OGH 1Ob489/60

OGH1Ob489/6011.1.1961

SZ 34/4

Normen

ABGB §1109
ABGB §1117
ABGB §1419
ABGB §1109
ABGB §1117
ABGB §1419

 

Spruch:

Bei ungerechtfertigter Weigerung des Bestandgebers, nach Vertragsauflösung den Bestandgegenstand wieder zu übernehmen, geht die Gefahr zufälligen Unterganges oder zufälliger Beschädigung des Bestandgegenstandes auf den Bestandgeber über.

Entscheidung vom 11. Jänner 1961, 1 Ob 489/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Berufungsgericht hob mit seinem Beschluß vom 9. Juli 1959 das erstgerichtliche Urteil vom 18. März 1959 insoweit auf, als es die Beklagten zur Rückzahlung eines weiteren Betrages von 40.000 S verurteilte und die weiteren von den Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen von 20.000 S für gestohlenes und verschwundenes Inventar, ferner von 20.000 S für Bauschäden als nicht zu Recht bestehend erkannte; es wies in diesem Umfang die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Dem Rekurs gegen diesen Aufhebungsbeschluß gab der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom 7. Oktober 1959, 1 Ob 299/59, nicht Folge.

Mit dem Endurteil vom 12. Mai 1960 erkannte das Erstgericht nach Einschränkung der Klage, daß das Begehren der Kläger wider die Beklagten auf Zahlung von 15.000 S zu Recht bestehe, die Gegenforderungen der Beklagten von 20.000 S für gestohlenes, abhandengekommenes und verschmutztes Inventar sowie von weiteren 20.000 S für Bauschäden dagegen nicht zu Recht bestunden, die Beklagten daher zur ungeteilten Hand schuldig seien, den Klägern 15.000 S samt 4% Zinsen aus 40.000 S vom 29. Mai 1956 bis 7. März 1960 und aus 15.000 S seit 8. März 1960 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen. Die Parteien stellten außer Streit, daß es sich bei den Schäden am Pachtobjekt um Gebäude- und Beraubungsschäden handelt, die erst nach dem 29. Mai 1956 entstanden sind, ferner daß die Kläger den Beklagten erstmals mit Schreiben vom 9. März 1956 die vorzeitige Aufhebung des Vertrages erklärten und sie aufforderten, das Bestandobjekt zu übernehmen, welche Erklärung den Beklagten zugegangen ist, schließlich daß die Beklagten die Übernahme des Bestandobjektes verweigerten. Hiezu stellte das Erstgericht fest:

Inhaltlich des Vertrages war vereinbart, daß das Pachtverhältnis am 1. Jänner 1955 beginnen sollte. Eine Genehmigung zur Verpachtung der zum Gewerbebetrieb gehörigen Konzession lag zu dieser Zeit noch nicht vor, sollte aber durch die Beklagten bei der Gewerbebehörde eingeholt werden. Auf Grund des Berichtes der Stadtgemeinde B. vom 22. März 1956 fand eine Besichtigung des Pachtobjektes durch die Gewerbebehörde am 2. Mai 1956 statt. Dabei konnte festgestellt werden, daß das Pachtobjekt den Erfordernissen des § 18c GewO. nicht entspricht, weshalb die Kommission anordnete, daß die Führung des Betriebes so lange untersagt bleibe, als nicht den im Bescheid angeführten Instandsetzungsaufträgen entsprochen sei. Der bau- und sanitätspolizeiliche Zustand, wie er am 2. Mai 1956 angetroffen wurde, war auch schon bei Eingehen des Pachtvertrages vorhanden.

Bereits in dem durch den Obersten Gerichtshof bestätigten Teilurteil des Berufungsgerichtes sei, so führt das Erstgericht aus, in rechtlicher Hinsicht angenommen worden, daß das Pachtobjekt zumindest ab 2. Mai 1956 zum bedungenen Gebrauch untauglich geworden war. Darüber hinaus müsse sogar angenommen werden, daß das Pachtobjekt schon bei Eingehung des Vertrages unbrauchbar war. Die Kläger seien daher berechtigt gewesen, die Auflösung des Vertrages zu erklären. Bereits vom Zeitpunkt der einseitigen, zugangsbedürftigen Erklärung gelte der Vertrag als aufgehoben; von diesem Zeitpunkt an seien die Beklagten zur Zurücknahme des Pachtobjektes verpflichtet gewesen. Alle aus der Verletzung dieser Verpflichtung sich ergebenden Schäden fielen daher den Beklagten zur Last. Irrig sei die Meinung der Beklagten, daß die Kläger zur Obsorge für das Pachtobjekt bis zur Rechtskraft des Urteils, das die Vertragsaufhebung ausspreche, verpflichtet gewesen wären. Da die Beklagten dem Begehren auf Übernahme der Liegenschaft nicht nachkamen, seien sie in Annahmeverzug geraten, womit die Gefahr einer zufälligen Beschädigung des Bestandstückes auf sie übergegangen sei. Da ein Schaden erst nach dem 29. Mai 1956 eintrat, komme eine Haftung der Kläger für den Schaden nicht in Frage; die Gegenforderung bestehe daher nicht zu Recht. Dagegen bestehe die Forderung der Kläger auf Rückzahlung der restlichen 15.000 S infolge der Vertragsaufhebung zu Recht, weshalb dieser Betrag samt stufenweisen Zinsen aus 40.000 S zuzuerkennen gewesen sei.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht lehnte die Rechtsansicht der Beklagten ab, daß während der Dauer der Streitanhängigkeit über die Frage der Berechtigung des klägerischen Wandlungsanspruchs die Klager als Besitzer der Sache alle Vorteile des Bestandobjektes genössen und auch alle Gefahren zu tragen hätten. Das Bestandverhältnis könne nach § 1117 ABGB. vom Bestandnehmer bei Zutreffen gewisser Voraussetzungen vorzeitig gelöst werden. Der Bestandnehmer könne auf Grund der Abstehungserklärung auf Übernahme der Bestandsache klagen, aber auch die Klage auf Aufhebung des Bestandvertrages einbringen. Die Aufhebung sei bereits vom Zeitpunkt dieser Erklärung an und nicht erst vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an wirksam. Das hierüber ergehende Urteil sei nur deklarativer Natur; es löse nicht den Bestandvertrag auf, sondern stelle nur dessen Auflösung fest. Das Bestandverhältnis finde daher durch die dem Gegner zugegangene Auflösungserklärung sein Ende. Spätestens die vorliegende Klage, welche auf Aufhebung des Pachtvertrages und Übernahme der Liegenschaft durch die Beklagten gerichtet gewesen sei, müsse als Auflösungserklärung aufgefaßt werden. Die Folge der Beendigung des Bestandverhältnisses sei die Verpflichtung des Bestandnehmers, die Sache wieder zurückzustellen (§ 1109 ABGB.), und die entsprechende Verpflichtung des Bestandgebers zur Zurücknahme der Bestandsache. Komme er dieser Aufforderung ohne Grund nicht nach, so gerate er in Annahmeverzug; die Gefahr des zufälligen Unterganges oder der zufälligen Beschädigung des Bestandobjektes gehe nunmehr auf ihn über (§ 1419 ABGB.). Davon abgesehen, wäre es durch nichts begrundet, den Klägern, die wegen Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes kurz nach Beginn der Vertragsdauer vom Vertrag abzustehen erklärten, die Verpflichtung aufzuerlegen, das unbrauchbare, mit Bauschäden behaftete Bestandobjekt weiterhin für die von vornherein gar nicht absehbare Dauer des Prozesses in ihre Obsorge zu übernehmen. Die Beklagten hätten kein Risiko übernommen, wenn sie das Bestandobjekt zurückgenommen hätten, da die Kläger ohnedies einen Betrag von 80.000 S als Zinsvorauszahlungen und als Kaution geleistet hatten. Wenn die Beklagten behaupteten, sie seien infolge angegriffener Gesundheit und Alters nicht imstande gewesen, die Liegenschaft von den Klägern zu übernehmen, so seien sie darauf zu verweisen, daß es für die Frage des Gefahrenüberganges wegen Annahmeverzuges der Bestandgeber rechtlich nichts zu bedeuten habe, ob die zur Rücknahme Verpflichteten an der Verzögerung ein Verschulden trifft oder nicht. Es genüge, daß das Erfüllungshindernis auf ihrer Seite eingetreten sei. Außerdem hätte jedenfalls die Möglichkeit einer Übernahme durch eine dritte Person, wie etwa den Hausverwalter der Beklagten, Ing. G., bestanden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wie Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 391 zu § 1419 ABGB. richtig bemerkt, spricht sich das Gesetz nicht darüber aus, worin die widrigen Folgen des Gläubigerverzuges bestehen. Hinsichtlich des Gefahrüberganges erinnert der Autor zunächst an § 1311 ABGB. Liegt Gläubigerverzug vor, wird der die Sache treffende Zufall (zufälliger Untergang, zufällige Verschlechterung) vom Vermögen des Gläubigers getragen. Annahmeverzug der Beklagten ist gegebenenfalls erwiesen; mit diesem Verzug fallen die widrigen Folgen des § 1419 ABGB. auf sie (SZ. XIX 58). Bei Annahmeverzug des Gläubigers hat der Schuldner wohl das Recht, nicht aber die Pflicht zur Hinterlegung oder Einleitung der Verwahrung gemäß § 1425 ABGB. (JBl. 1953 S. 569, GerH. 1935 S. 67, SZ. V 330, GlU. 14841). § 1425 ABGB. gewährt also dem Schuldner das Recht auf gewisse Befreiungshandlungen, doch besteht keine Rechtspflicht des Schuldners zur Wahrung der Gläubigerbelange (SZ. XIX 58); zumindest fehlt eine allgemeine Bestimmung für gegenseitige Verträge (Gschnitzer a. a. O. 392 f.). Im vorliegenden Fall war spätestens mit Beginn des Prozesses, wie das bisherige Prozeßergebnis klargestellt hat, das Recht der Kläger auf Abstehung vom Vertrag gegeben und ausgeübt worden. Da der im Annahmeverzug befindliche Gläubiger zu beweisen hat, daß eine inzwischen eingetretene Unmöglichkeit der Leistung von Inventargegenständen - nur in bezug auf Inventar wird die Feststellung des Nichtbestehens einer Gegenforderung in concreto noch bekämpft - durch ein Verschulden der Kläger entstanden ist, haben die Untergerichte mangels eines solchen Beweises mit Recht die Annahme des Bestehens von Gegenforderungen abgelehnt. Ob und aus welchen Gründen die Beklagten an der Rückübernahme des Pachtgegenstandes persönlich gehindert wurden, spielt für die Frage der Verzugsfolgen keine Rolle, weil diese auch dann eintreten, wenn den Gläubiger am Verzug kein Verschulden trifft. Wohl ist es richtig, daß mit der Kündigung oder mit Ablauf der Bestandzeit oder mit der Auflösungserklärung gemäß § 1117 ABGB. der Besitz im Bestandrecht noch nicht beendet wird, wohl aber bei Aufgeben des Besitzwillens (Ehrenzweig 2. Aufl. I/2 S. 82). Letzteres ist festgestellt. Wenn Punkt 4 des Pachtvertrages besagt, daß das Inventar bei Beendigung des Pachtverhältnisses in gleicher Stückzahl und Qualität zurückzustellen ist, und zwar unter Außerachtlassung der normalen Abnützung, so kann daraus nichts zugunsten der Beklagten abgeleitet werden, weil eben die rechtswirksame Aufhebung und damit Beendigung des Bestandverhältnisses spätestens mit Einbringung der vorliegenden Klage und der Verzug der Beklagten in der Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Rückübernahme des Bestandgegenstandes als erwiesen angenommen wurden. Der Umstand, daß bei der schließlichen Übernahme des Bestandgegenstandes durch die Beklagten und damit auch des Inventars der Vertreter der Kläger mitwirkte, ändert nichts an den Verzugsfolgen.

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