OGH 1Ob279/60

OGH1Ob279/6018.8.1960

SZ 33/82

Normen

HGB §109
HGB §124
HGB §109
HGB §124

 

Spruch:

Der einzelne Gesellschafter der oHG. ist befugt, Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen geltend zu machen, kann jedoch nur Leistung an die Gesellschaft verlangen.

Entscheidung vom 18. August 1960, 1 Ob 279/60.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung der übermäßigen Entnahmen in der Höhe von 68.523 S 15 g an die Firma R.-OHG., deren Gesellschafter die beiden Parteien sind, weiters die Erlassung des Urteiles, daß der Beklagten untersagt werde, aus dieser Firma vor Verteilung eines Gewinnes für das Geschäftsjahr 1960 Entnahmen in Geld- oder Sachwerten zu tätigen. Gleichzeitig beantragte der Kläger die einst weilige Verfügung, zur Sicherung seines Anspruches bzw. des Anspruches der Firma R.-OHG. gegenüber der Beklagten als Gegnerin der gefährdeten Partei auf Unterlassung unbefugter Geld- bzw. Sachentnahmen dieser ab sofort zu untersagen, aus der genannten Firma Geld- oder Sachentnahmen zu tätigen.

Das Erstgericht nahm die Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung als bescheinigt an und gab dem Antrag statt.

Das Rekursgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dem Kläger mangle die Legitimation und das Rechtsschutzinteresse, im eigenen Namen die Rechte der Gesellschaft wahrzunehmen. Die offene Handelsgesellschaft sei selbständig parteifähig und mit ihren Gesellschaftern nicht gleichzusetzen. Klageberechtigt sei demnach nur die Gesellschaft.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wohl ist es richtig, daß die offene Handelsgesellschaft und ihre Gesellschafter nicht ident sind. Doch ist nach Lehre und Rechtsprechung der einzelne Gesellschafter befugt, Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen geltend zu machen. Er kann jedoch nur Leistung an die Gesellschaft verlangen (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 2. Aufl. S. 162; Schlegelberger - Geßler, HGB.,

3. Aufl. Anm. 4 zu § 109; Weipert im Reichsgerichtsräte-Kommentar zum HGB., 2. Aufl. § 124 Anm. 36). Die im angefochtenem Beschluß zitierte Stelle bei Schlegelberger - Geßler a. a. O. § 122 Anm. 12, wonach "die Gesellschaft" Rückzahlung der unbefugten Entnahmen eines Gesellschafters begehren könne, spricht nicht dagegen, weil damit offenbar nur der Regelfall gemeint ist. Denn an der oben zitierten Stelle wird ausdrücklich das Recht des einzelnen Gesellschafters zur Erhebung der Klage anerkannt.

Da der Kläger die Rückzahlung an die Gesellschaft begehrt, ist seine Klageberechtigung gegeben.

Im vorliegenden Fall ist aber sowohl der Anspruch als auch die Gefahr eines unwiederbringlichen Verlustes bescheinigt. Die Entnahmen der Beklagten gehen weit über das gesetzliche Ausmaß hinaus. Das Verhalten der Beklagten zeigt, daß sie keine Rücksicht auf die finanziellen Belange des Unternehmens nimmt. Daß sich dies bisher auf den Betrieb nicht in besonders schädlicher Weise auswirkte, ist nur darauf zurückzuführen, daß der Kläger seinen Gewinnanteil im Unternehmen beläßt. Dieses Verhalten der Beklagten muß als ein Verstoß gegen die Treuepflicht des Gesellschafters gewertet werden. Die Beklagte setzt ferner ihre Abhebungen fort. Bei der angespannten Finanzlage des Unternehmens könnten durch weitere Abhebungen Zahlungsschwierigkeiten, ja sogar Zahlungsunfähigkeit eintreten, wodurch die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens sowohl in materieller als auch ideeller Hinsicht (Schädigung des Rufes und der Kreditwürdigkeit) gegeben ist. Diese Gefährdung wird auch durch den Umstand nicht beseitigt, daß die Beklagte über Vermögen verfügt, weil sie selbst erklärt, in das Unternehmen nichts zu investieren, die Eintreibung im Klageweg aber keine geeignete rasche Abhilfe böte.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.

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