Spruch:
Auch der unbedingt erbserklärte Erbe haftet erst nach der Einantwortung für die Verlassenschaftsschulden.
Entscheidung vom 29. September 1960, 5 Ob 331/60.
I. Instanz: Bezirksgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:
Kreisgericht Ried im Innkreis.
Text
Zum Nachlaß des mit Todestag vom 4. Jänner 1943 für tot erklärten Josef E. haben sich die erblasserischen Geschwister Berta Sch., Johann E. und Amalia F. auf Grund des Gesetzes zu je 1/4 unbedingt erbserklärt und beantragt, diese Erbserklärungen zu Gericht anzunehmen. Der erblasserische Bruder Rudolf E. hat nach dem Protokoll vom 3. Februar 1957 gleichfalls eine unbedingte Erbserklärung zu 1/4 auf Grund des Gesetzes abgegeben und deren Annahme durch das Gericht beantragt. Er hat jedoch das Protokoll nicht unterfertigt. Das Bezirksgericht Ried im Innkreis hat sodann mit Beschluß vom 24. April 1958 den Antrag des Rudolf E. auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators abgewiesen und in den Gründen des Beschlusses ausgesprochen, daß die unbedingten Erbserklärungen der vier gesetzlichen Erben und Geschwister des Erblassers (also auch die des Rudolf E.) gemäß § 122 AußStrG. vom Gericht anzunehmen waren. Im Punkt 1 des Beschlusses vom 6. August 1958 hat das Erstgericht unter Hinweis auf die mit dem Beschluß vom 24. April 1958 angenommenen Erbserklärungen das Erbrecht der vier erblasserischen Geschwister für ausgewiesen erachtet. Gleichzeitig erließ das Verlassenschaftsgericht mit einem weiteren Beschluß vom 6. August 1958 die Einantwortungsurkunde, mit der es den vier Geschwistern auf Grund ihrer unbedingten Erbserklärungen den Nachlaß zu je 1/4 einantwortete.
Auf Rekurs der vier erblasserischen Geschwister hob das Rekursgericht beide Beschlüsse vom 6. August 1958 als nichtig auf und sprach aus, daß mangels eines Nachlaßvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde. Der zuletzt angeführte Ausspruch entsprach dem Rekursantrag des Rudolf E. In der Begründung wies das Rekursgericht darauf hin, daß der Erblasser, der nach dem Inhalt der Todeserklärung seine Eltern nicht überlebt habe, von diesen nichts habe erben können. Da außerdem kein Nachlaßvermögen vorhanden sei, habe eine Verlassenschaftsabhandlung zu unterbleiben.
Mit dem Beschluß vom 4. Juli 1960 stellte das Erstgericht den Beschluß vom 24. April 1958 dahin richtig, daß die erblasserischen Geschwister Berta Sch., Johann E. und Amalia F. unbedingte Erbserklärungen abgegeben haben, nicht aber der erblasserische Bruder Rudolf E. Das Erstgericht fügte bei, daß die oben angeführten Erbserklärungen bisher wegen Uneinigkeit der Erben über die ihnen zustehenden Erbportionen noch nicht angenommen worden seien.
Am 7. Juli 1960 beantragte Rudolf E. die Zustellung des Beschlusses über die Annahme der Erbserklärungen seiner Geschwister. Er begrundete diesen Antrag damit, daß er die Beschlußausfertigung benötige, um zur Hereinbringung der ihm zuerkannten Prozeßkosten gegen die genannten Erben Exekution führen zu können (§ 9 EO.).
Das Erstgericht wies diesen Antrag unter Hinweis auf den Beschluß vom 4. Juli 1960 mit Beschluß vom 11. Juli 1960 ab.
Den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht mit der Begründung zurück, daß nur der Erbe ein Recht auf Annahme der von ihm abgegebenen Erbserklärung durch das Gericht habe. Dem Rudolf E. hingegen stehe ein Recht, die Annahme der von seinen Geschwistern abgegebenen Erbserklärungen zu beantragen, nicht zu. Er habe daher auch kein Rekursrecht gegen die Ablehnung seines Antrages. Abgesehen davon sei die Verlassenschaftsabhandlung armutshalber abgetan worden, und es sei daher für ein weiteres Verfahren, zu dem auch die Annahme der Erbserklärungen gehören würde, kein Raum mehr.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Rudolf E. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurswerber leitet seine Legitimation zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 11. Juli 1960 davon ab, daß er den Standpunkt vertritt, die unbedingt erbserklärten Erben hafteten den Nachlaßgläubigern und daher auch ihm, der gegen den Nachlaß in einem Prozeß obsiegt und daher gegen die erbserklärten Erben eine Prozeßkostenforderung habe, ohne Rücksicht darauf, ob die Einantwortung des Nachlasses erfolgt sei oder nicht.
Es ist richtig, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung GlU. 1863 den Rechtssatz geprägt hat, durch die unbedingte Antretung der Erbschaft erhalte der Nachlaßgläubiger den Vorteil vermehrter Sicherheit für seine Forderung, da er nun zwei Schuldner habe, die Verlassenschaft und den Erben. Aber dieser Standpunkt, der allerdings auch von einem Teil der Rechtslehre geteilt wurde (vgl. Neumann - Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung, 3. Aufl. I S. 80), wurde mit Recht heftig bekämpft. Weiß (in Klang, 2. Aufl. III 975) weist zutreffend darauf hin, daß die rechtsgestaltende Wirkung der Erbserklärung in bezug auf die Erbenhaftung nicht sogleich mit ihrer Abgabe und der Annahme durch das Gericht eintrete. Bis zur Einantwortung verbleibe vielmehr der Nachlaß ein dem Erben fremdes Vermögen. Das gelte auch für den Erben, der sich unbedingt erbserklärt habe. Erst mit der Rechtskraft der Einantwortung beginne die Auswirkung der unbedingten oder der bedingten Erbserklärung. Vor der Einantwortung ist daher der Nachlaß nicht Erbenvermögen (s. Weiß a. a. O. 135). Tritt man der zuletzt angeführten Meinung bei, dann hat der Nachlaßgläubiger, dem in einem Prozeß gegen den Nachlaß Prozeßkosten zugesprochen wurden, vor der Einantwortung keine Möglichkeit, diese Kosten im Exekutionsweg von den unbedingt erbserklärten Erben aus deren Vermögen hereinzubringen (s. hiezu auch Weiß a. a. O. 135). Der Oberste Gerichtshof hält daher an der bereits in den Entscheidungen GlUNF. 5756 und 6302 niedergelegten Rechtsansicht fest, daß aus den §§ 550 und 820 ABGB. nur folge, daß der Erbe, gleichgültig, ob er sich bedingt oder unbedingt erbserklärt habe, zur Vertretung des Nachlasses berufen sei, daß aber insbesondere aus § 820 ABGB. die persönliche Haftung des unbedingt erbserklärten Erben vor der Einantwortung nicht abgeleitet werden könne. Mit Recht weist die zuletzt angeführte Entscheidung darauf hin, daß die Bestimmung über die Überlassung der Besorgung und Benützung der Verlassenschaft an den Erben, der sein Erbrecht hinreichend ausgewiesen habe (§ 810 ABGB.), überflüssig, ja geradezu sinnlos wäre, wenn der erbserklärte Erbe vor der Einantwortung eine andere Stellung einnähme als die eines Verwalters und Verwahrers des Nachlasses. Da also vor der Einantwortung dem Verlassenschaftsgläubiger aus der ihm gegen den Nachlaß zustehenden Forderung kein Anspruch auf Befriedigung dieser Forderung aus dem Vermögen des Erben zusteht, ist ihm auch kein Recht auf den Ablauf der Verlassenschaftsabhandlung in der Weise einzuräumen, daß ihm ein Antragsrecht auf Annahme der von den Erben abgegebenen unbedingten Erbserklärungen einzuräumen wäre (in diesem Sinne die Entscheidungen 2 Ob 533/53, 3 Ob 249/55, 3 Ob 326/57 und EvBl. 1954 Nr. 178).
Schließlich spricht noch folgendes gegen die Antragsberechtigung des Rudolf E.: Die bereits erlassene Einantwortungsurkunde wurde vom Rekursgericht mit Beschluß vom 8. September 1958 als nichtig aufgehoben und gleichzeitig ausgesprochen, daß mangels eines Nachlaßvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde. Dieser zuletzt angeführte Ausspruch ist auf den im Rekurs des Rudolf E. dahinlautenden Antrag erfolgt. Damit wurde das Verlassenschaftsverfahren beendet. Zu einer Annahme der Erbserklärung, die ja den Zweck hat, die Einantwortung des Nachlasses an den Erben zu erlangen, besteht daher kein Anlaß. Eine Einantwortung kann aber zumindest auf Antrag des Rudolf E. nicht mehr erwirkt werden, weil er selbst es war, der die Aufhebung der Einantwortungsurkunde und die Abtuung des Nachlasses armutshalber erwirkt hat, und der diesbezügliche Beschluß überdies ihm gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist. Aus diesen Gründen hat das Rekursgericht mit Recht den Rekurs des Rudolf E. zurückgewiesen.
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