OGH 1Ob287/60

OGH1Ob287/609.11.1960

SZ 33/123

Normen

ABGB §870
ABGB §870

 

Spruch:

Listige Irreführung des Käufers eines Musikautomaten durch den Vertreter der Verkäuferin kann auch gegen das Finanzierungsinstitut, das den Vertreter in seinem Interesse handeln läßt, eingewendet werden.

Entscheidung vom 9. November 1960, 1 Ob 287/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Auf Grund des am 3. August 1958 von der Klägerin, einem Finanzierungsinstitut, ausgestellten und von der Beklagten und ihrem Gatten Josef F. angenommenen Wechsels erließ das Erstgericht den Wechselzahlungsauftrag über den Betrag von 61.449 S 40 g gegen beide Ehegatten. Nachdem diese Einwendungen erhoben hatten, hielt das Erstgericht den Wechselzahlungsauftrag hinsichtlich des Betrages von 51.449 S 90 g, auf den eingeschränkt worden war, gegen beide Beklagte aufrecht.

Infolge Berufung der Beklagten erklärte das Berufungsgericht das gegen Josef F. ergangene Urteil und das vorausgegangene Verfahren für nichtig und wies die Wechselklage gegen ihn wegen örtlicher Unzuständigkeit des Handelsgerichtes Wien zurück. Dieser Beschluß ist rechtskräftig geworden. Hinsichtlich der nunmehr allein beklagten Maria F. bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Nachdem es das Verfahren ergänzt hatte, stellte es abweichend vom Erstgericht fest, daß die Beklagte Inhaberin einer kleinen Jausenstation in T. und Josef F. Monteur sei, daß ein Agent des Horst S., K., in der Jausenstation der Beklagten einen Musikautomaten "Ami", Type H 200, zur Probe habe aufstellen lassen und daß die Beklagte keine betragsmäßig bestimmte Ratenzahlung im Falle des Kaufes des Musikautomaten habe übernehmen wollen, womit der Verkäufer Horst S. schließlich einverstanden gewesen sei. Es sei das jeweilige Einspielergebnis des Automaten als Ratenzahlung vereinbart worden. Die Zahlung der Differenz habe Horst S. übernommen. Deshalb sei auch vereinbart worden, daß ein Vertrauensmann des S. das Inkasso bis zur endgültigen Bezahlung des Musikautomaten durchführen solle, was auch zumindest bis Dezember 1959 geschehen sei. Die Beklagte habe das Einspielergebnis nie auf die Hand bekommen. Nun sei der Kaufvertrag vom 3. August 1958 zwischen Horst S. und dem Ehepaar F. geschlossen und von diesem unterfertigt worden. Der Kaufpreis habe 82.350 S betragen. Als Anzahlung seien 17.350 S geleistet worden. Der Rest sollte in Raten durch dreißig Monate bei Finanzierung mit Inkasso durch die Firma bis zur endgültigen Bezahlung entrichtet werden. Nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages habe Horst S. dem Ehepaar F. noch mehrere andere Urkunden zur Unterfertigung vorgelegt, wobei er erklärt habe, dies sei nur eine Formsache, die notwendig sei, damit er schnell einreichen könne und den Kredit bewilligt erhalte. Im Vertrauen auf diese Zusicherung hätten beide die weiteren Urkunden, insbesondere den Kaufantrag an die Klägerin und den Anhang dazu, nicht durchgelesen. Die Urkunden seien nicht ausgefüllt gewesen. Nach den Geschäftsrichtlinien der Klägerin habe S. nicht im Besitz der Formblätter sein sollen. Er habe sie von Leopold R., dem Salzburger Vertreter der Klägerin, der damit pflichtwidrig gehandelt habe, erhalten. S. habe dann den Kaufantrag, den Anhang dazu und die Übernahmsbestätigung sowie die gleichfalls von Josef und Maria F. unterschriebenen Wechsel und die Auskunftserhebungen an R. weitergegeben, der auf dem Kaufantrag wahrheitswidrig bestätigt habe, daß die Unterschriften des Ehepaares F. in seiner Gegenwart eigenhändig geleistet worden seien. R. habe dann die Urkunden an die Salzburger Repräsentanz der Klägerin übersendet, die den Kredit an S. ausgezahlt habe. Die beiden ersten Raten seien ordnungsgemäß gezahlt worden, jedoch nicht von der Beklagten, sondern von S. Am 15. Juni 1959 habe die Klägerin den Eintritt des Terminsverlustes festgestellt und die gesamte Schuld sofort fällig gestellt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, daß zwischen der Beklagten und Horst S. ein Kaufvertrag über den Musikautomaten zustandegekommen sei. Andererseits sei zwischen der Beklagten als Käuferin einer- und der Klägerin als Verkäuferin andererseits über dasselbe Gerät ein Kaufvertrag geschlossen worden. Die Unterfertigung des Kaufantrages samt Anhang durch die Beklagte sei nicht in der Meinung und Absicht vorgenommen worden, der Klägerin einen Kaufantrag zu stellen sondern in der Absicht, dem Horst S. dadurch die Aufnahme eines Kredites bei der Klägerin zu ermöglichen. Die Beklagte habe sich also in einem Irrtum über den Inhalt der von ihr unterfertigten Urkunde befunden. Dieser Irrtum sei von S. durch dessen listige, den wahren Sachverhalt verschleiernde Angaben veranlaßt worden. S. habe bei der Aufnahme des Kaufantrages zwar für die Klägerin gehandelt, er sei aber dazu nicht berechtigt gewesen, und die Klägerin habe davon auch nichts gewußt. Da S. somit nicht Agent oder Vermittler der Klägerin gewesen sei, habe diese weder seine listigen Vorstellungen zu verantworten, noch sei sie an seine Versprechungen gebunden. Die Beklagte müsse daher den Kaufvertrag mit der Klägerin halten. Diese könne auch den Wechsel gegen sie geltend machen.

Der Oberste Gerichtshof änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Wechselzahlungsauftrag aufgehoben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den Behauptungen der Klägerin handelt es sich um die Hingabe des in Frage stehenden Wechsels durch die Beklagte und ihren Gatten an die Klägerin auf Grund direkter vertraglicher Beziehungen. Die Beklagte war daher im Sinne des Art. 17 WG. 1955 befugt, auf die Einwendungen aus dem Grundgeschäft zurückzugreifen. Die gegenteiligen Ausführungen der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung treffen nicht zu.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes war der Vertreter der Klägerin, R., allerdings nicht unmittelbar am Vertragsabschluß mit den Ehegatten F. beteiligt. Dadurch aber, daß er dem ihm bekannten Horst S. entgegen dem Auftrag der Klägerin Vertragsformulare überließ und die ausgefüllten Formulare ohne weitere Prüfung der Richtigkeit der Ausfüllung übernahm, bediente er sich der Mithilfe des Horst S. beim Abschluß des Vertrages mit dem Ehepaar F. S. ist dadurch entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes in die rechtsgeschäftliche Tätigkeit der durch R. vertretenen Klägerin einbezogen worden und kann daher nicht mehr als außenstehender Dritter angesehen werden, dessen Rechtshandlungen die Klägerin nicht berühren könnten (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 129 f.). Es ist festgestellt worden, daß S. die Beklagte in listiger Weise zur Unterfertigung der Anträge, an die Klägerin veranlaßt hat, ohne daß ihr auch nur im entferntesten klargeworden wäre, daß sie durch die Unterfertigung verschiedener unausgefüllter Formulare in Rechtsbeziehungen zur Klägerin trete. Der Irrtum der Beklagten, die mit der Klägerin einen Kaufvertrag zu Bedingungen, die mit der Abmachung gegenüber Horst S. nicht übereinstimmten, keinesfalls schließen wollte, ist durch S. veranlaßt worden. Gemäß § 871 ABGB. ist in einem solchen Fall ein gültiger Kaufvertrag nicht zustande gekommen, und die Klägerin, die das Geschäft als das ihre ansieht (§ 1016 ABGB.), muß diese Rechtsfolge gegen sich gelten lassen. Daß es sich beim Irrtum der Beklagten um die Hauptsache, nämlich den Abschluß des Vertrages mit der Klägerin überhaupt, oder doch zumindest um eine wesentliche Beschaffenheit des Vertragsinhaltes gehandelt hat, ergibt sich daraus, daß die Beklagte den Kauf des Musikautomaten unter allen Umständen nur unter der Voraussetzung zu schließen bereit war, daß die monatlichen Ratenzahlungen nicht mehr als die jeweiligen Einspielergebnisse des Automaten ausmachten. Mit Rücksicht auf die geringe Größe ihrer Jausenstation wollte die Beklagte nämlich eine ziffernmäßig bestimmte Ratenzahlung nicht auf sich nehmen. Die Klägerin macht aber die angebliche Vereinbarung einer fixen Monatsrate von 2628 S 50 g und den angeblichen Eintritt des Terminsverlustes geltend.

Nach § 871 ABGB. ist das von der Klägerin behauptete Grundgeschäft zwischen den Streitteilen nicht wirksam, und die Klägerin kann deshalb auch den von der Beklagten und ihrem Gatten angenommenen Wechsel vom 3. August 1958 nicht geltend machen.

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