoldine P. anderseits statt, wobei zwischen dem Kläger und Leopoldine P. die schriftliche Vereinbarung vom 6. Dezember 1949 folgenden Inhaltes zustande kam:
"Ich, Leopoldine P., verzichte ausdrücklich hiemit auf irgendwelche wie immer geartete Mietrechte in bezug auf die Wohnung meiner Mutter nach deren allfälligem Ableben."
Ein Widerruf dieser Erklärung seitens des Klägers ist nicht erfolgt.
In rechtlicher Hinsicht führten die Untergerichte übereinstimmend aus:
Die Erklärung der Leopoldine P. könne nur dahin verstanden werden, daß sie damit auf die ihr gemäß § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. zukommenden Mietrechte an der Wohnung im Falle des Todes ihrer Mutter verzichtete. Dieser Verzicht sei gültig, weil gemäß § 19 Abs. 6 MietG. nur ein Verzicht auf den Kündigungsschutz gegenüber dem Vermieter ungültig sei, Räumungsverpflichtungen gegenüber anderen Personen dieser Beschränkung aber nicht unterlägen. Leopoldine P. sei damals zum Kläger in keinerlei Rechtsbeziehungen gestanden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und hob die Aufkündigung in Abänderung der untergerichtlichen Urteile auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 19 Abs. 6 MietG. ist eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht in einem weiteren als dem im Gesetz bestimmten Maß zustehen solle, ungültig. Diese Bestimmung ist zwingendes Recht. Voraussetzung ist also, daß die Vereinbarung mit dem Vermieter getroffen wird. Diese Voraussetzung ist gegeben, da der Kläger Vermieter der Wohnung ist. Die in Frage stehende Vereinbarung bedeutet eine Erweiterung des gesetzlichen Kündigungsrechtes des Vermieters, weil diesem damit das Kündigungsrecht ohne Rücksicht auf das in § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. normierte Eintrittsrecht der im gemeinsamen Haushalt mit der Mieterin wohnenden Leopoldine P. eingeräumt wird. Allerdings war diese im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht Mieterin der Wohnung. Sie hatte aber schon damals ein Anwartschaftsrecht auf Eintritt in die Mietrechte an der Wohnung, da sie mit ihrer Mutter in gemeinsamem Haushalte wohnte. Nach der Absicht des Gesetzes muß dem Anwartschaftsberechtigten derselbe Schutz wie dem Mieter zugebilligt werden, weil sonst der Zweck der Bestimmung, gewissen begünstigten Personen die Wohnung des Mieters zu erhalten, leicht vereitelt werden könnte. Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht auch die Bestimmung, daß der Eintritt der begünstigten Person in die Mietrechte dann nicht erfolgt, wenn diese binnen 14 Tagen nach dem Tod des Mieters dem Vermieter erklärt, daß sie das Mietverhältnis nicht fortsetze. Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung MietSlg. 699 spricht nicht dagegen, sondern unterstützt die hier vertretene Ansicht. Ihr lag der Sachverhalt zugrunde, daß zwischen dem Mieter der Wohnung und seiner Gattin vereinbart wurde, daß letztere im Falle des Todes des Mieters die Wohnung den Töchtern des Mieters überlasse und sie zu räumen habe. Diese Vereinbarung wurde aus dem Grund für rechtswirksam erkannt, weil sie keinen Verzicht auf den Kündigungsschutz gegenüber dem Vermieter enthalte, welcher ungültig wäre, sondern weil es sich um eine Räumungsverpflichtung gegenüber einer anderen Person als dem Vermieter handelte. Der vorliegende Fall ist daher von jenem gänzlich verschieden.
Zusammenfassend ergibt sich, daß die in Rede stehende Vereinbarung ungültig ist. Daraus folgt, daß Leopoldine P. in die Mietrechte ihrer Mutter eingetreten und der Kündigungstatbestand des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. nicht gegeben ist.
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