OGH 3Ob482/60

OGH3Ob482/603.1.1961

SZ 34/1

Normen

ABGB §1327
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §152
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §158c
ABGB §1327
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §152
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §158c

 

Spruch:

Bei Tötung haftet der Ersatzpflichtige nicht für die zur Zeit der Schadenszufügung rückständigen Unterhaltsbeiträge.

Hat der Versicherungsnehmer mit Hilfe des versicherten Kraftfahrzeuges den Schaden vorsätzlich herbeigeführt, dann besteht kein Anspruch nach § 158c VersVG. 1958 gegen den Versicherer.

Entscheidung vom 3. Jänner 1961, 3 Ob 482/60.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger brachte nachstehenden Sachverhalt vor: In der Nacht vom

20. zum 21. Mai 1960 sei es zwischen seinem Vater Johann B. und dem Beklagten zu einem Streit gekommen, in dessen Verlauf der Beklagte seinen Personenkraftwagen bestiegen habe. Obwohl der Beklagte gesehen habe, daß sich Johann B. an die linke Fensteröffnung gehängt habe, sei er weggefahren, wodurch Johann B. mitgeschleift und getötet worden sei. Der Kläger sei am 15. August 1944 geboren und daher noch nicht selbsterhaltungsfähig. Sein Vater sei an Unterhaltsbeträgen bis 1. Juli 1960 10.285 S schuldig gewesen. Laut Beschluß des Bezirksgerichtes Birkfeld vom 17. Februar 1960 sei er ab 1. Februar 1960 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von 300

S verpflichtet gewesen. Der Kläger begehrte daher Zuspruch des Betrages von 10.285 S und mit Wirkung vom 1. August 1960 einer monatlichen Rente von 300 S. Mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte seinen Wohnsitz im Ausland habe, beantragte der Kläger eine einstweilige Verfügung durch Anordnung der Verwahrung des vom Landesgericht Feldkirch sichergestellten Kraftwagens.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung. Es sprach aus, daß sie erst in Kraft trete, bis der Wagen vom Strafgericht freigegeben werde, und richtete an das Landesgericht Feldkirch (Untersuchungsrichter) das Verbot, den Wagen dem Beklagten herauszugeben. Es nahm den Anspruch auf Grund des Strafaktes als bescheinigt an und verwies im übrigen auf die Bestimmung des § 379 Abs. 2 Z. 2 EO., wonach eine Gefahrbescheinigung nicht erforderlich sei, wenn die Exekution im Ausland vollzogen werden müßte.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es stellte auf Grund der gepflogenen Erhebungen fest, daß der fragliche Wagen bei der S.-Unfall-Versicherungsgesellschaft Winterthur - gemeint ist wohl gegen Haftpflicht - versichert sei und der Beklagte eine sogenannte grüne Versicherungskarte besitze, nach der die A.-Unfall- und Schadenversicherungsgesellschaft in Wien daraus hafte. Der allfällige Anspruch des Klägers sei daher hinlänglich gedeckt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei teilweise Folge und bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruches des Klägers auf Zahlung des Betrages von 600 S samt4% Zinsen seit 1. Juli 1960 und auf Zahlung einer monatlichen Rente von 300 S ab 1. August 1960 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit; er wies aber den Antrag, eine solche einstweilige Verfügung auch zur Sicherung des Anspruches des Klägers auf Zahlung von weiteren 9685 S zu erlassen, ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat sich, da es die Voraussetzungen des § 379 Abs. 2 Z. 2 EO. nicht für gegeben erachtete, mit der Frage der Anspruchsbescheinigung nicht befaßt, so daß der Oberste Gerichtshof auch darauf einzugehen hat.

Der Beklagte hat den Ausspruch des Erstgerichtes, daß durch den Strafakt das Verschulden des Beklagten am Tod des Vaters des Klägers bescheinigt sei, nicht weiter bekämpft. Das Erstgericht begrundet aber in keiner Weise, wieso sich daraus ein Anspruch des Klägers ergebe. Die Forderung kann nur auf § 1327 ABGB. gestützt werden. Nach dieser Bestimmung hat der Schuldtragende den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, alles, was ihnen dadurch entgangen ist, zu ersetzen. Aus der Anführung der Unterhaltspflichtigen ergibt sich, daß es sich um Unterhalts- oder diesen gleichgestellte Forderungen handeln muß. Es kann gewiß nicht bestritten werden, daß eine Forderung auf Zahlung rückständigen Unterhalts ebenfalls eine Unterhaltsforderung ist. Dies ergibt sich schon aus § 6 Abs. 1 LohnpfändungsG., wonach Unterhaltsrückständen unter gewissen Beschränkungen Bevorzugungen im Exekutionsverfahren zukommen. Entscheidend ist aber, daß § 1327 ABGB. es darauf abstellt, ob der Verstorbene zur Zeit, als er die tödliche Verletzung empfing - nach anderer Ansicht, als er starb -, unterhaltspflichtig war oder werden konnte (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 633; Wolff in Klang 2. Aufl. VI 149, u. a.). Ist der Angehörige des Getöteten zur Zeit der Beschädigung bereits selbsterhaltungsfähig, so steht ihm auch dann kein Anspruch zu, wenn noch Unterhaltsrückstände aushaften. Es ist nicht einzusehen, warum anders entschieden werden müßte, wenn noch für die Zukunft Unterhalt zu zahlen wäre. Daraus, daß das Gesetz nicht etwa bestimmt, daß der Schädiger die dem Getöteten obliegenden Unterhaltsschulden zu erfüllen habe, sondern daß er, wenn der Verstorbene zur Zeit der Zufügung der Verletzung unterhaltspflichtig war, den Hinterbliebenen das Entgangene ersetzen muß, folgt, daß sich diese Schadenersatzpflicht nur auf diejenigen Unterhaltsbeträge bezieht, die der Beschädigte nach dem Zeitpunkt, zu welchem er starb, hätte zahlen müssen.

Das Erstgericht hat sich auch nicht mit der Frage befaßt, ob der Kläger überhaupt noch unterhaltsberechtigt ist. Nach seiner Behauptung in der Klage wurde der Unterhaltsbetrag ab 1. Februar 1960 mit 300 S monatlich festgesetzt. Aus dem Zeugnis des Bezirksgerichtes Birkfeld vom 8. Juli 1960 ergibt sich, daß der Kläger am 15. August 1944 geboren ist und ihn das Vormundschaftsgericht noch nicht für selbsterhaltungsfähig hält. Damit ist auch diese Voraussetzung des Anspruches, nämlich die Unterhaltspflicht des Getöteten, hinlänglich bescheinigt. Der Kläger kann etwa in der Lehre oder in einer anderen Berufsausbildung stehen. Keineswegs kann gesagt werden, daß ein 16 Jahre alter Jugendlicher in der Regel schon selbsterhaltungsfähig sei.

Der Anspruch ist daher hinsichtlich der seit dem dem Todestag des Johann B. folgenden Monatsersten zu leistenden Rente, nicht aber hinsichtlich der Unterhaltsrückstände bescheinigt.

Das Rekursgericht hält eine Gefährdung der Hereinbringung der Ansprüche des Klägers im Hinblick auf die Haftung einer inländischen Versicherungsanstalt nicht für gegeben. Die Frage, ob im Fall des § 379 Abs. 2 Z. 2 EO. der ausländische Wohnsitz allein genügt oder überdies geprüft werden muß, ob im Inland Vermögen vorhanden ist und deshalb ein Rechtsschutzinteresse mangelt, ist strittig. Nach der Darstellung der Klage und nach dem Strafakt könnte im vorliegenden Fall dem Beklagten aber Vorsatz zur Last fallen; die Versicherungsanstalt könnte dies einwenden, selbst wenn der Beklagte nur wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens verurteilt oder gar freigesprochen werden würde. Sie haftet gemäß § 152 VersVG. 1958 nicht für einen Schaden, der vom Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeigeführt wurde. Auf § 158c VersVG. 1958 könnte sich der Kläger ihr gegenüber nicht berufen. Diese Bestimmung betrifft Fälle der Leistungsfreiheit. Auch wenn man nicht der von Prölß, VersVG., 11. Aufl. S. 465, vertretenen Ansicht folgt, daß es sich um Fälle handeln müsse, in welchen das Gesetz das Wort "leistungsfrei" gebraucht, so handelt es sich bei § 152 VersVG. 1958 doch nicht um den Fall einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, sondern um eine Festlegung des Umfanges der Haftung des Versicherers überhaupt. Die Bestimmungen der §§ 53 ff. KFG. 1955 über die Verbindlichkeit der Haftpflichtversicherung schützen gegen die typischen Gefahren des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen, nicht aber gegen Verbrechen, die mit einem Kraftfahrzeug begangen werden. Es steht daher nicht fest, ob die Haftpflichtversicherung im vorliegenden Fall dem Kläger Deckung für seinen Anspruch bieten wird. Auf die weitere Frage, ob die Versicherungssumme im Hinblick auf etwaige andere darauf erhobene Ansprüche ausreichend ist, war demnach nicht einzugehen. Der Beklagte gibt selbst als seinen Wohnsitz im Ausland St. Gallen, Schweiz, an und erklärte im Rekurs, es sei auch richtig, daß er sich nach Aufhebung der Haft ins Ausland begebe.

Die einstweilige Verfügung war also zugunsten des Anspruches für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 1960, somit hinsichtlich des Betrages von 600 S, und zur Sicherung des Anspruches auf Zahlung eines monatlichen Betrages von 300 S ab 1. August 1960 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zu bewilligen. Auf die Frage des Mitverschuldens sowie des Zeitpunktes des Eintrittes der Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers konnte hier nicht eingegangen werden. Darüber wird im Rechtsstreit, allenfalls im Verfahren über den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung, zu entscheiden sein.

Der Kläger hat zur Sicherung seines Anspruches lediglich Verwahrung des Kraftwagens beantragt. Das Erstgericht durfte daher nicht außerdem ein Drittverbot erlassen. Was den Betrag betrifft, bei dessen Erlag der Vollzug der einstweiligen Verfügung unterbleibt, ist der Oberste Gerichtshof davon ausgegangen, daß mangels anderer Behauptungen angenommen werden muß, daß der Kläger mit Erreichung des 18. Lebensjahres selbsterhaltungsfähig sei und die etwaige Rente nur bis zu diesem Zeitpunkt zu leisten sein wird.

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