OGH 6Ob246/60

OGH6Ob246/6028.9.1960

SZ 33/95

Normen

AktG §110
AktG §114 Abs4
AktG §110
AktG §114 Abs4

 

Spruch:

Zur sogenannten Legitimationsübertragung bezüglich des Stimmrechtes für Aktien (§ 110 AktG.), insbesondere zum sogenannten Depotstimmrecht der Banken (§ 114 Abs. 4 AktG.) und dessen Weiterübertragung.

Entscheidung vom 28. September 1960, 6 Ob 246/60.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Bei der am 22. September 1959 stattgefundenen außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre der beklagten Partei, der T.-AG., stand unter anderem auch die Neuwahl des Aufsichtsrates auf der Tagesordnung. Rechtzeitig deponiert wurden 5746 Aktien, hievon 473 im Eigenbesitz, 5273 im Fremdbesitz. Der Kläger, der im Teilnehmerverzeichnis mit einer im Fremdbesitz befindlichen Aktie aufschien, nahm gleichfalls an der Hauptversammlung teil.

Mit 5559 gegen 5 Stimmen bei 182 Stimmenthaltungen wurden in den Aufsichtsrat laut Vorschlag folgende Personen gewählt: Franz K., Franz M., Rudolf Ko., Dkfm. Georg Ma., Engelbert P., Dipl.-Ing. Felix S., Felix W., Anton B. und Julia H. Die zuletzt genannten vier Personen sind bei der beklagten Aktiengesellschaft hauptberuflich beschäftigt, und zwar Ing. S. als Leiter der technischen Abteilung, Julia H. als Kontoristin, Felix W. als Schlosser und Anton B. als Mechaniker. In dem von Notar Dr. Anton F. geführten Protokoll wurde ein auf die Wahl dieser vier Personen bezüglicher, mit Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen begrundeter "Protest" des Klägers sowie dessen Protokollierungsverlangen beurkundet.

Mit der vorliegenden, am 21. Oktober 1959 überreichten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß der Beschluß auf Wahl der genannten vier Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrates wegen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 90 Abs. 1 AktG. nichtig sei, wobei er sich teils auf die Vorschriften der §§ 195 Z. 3, 201, teils auf die Vorschriften des § 198 AktG. stützte. Die in der Klage aufgestellte Behauptung, er sei selbst Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft, modifizierte der Kläger im Verlauf des Prozesses dahin, er sei wohl Eigentümer der Aktie Nr. 1710 der beklagten Partei, habe sie aber erst am 8. November 1959, also nach Klagseinbringung, erworben; seine Befugnis zur Klage leitete er aus einer Legitimationsübertragung der Aktionärsrechte bezüglich einer Aktie durch die L.-Bank ab.

Die beklagte Partei bestritt die Aktivlegitimation des Klägers und machte unter anderem unter Hinweis darauf, daß es sich bei ihr um den ersten Fall eines sogenannten hundertprozentigen Volksaktienbetriebes handle, auch geltend, daß die Bestimmung des § 90 Abs. 1 AktG. auf die Wahl der vier bei ihr beschäftigten Personen zu Aufsichtsräten unanwendbar sei.

Das Erstgericht erachtete die Voraussetzungen eines Anfechtungsbegehrens und auch die Legitimation des Klägers hiezu als gegeben; es gab dem Klagebegehren aus diesem Grund mit dem Beifügen statt, zu der eher zu verneinenden Frage, ob auch die Voraussetzungen einer Nichtigkeitsklage gegeben seien, brauche nicht abschließend Stellung genommen zu werden.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die im Protokoll über die Hauptversammlung vom 22. September 1959 festgehaltene Erklärung reiche an und für sich aus, um als Widerspruch im Sinne des § 198 Abs. 1 Z. 1 AktG. angesehen werden zu können; selbst Aktionär sei der Kläger erst nach Einbringung der Klage geworden, so daß er in dieser Eigenschaft weder das Stimmrecht ausüben noch Widerspruch erheben noch die vorliegende Klage habe einbringen können; die Ausübung des Stimmrechtes einer fremden Aktie im eigenen Namen kraft sogenannter Legitimationsübertragung setze die Übertragung der Inhaberschaft voraus und sei gemäß § 114 Abs. 4 AktG. grundsätzlich nur durch eine Bank zulässig, welcher der Aktionär gesetzmäßig die Ermächtigung hiezu erteilt habe; zur Erteilung einer Unterermächtigung sei die Bank nur berechtigt, wenn ihr der Aktionär selbst die Befugnis hiezu eingeräumt habe; sei dies der Fall, könne sie allerdings eine bestimmte andere Bank oder einen bestimmten Dritten (Nichtbankier) zur Ausübung des ihr übertragenen Stimmrechtes und der damit verbundenen Rechte ermächtigen, dies aber nur im Rahmen der Hauptermächtigung; sie könne (mit Zustimmung des Aktionärs) einen Dritten zur Stimmrechtsausübung in ihrem Namen aber auch bloß bevollmächtigen (§ 114 Abs. 3 AktG.); ein von einem Bevollmächtigten erklärter Widerspruch gelte als vom Vertretenem erklärt und berechtige nur letzteren zur Anfechtungsklage; bei Erhebung eines Widerspruches nach Erteilung einer Unterermächtigung könne zwar der Unterermächtigte die Anfechtungsklage erheben, dies aber nur unter der Voraussetzung, daß ihm die Unterermächtigung nicht vor Klagseinbringung oder vor Urteilsfällung entzogen worden sei; es müsse daher im vorliegenden Fall festgestellt werden, ob der Aktionär, welchem die vom Kläger bei der Hauptversammlung vom 22. September 1959 vertretene Aktie gehörte, der L.-Bank eine Ermächtigung im Sinne des § 114 Abs. 4 AktG. erteilt und inwieweit er darin eine Unterermächtigung eines Dritten bzw. des Klägers zugelassen habe, weiter müsse geprüft werden, ob die L.-Bank mit oder ohne Zustimmung des damaligen Aktionärs eine Unterermächtigung oder bloß eine Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechtes erteilt habe, auf welche Zeit eine Unterermächtigung erteilt worden und ob sie im Zeitpunkt der Klagseinbringung bzw. bis zum Zeitpunkt des Erwerbes einer Aktie durch den Kläger selbst aufrecht gewesen sei; sollte die Aktivlegitimation des Klägers nach Verfahrensergänzung bejaht werden können, sei allerdings davon auszugehen, daß nach dem Sinne des § 90 Abs. 1 AktG. alle bei der Aktiengesellschaft Beschäftigten von der Wahl in den Aufsichtsrat ausgeschlossen seien, es sei denn, daß die - im vorliegenden Fall nicht anzuwendenden - Bestimmungen des § 14 Abs. 2 Z. 4 BRG. Platz greifen könnten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekursen beider Teile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage der Aktivlegitimation des Klägers zum Anfechtungsbegehren betrifft, die ungeachtet der Zustimmung der beklagten Partei zu den Darlegungen des Berufungsgerichtes vom Obersten Gerichtshof im Rahmen der rechtlichen Beurteilung uneingeschränkt zu überprüfen ist, ist dem Kläger beizupflichten, daß der Aktionär nicht nur eine Bank, sondern auch einen Nichtbankier zur Ausübung des Stimmrechtes im eigenen Namen, also kraft sogenannter Legitimationsübertragung, ermächtigen kann. Das sogenannte Depotstimmrecht der Banken ist nur der Hauptanwendungsfall des Stimmrechtes kraft Legitimationsübertragung, für den über die im § 110 2. Satz AktG. enthaltene prinzipielle Anerkennung des Vorganges hinaus im § 114 Abs. 4 AktG. noch Spezialnormen aufgestellt wurden (vgl. Godin - Wilhelmi, AktG., 2. Aufl. § 110 Anm. 3; Raynoschek in ÖJZ. 1959 S. 535 ff. bzw. im Österreichischen Bankarchiv 1959 S. 243 ff.). Damit wäre für den Kläger etwas gewonnen, wenn die Aktie, für die er am 22. September 1959 das Stimmrecht ausübte bzw. Widerspruch erhob, im Eigentum der L.-Bank selbst gestanden wäre; soweit nämlich Aktien der Bank selbst gehören, wird sie wie jeder andere Vollaktionär behandelt (vgl. Raynoschek a. a. O.), könnte also unter Einhaltung der Vorschriften des § 114 Abs. 4 AktG. eine andere Bank, einen Nichtbankier aber formfrei zur Stimmrechtsausübung im eigenen Namen legitimieren und wäre nicht auf Stimmrechtsausübung durch ihr Organ oder durch einen Bevollmächtigten (§ 114 Abs. 3 AktG.) beschränkt. Die Deklarierung "Fremdbesitz" im Teilnehmerverzeichnis hätte auch eine solche Legitimierung des Klägers gedeckt, kommt aber nach seinem eigenen Vorbringen bei der Tagsatzung vom 12. Februar 1960 hier nicht in Betracht, denn dieses lief darauf hinaus, daß er das Stimmrecht für eine Aktie ausübte, die weder ihm selbst noch der L.-Bank, sondern einem Dritten gehörte, der sie der L.-Bank ins Depot gegeben hatte. Die Ausstellung einer Stimmkarte durch eine Bank an einen Nichtaktionär mag - wie noch zu erörtern sein wird - unter Umständen möglich sein, ist aber jedenfalls ungewöhnlich, denn grundsätzlich dient die Stimmkarte dazu, dem Aktionär, der seine Aktien der Bank ins Depot gegeben hatte, die Ausübung des Stimmrechtes bei der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft zu ermöglichen (vgl. dazu Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 66, 715). Nähere Erörterungen hiezu sind hier aber zunächst entbehrlich, weil der Kläger nicht geltend machte, die Ausstellung der Stimmkarte an ihn sei schon mit dem später erfolgten Erwerb einer Aktie durch ihn im Zusammenhang gestanden bzw. er habe schon Anwartschaftsrechte gehabt, die seine Gleichstellung mit einem Aktionär gerechtfertigt hätten oder dgl. Gerade die Rechtsmitteldarlegungen des Klägers lassen nämlich keinen Zweifel, daß es sich - soweit es um seine Aktivlegitimation geht - nur um die Frage handelt, ob eine Bank, vorausgesetzt, daß ihr Kunde ihr eine den Erfordernissen des § 114 Abs. 4 AktG. entsprechende Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechtes für eine ins Depot gegebene Aktie erteilt hat, diese Ermächtigung einem Dritten zur Ausübung im eigenen Namen, also nicht auf Grund einer Vollmacht im Namen der Bank (§ 114 Abs. 3 AktG.), übertragen kann.

Diese Frage wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Den weitherzigsten Standpunkt nehmen wohl Godin - Wilhelmi (a. a. O. § 114 Anm. 15) ein, welche die formfreie Legitimationsweiterübertragung an einen Nichtbankier, die formgebundene an eine andere Bank, selbst dann für zulässig erklären wollen, wenn in der Ermächtigung des Kunden an die Depotbank zur Stimmrechtsausübung im eigenen Namen darüber nichts gesagt wird. Sie bezeichnen dies aber selbst als sehr bestritten und geben als herrschende Ansicht wieder, die Weitergabe der Ermächtigung sei nur zulässig, wenn sie durch die Ermächtigungserklärung des Kunden an die Depotbank gedeckt sei, wobei die Meinungen geteilt seien, ob die Gestattung der Unterermächtigung sich ausdrücklich darüber erklären müsse, ob der Unterermächtigte wiederum eine Bank sein dürfe. Schmidt (in Großkomm. AktG., § 114 Anm. 23 ff.) verneint die Möglichkeit einer Weitergabe der Stimmrechtslegitimation, es sei denn, es läge eine Befugniseinräumung des Kunden vor, und äußert sogar gewisse Zweifel an der Zulässigkeit der Ausübung des Depotstimmrechtes durch einen Bevollmächtigten. Schlegelberger - Quassowski (AktG., 2. Aufl. § 114 Anm. 17) verneinen die Zulässigkeit der Weitergabe der Ermächtigung an eine andere Bank, es sei denn, der Aktionär hätte für eine bestimmte andere Bank die Unterermächtigung erteilt. Baumbach - Hueck (AktG., 10. Aufl. § 114 Anm. 6 B) scheinen auf Grund einer besonderen Ermächtigung die Weitergabe der Legitimation an einen Nichtbankier für zulässig zu halten. Raynoschek a. a. O. nimmt zum Problem der Unterermächtigung, wenngleich er ansonsten die Weitergabe der Legitimation an eine andere Bank ausschließt, nicht näher Stellung, greift aber auf dem schon von Berger (JW. 1988 S. 1445) hervorgehobenen Gedanken zurück, daß ausschließlich der Aktionär den Legitimationsträger bestimmen solle. Die Banken-Usancen scheinen - zumindest in Deutschland - eher weitherzig zu sein und auf weit gefaßte Vertretungsermächtigungen hinauszulaufen, was zu Mißständen und Reformplänen führte (vgl. dazu Schupp im Österreichischen Bankarchiv 1959 S. 220 ff.). Welche Gepflogenheiten diesbezüglich von den österreichischen Banken eingehalten werden, bedarf keiner näheren Erörterung, weil die durch das Gesetz gezogenen Schranken dadurch jedenfalls nicht verschoben werden können.

Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, daß die Banken bei ihrer Tätigkeit nicht unnötig durch starre Regeln behindert werden sollen, erachtet aber andererseits den bereits erwähnten Leitgedanken, daß nur der Aktionär zu bestimmen hat, wer Legitimationsträger sein kann, für ausschlaggebend. Das Depotstimmrecht der Bank ist nichts anderes als ein Fall einer Ermächtigungstreuhand (vgl. dazu Kastner in JBl. 1948 S. 307, Opitz a. a. O. S. 711 ff.), und es ist grundsätzlich Sache des Treugebers, den Treuhänder zu wählen und den Bereich der Treumacht festzulegen. Ohne Erteilung einer Sonderbefugnis an die Depotbank durch den Aktionär kommt darum die Ausübung des Stimmrechtes im eigenen Namen durch einen von der Bank verschiedenen Dritten nicht in Betracht. Andererseits kann nicht übersehen werden, daß die Depotstimmermächtigung an die Bank laut gesetzlicher Vorschrift jederzeit widerruflich ist und daß der Aktionär ungeachtet der Legitimationsübertragung an die Bank sein Stimmrecht immer auch selbst oder durch einen Dritten ausüben kann (vgl. dazu Herold in NJW. 1951 S. 900). Es erscheint dem Obersten Gerichtshof darum auch zulässig, daß er anläßlich der Stimmrechtsermächtigung (§ 114 Abs. 4 AktG.) oder später der Depotbank die Befugnis erteilt, das Stimmrecht durch einen von ihm namentlich genannten Dritten ausüben zu lassen. Es besteht wohl kaum ein zwingender Grund, bei der Nominierung eines Nichtbankiers in einem solchen Fall einen anderen Maßstab anzulegen als bei der Nominierung einer anderen Bank, weil dem Prinzip der angemessenen Berücksichtigung des Aktionärwillens damit Rechnung getragen erscheint, doch braucht dazu nicht abschließend Stellung genommen zu werden, da diesmal nach der Aktenlage nur die Benennung eines Nichtbankiers, nämlich des Klägers, in Frage kommt. Der Aktionär kann also neben der primär zur Ausübung des Stimmrechtes ermächtigten Depotbank subsidiär eine bestimmte andere Person mit Treumacht ausstatten, wobei der Bank die Befugnis eingeräumt wird, diese vom Aktionär selbst gewährte subsidiäre Ermächtigungstreuhand wirksam werden zu lassen. Diese Formulierung scheint dem Obersten Gerichtshof nach Sinn und Zweck der Bestimmung der §§ 110 und 114 Abs. 4 AktG. in Verbindung mit § 4 der GesRMaßnV., DRGBl. 1939 I S. 1694, prägnanter und zutreffender als die vom Berufungsgericht in Anlehnung an die zitierte deutsche Literatur gewählte Konstruktion einer "Unterermächtigung" auf Grund und im Rahmen einer der Depotbank vom Aktionär zu erteilenden Sonderbefugnis, weil es sich um ein zwischen dem Aktionär und dem als Legitimationsträger auftretenden Dritten unmittelbar wirksames Treumachtverhältnis handeln muß. Das im § 114 Abs. 4 AktG. aufgestellte Verbot der Verbindung der Stimmrechtsermächtigung der Depotbank mit anderen Erklärungen steht dieser Auffassung von der Zulässigkeit einer Subsidiärermächtigung nicht entgegen, weil es sich nach dem Zweck der Norm nur gegen die Koppelung mit Erklärungen außerhalb des Stimmrechtskomplexes (Unterfertigung allgemeiner Geschäftsbedingungen und dgl.) richtet. Da eine Stimmkarte von der Depotbank grundsätzlich erst nach Sperre der entsprechenden Zahl von Aktien ausgestellt wird (vgl. dazu Opitz. a. a. O.), erscheint dem Erfordernis der sogenannten Inhaberschaft auch dann Rechnung getragen wenn die Bank nicht selbst das Stimmrecht ausübt, sondern dem vom Aktionär subsidiär gewählten Treuhänder eine Stimmkarte gibt; die Sperre wirkt im Innenverhältnis, zugunsten des Aktionärs, im Außenverhältnis zugunsten des von ihm subsidiär berufenen Legitimationsträgers. Nur der Vollständigkeit halber sei dem noch beigefügt, daß Umgehungen der Bestimmungen der Abs. 5 und 6 des § 114 AktG. dadurch im Einzelfall nicht ermöglicht werden dürfen. Zusammen mit der zweifellos zu bejahenden Möglichkeit, daß die Depotbank das Stimmrecht auch durch einen Bevollmächtigten ausüben läßt, der also nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Bank auftritt (§ 114 Abs. 3 AktG.), wird damit der Tätigkeit der Banken keine stärkere Beschränkung auferlegt, als zu der vom Gesetz gewollten Wahrung des Aktionärwillens nötig erscheint.

Der Oberste Gerichtshof pflichtet aus diesen Erwägungen dem Berufungsgericht darin bei, daß zunächst festgestellt werden muß, ob die L.-Bank überhaupt von ihrem Depotkunden die im § 114 Abs. 4 AktG. vorgeschriebene Stimmrechtsermächtigung hatte und ob ihr darin oder gesondert vom Aktionär die Befugnis erteilt worden war, gerade dem Kläger eine Stimmkarte auszustellen bzw. ihn zur Stimmrechtsausübung zu legitimieren.

Zuzustimmen ist dem Kläger, daß Erörterungen, ob er von der L.-Bank etwa nur im Sinn des § 114 Abs. 3 AktG. zur Stimmrechtsausübung bevollmächtigt war, entfallen können, weil er ja nicht als Bevollmächtigter, d. h. im Namen der L.-Bank (oder des damaligen Aktieneigentümers), aufgetreten ist, sondern - wenn auch unter der Deklarierung, es handle sich um Fremdbesitz - im eigenen Namen.

Zumindest im Ergebnis ist dem Kläger auch darin beizupflichten, daß eine Prüfung, ob und wann die L.-Bank die sogenannte Unterermächtigung widerrufen hat, nicht erforderlich ist. Wenn die vom Aktionär primär mit Treumacht ausgestattete Bank von ihr keinen Gebrauch gemacht, sondern den vom Aktionär subsidiär mit Treumacht ausgestatteten Dritten in Aktion treten hat lassen, kann sie dies für den konkreten Fall der Ausübung der Aktionärsrechte weder widerrufen noch sonst rückgängig machen; dann gilt nach dem ursprünglich zwar nur subsidiär erklärten, nunmehr aber wirksam gewordenen Willen des Aktionärs die Treumacht des Dritten für den ganzen Ausübungsfall. Sie legitimiert diesen dann der Aktiengesellschaft gegenüber grundsätzlich auch zur Anfechtungsklage nach Erhebung des Widerspruches, weil nur der Legitimationsträger als der bei der Hauptversammlung "erschienene Aktionär" gilt; den zutreffenden Hinweisen der Unterinstanzen, vor allem des Erstrichters, auf Judikatur und Literatur kann noch jener auf die Ausführungen Kastners in JBl. 1949 S. 423 beigefügt werden. Es besteht daher kein Grund, von Amts wegen in diesem Belang Verfahrensergänzungen vorzunehmen, wenngleich es richtig ist, daß die beklagte Aktiengesellschaft an und für sich den Beweis antreten könnte, die vom Aktionär erteilte Legitimation habe im konkreten Fall die Anfechtungsbefugnis nicht umfaßt, wie sie auch den Beweis antreten könnte, der Aktionär habe seit der Hauptversammlung seinen Aktienbestand abgegeben (vgl. Weipert im Großkomm. AktG., § 198 Anm. 6 f.; Baumbach - Hueck a. a. O. § 198 Anm. 2 a); letzteres wäre bei Veräußerung gerade an den seinerzeitigen Legitimationsträger freilich bedeutungslos. Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die Berechtigung des Klägers zur Anfechtungsklage nach den bisherigen Verfahrensergebnissen zwar nicht ausgeschlossen werden, keinesfalls aber sogleich bejaht werden kann. Ob sich allenfalls auch noch andere rechtliche Gesichtspunkte ergeben könnten, läßt sich ohne Aufklärung des offensichtlich aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fallenden Sachverhaltes nicht beurteilen.

Daß die im Protokoll über die Hauptversammlung vom 22. September 1959 beurkundete Erklärung des Klägers einen Widerspruch im Sinne des § 198 Abs. 1 Z. 1 AktG. darstellt, haben die Unterinstanzen zutreffend dargelegt; was die beklagte Partei dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, die Auffassung der Untergerichtes widerlegen.

Der Oberste Gerichtshof billigt auch deren Rechtsansicht, daß die Wahl der vier bei der beklagten Partei beschäftigten Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrates gegen § 90 Abs. 1 AktG. verstößt. Sozial- und rechtspolitische Erwägungen können hier nicht den Ausschlag geben, weil es Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte ist, ihnen gegebenenfalls zum Durchbruch zu verhelfen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß das vor Einführung des Aktiengesetzes in Österreich in Ergänzung des AHGB. geltende Aktienregulativ in seinem § 37 eine etwas abweichende Formulierung hatte; danach war im Statut festzusetzen, daß die Mitglieder des Aufsichtsrates und die Rechnungsrevisoren nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes oder "Beamte der Gesellschaft" oder "an der unmittelbaren Führung der Geschäfte der Gesellschaft beteiligt" sein durften. Damals war die Bestellung eines Aufsichtsrates aber überhaupt nicht obligatorisch. Die jetzt geltende Regelung des § 90 Abs. 1 AktG. dient in verstärktem Maß der Sicherung der vom Gesetz gewollten Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes (§ 95 Abs. 1 AktG.) und erfordert begrifflich die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder vom Vorstand. Es ist darum nicht rechtsirrig, wenn die Unterinstanzen in Übereinstimmung mit der von ihnen herangezogenen Literatur die Bestimmung, die Aufsichtsratsmitglieder könnten auch nicht als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen, nicht wörtlich, sondern nach Sinn und Zweck der Norm dahin ausgelegt haben, es seien damit alle ständig Beschäftigten welcher Art immer gemeint, die dienst- oder arbeitsrechtlich vom Vorstand abhängig sind; zwischen Arbeitern und Angestellten kann hier nicht weiter unterschieden werden. Die von den Unterinstanzen ins Treffen geführten Bestimmungen des § 14 Abs. 2 Z. 4 BRG. beweisen durchaus die Richtigkeit dieser Auffassung. Leitende Angestellte, auf welche die beklagte Partei sinngemäß die Norm des § 90 Abs. 1 AktG. eingeschränkt wissen will, können nämlich überhaupt nicht in den Betriebsrat gewählt, von diesem also auch nicht in den Aufsichtsrat entsandt werden, wie sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 2 Abs. 3, 8 und 14 Abs. 2 Z. 4 BRG. ergibt. Fielen die also allein für eine Entsendung in den Aufsichtsrat gemäß § 14 Abs. 2 Z. 4 BRG. in Betracht kommenden gewöhnlichen Angestellten und Arbeiter nicht unter das Verbot des § 90 Abs. 1 AktG., dann wäre es nicht nötig gewesen, es durch eine Spezialvorschrift in diesem Umfang außer Wirksamkeit zu setzen; und daß dies möglich war, beruht wieder auf den Unabhängigkeitsgarantien, die den Mitgliedern des Betriebsrates durch das Betriebsrätegesetz selbst gewährt werden. Es bedürfte daher einer weiteren Novellierung des § 90 Abs. 1 AktG., wie sie z. B. in der Bundesrepublik Deutschland durch das auch vom Berufungsgericht erwähnte Betriebsverfassungsgesetz vom Jahre 1952 erfolgte, um die Wahl von Arbeiten und Angestellten in den Aufsichtsrat der sie beschäftigenden Aktiengesellschaft in erweitertem Maß zu ermöglichen. Solange sie nicht vorgenommen wird, kann ein Dienstnehmer der Aktiengesellschaft - abgesehen von der Entsendung durch den Betriebsrat - nur dann Mitglied des Aufsichtsrates sein, wenn er spätestens bei Annahme der Wahl sein Dienst- oder Arbeitsverhältnis auflöst. Automatisch tritt eine solche Lösung mangels einer diesbezüglichen Norm keinesfalls ein. Das gleiche gilt auch bezüglich einer Freistellung von der Dienstleistung bei prinzipieller Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses oder dgl., wie sie z. B. § 41 WehrG., BGBl. Nr. 181/1955, kennt. Es ist auch nicht möglich, in der Bestimmung des § 90 Abs. 1 AktG. selbst eine solche Norm zu erblicken, weil eine solche Auslegung mit dem Zweck des Gesetzes unvereinbar wäre; die erforderliche Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder vom Vorstand wäre bei einer allenfalls zu besorgenden Beeinträchtigung des Dienstverhältnisses nach Beendigung der Tätigkeit im Aufsichtsrat nicht gewährleistet. Gleichgültig nun, ob man bei Nichtauflösung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses von einer ungültigen Wahl oder von der Wahl eines zur Ausübung der vom Gesetz gewollten Aufsichtsfunktion Unfähigen sprechen will (vgl. Schmidt a. a. O. § 90 Anm. 5; Godin - Wilhelmi a. a. O. § 90 Anm. 1), der Vorgang widerspricht dem Gesetz und ist gemäß § 197 Abs. 1 AktG. anfechtbar. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen diesbezüglich nicht.

Abschließend muß noch erwähnt werden, daß Erörterungen über die Frage, ob dem Kläger vielleicht ohne weiteres die Aktivlegitimation für eine Nichtigkeitsklage zuzuerkennen wäre, entbehrlich erscheinen, weil von einer Nichtigkeit im Sinne dies § 195 AktG. hier nicht gesprochen werden kann. Von einer Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Aktiengesellschaft kann wohl schon deshalb nicht die Rede sein, weil die Bestellung eines Aufsichtsrates nicht unbedingt zu deren Wesen gehört (vgl. die vor Einführung des Aktiengesetzes in Österreich geltende Regelung). Überdies könnte der Aufsichtsrat - je nach seiner Zusammensetzung und seinem Statut - ungeachtet der Wahl eines oder mehrerer zu dieser Funktion Unfähiger beschlußfähig bleiben. Die Vorschrift des § 90 Abs. 1 AktG. erscheint auch nicht vorwiegend oder gar ausschließlich zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder der öffentlichen Interessen erlassen. Ein Verstoß gegen diesbezügliche Normen läge z. B. vor, wenn die Befugnis des Vorstandes zur Geschäftsführung gesetzwidrig beschränkt würde (vgl. Weipert a. a. O. § 195 Anm. 22); hier handelt es sich aber um einen Vorgang, der indirekt - nämlich durch eine Abschwächung der Kontrollfähigkeit des Aufsichtsrates - höchstens auf eine Stärkung der Position des Vorstandes hinausliefe. Es geht im wesentlichen also nur um eine Beeinträchtigung von Aktionärsinteressen, deren Verletzung nicht Nichtigkeit im Sinne des § 195 AktG., wohl aber Anfechtbarkeit im Sinne des § 197 AktG. begrundet. Von einem Verstoß gegen die guten Sitten kann ebenfalls keine Rede sein, weil sich immerhin auch gewisse rechts- und vor allem sozialpolitische Argumente für eine Wahl von Dienstnehmervertretern in den Aufsichtsrat, gerade unter dem Gesichtspunkt der Ausgabe sogenannter Volksaktien an die Betriebsangehörigen, anführen lassen.

Aus diesen Erwägungen ist beiden Rekursen ein Erfolg zu versagen.

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