OGH 4Ob124/60

OGH4Ob124/6025.10.1960

SZ 33/112

Normen

ABGB §1151
ABGB §1175
ABGB §1151
ABGB §1175

 

Spruch:

Dienst- oder Gesellschaftsverhältnis bei Lohnschlächterei; Voraussetzungen des Vorliegens einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes.

Entscheidung vom 25. Oktober 1960, 4 Ob 124/60.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die klagende Verlassenschaft nach Heinrich N. behauptet, der am 10. Juli 1955 verstorbene Lohnschlächtermeister Heinrich N. habe bis zu seinem Tod eine Lohnschlächterei betrieben. Die Beklagten hätten als gewinnbeteiligte Arbeitnehmer im Betrieb des Verstorbenen gearbeitet. Heinrich N. sei Alleineigentümer des Unternehmens gewesen. Nach seinem Tod hätten sich die Beklagten den Schlüssel zur Handkasse des Betriebes angeeignet und ihr den Betrag von 56.000 S entnommen. Die Beklagten hätten ferner sämtliche dem Heinrich N. zustehenden Forderungen aus dem Betrieb des Unternehmens einkassiert und das Geld für sich verwendet. Es habe sich dabei mindestens um 110.000 S gehandelt. Die Beklagten hätten dann lediglich 5000 S ausgefolgt, weigerten sich jedoch, weitere Zahlungen zu leisten, so daß sie noch mindestens 161.000 S zurückzahlen müßten. Im Lauf des Verfahrens brachte die klagende Partei noch vor, es habe sich aus dem erstatteten Sachverständigengutachten ergeben, daß entscheidende Unterlagen fehlten. Die beklagten Parteien hätten vermutlich Kenntnis von der Verheimlichung des Vermögens des Erblassers und seien daher zur Vermögensangabe und Eidesleistung nach Art. XLII EGZPO. verpflichtet. Die klagende Partei - deren Klageführung abhandlungsbehördlich genehmigt wurde - stellte das Begehren, die Beklagten seien schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 161.000 S zu zahlen und ferner binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens des Heinrich N. am Todestag als Stichtag anzugeben, welche Beträge von den Beklagten einkassiert wurden und was ihnen von der Verheimlichung dieses Vermögens bekannt sei, sowie einen Eid dahingehend zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig seien.

Die beklagten Parteien beantragten Abweisung des Klagebegehrens. N. sei nicht Alleininhaber des behaupteten Unternehmens gewesen. Zwischen den Beklagten und dem Verstorbenen habe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bestanden. Nur gegenüber den Gewerbe- und Finanzbehörden sei das Unternehmen formell als Einzelunternehmen des N. aufgeschienen. Vereinbarungsgemäß habe N. als Meister 3% des Umsatzes vorwegbekommen. Sodann sei der Gewinn unter den Gesellschaftern einschließlich des N. nach Köpfen aufgeteilt worden. In der Kasse hätten sich beim Tod des N. 49.477 S 30 g befunden. Eingegangen sei ein weiterer Betrag von 50.181 S 74 g. Beide Beträge seien im Betrieb verwendet worden. Mit den gezahlten 5000 S hätten die Beklagten mehr als verpflichtet abgegolten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Beide Vorinstanzen nahmen auf Grund der Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Beweise das Vorliegen einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts an.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache an dieses Gericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im vorliegenden Rechtsstreit ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Beklagten Dienstnehmer des verstorbenen Heinrich N. in dessen Lohnschlächtereibetrieb waren oder ob etwa der Verstorbene und die Beklagten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes hinsichtlich des Betriebes der Lohnschlächterei eingegangen waren, aus der der Verstorbene infolge Todes ausgeschieden ist und die nunmehr von den Überlebenden fortgesetzt wird. Ein schriftlicher Vertrag, der darüber Aufschluß geben könnte, liegt nicht vor. Die Untergerichte nehmen eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes auf Grund der Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Beweise an. Die bisherigen Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um mit Sicherheit die Frage eindeutig lösen zu können, ob ein bloßes Dienstverhältnis mit Gewinnbeteiligung oder ein Gesellschaftsverhältnis vorlag. Eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes liegt vor, wenn eine - sei es auch nur lose - Gemeinschaftsorganisation zum gemeinsamen Wirtschaftsbetrieb vereinbart ist; die jedem Partner gewisse Einwirkungs- oder Mitwirkungsrechte, wenigstens in den wichtigsten Angelegenheiten gewährt (Wahle in Klang 2. Aufl. V 540 ff. zu § 1175 unter VII/1 und 2; SZ. XXIII 48, ArbSlg. 6869 und 6960, ferner 7 Ob 318/57, 3 Ob 252/59 u. a.). Es ist zwar den Untergerichten insoweit zuzustimmen, daß es in erster Linie auf das Innenverhältnis und nicht so sehr darauf ankommt, wie die betriebene Lohnschlächterei etwa gegenüber den Finanz- und Gewerbebehörden in Erscheinung getreten ist. Fehlt es aber überhaupt an einem Einwirkungs- und Mitspracherecht oder stellt sich die Gewährung solcher Befugnisse im Hinblick auf sonstige Vertragsbestimmungen als inhaltslose Form dar, liegt kein Gesellschaftsverhältnis vor (ArbSlg. 6869 u. a.). Feststellungen in der aufgezeigten Richtung und auch über den wahren Parteiwillen fehlen jedoch, obwohl die klagende Partei in den Tatsacheninstanzen, so insbesondere im Berufungsverfahren, dazu Beweise, u. a. darüber angeboten hat, daß zwischen den Beklagten und N. ein Dienstvertrag und kein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden sei, daß die Beklagten keine Einwirkungs- und Mitspracherechte hatten, ihnen auch keinerlei Kontrollrechte zustanden und sie den Anordnungen des N. in jeder Beziehung Folge leisten mußten. Der Betrieb sei unter Eigenverantwortlichkeit von N. als selbständigem Unternehmer geführt worden. Die gesamte Geldgebarung sei von ihm allein und in seinem Namen durchgeführt worden, Bestellungen und Lieferungen seien auf Grund von Rechtsgeschäften erfolgt, die er im eigenen Namen abschloß. N. sei tatsächlich Alleininhaber des Unternehmens gewesen. Diese angebotenen Beweise durfte das Berufungsgericht nicht übergehen, weil die bisherigen Beweisergebnisse zu dürftig sind, um darüber Klarheit zu schaffen, welche Lage im Innenverhältnis in Wahrheit bestand und ob sie dem übereinstimmenden wahren Parteiwillen entsprochen hat. Die Abgrenzung zwischen Gesellschaft und Dienstvertrag ist nicht einfach und kann nur bei Anwendung der bereits aufgezeigten Gesichtspunkte (ArbSlg. 6869; s. auch Wahle a. a. O.) vorgenommen und nicht durch eine, durch die bisherigen Beweisergebnisse nicht gedeckte und überdies auch nicht näher begrundete, Annahme gelöst werden, "es habe eben im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bestanden". Im übrigen wird bei der ergänzenden Prüfung der Rechtsbeziehungen des Heinrich N. zu den Beklagten auch das Außenverhältnis nicht außer acht gelassen werden können. Es wird vielmehr näher zu untersuchen sein, wie das hier in Betracht kommende Unternehmen nach außen hin im geschäftlichen Verkehr in Erscheinung trat und ob etwa aus der äußeren Erscheinungsform und einem damit im Zusammenhang stehenden Verhalten der Beklagten Anhaltspunkte für den wahren Parteiwillen sämtlicher Vertragspartner gewonnen werden können.

Aus den vorstehenden Erwägungen erweist sich daher das angefochtene Urteil sowohl aus dem Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. als auch aus dem des § 503 Z. 4 ZPO. als mangelhaft. Sollte sich im ergänzten Verfahren unter den entwickelten Gesichtspunkten eine Beurteilung in Richtung des Vorliegens einer Erwerbsgesellschaft ergeben, so würden sich damit die klagebegrundenden Tatsachen als unrichtig erweisen, weil Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes und daher auch der Streit der Verlassenschaft nach einem Gesellschafter mit den überlebenden Gesellschaftern nicht vor das Arbeitsgericht gehören (ArbSlg. 6869). Das Klagebegehren wäre daher in diesem Fall abzuweisen (ArbSlg. 6633 u. a.). Sollte jedoch die in der aufgezeigten Weise ergänzte Beweisaufnahme zur Qualifikation als Arbeitsverhältnis führen, wird es noch einer Auseinandersetzung damit bedürfen, ob die Beklagten die von der klagenden Partei behaupteten, dem Erblasser bzw. der Verlassenschaft zustehenden Beträge übernahmen bzw. einkassierten und ob diese Beträge der klagenden Partei ungerechtfertigt vorenthalten werden. Dabei und bei der Prüfung der Rechtfertigung des Begehrens nach Art. XLII EGZPO. wird insbesondere auch zu erwägen sein, ob es nicht etwa auch in dieser Richtung noch einer Beweisergänzung unter Berücksichtigung des Beweisanbotes der klagenden Partei bedarf.

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