OGH 3Ob236/60

OGH3Ob236/6029.6.1960

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Himmler, Dr. Liedermann, Dr. Machek und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei K***** & P***** Gesellschaft m.b.H., Stahlwerkfabrik, *****, vertreten durch Dr. Fritz Leon, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Herbert G*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 7. April 1960, GZ 46 R 274/60, womit der Beschluss des Exekutionsgerichtes Wien vom 26. Februar 1960, GZ 9 E 11973/59-24, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Exekutionsgerichtes Wien vom 26. Februar 1960, 9 E 11973/59-24, wiederhergestellt wird. Die Kosten der betreibenden Partei für den Revisionsrekurs werden mit 699,08 S als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Folgender Sachverhalt steht nach der Aktenlage fest:

Das Handelsgericht Wien bewilligte mit Beschluss vom 17. 7. 1954 der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei auf Grund des Scheckauszahlungsauftrages vom 18. 6. 1954, 11 Cg 743/54, zur Sicherstellung der Scheckforderung von 20.000 S samt Anhang für die Zeit bis zur Rechtskraft des Urteiles, das über die von der verpflichteten Partei erhobenen Einwendungen ergehen wird, die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung und Verwahrung der in ihrer Gewahrsame in W*****, S*****, oder sonst wo immer befindlichen beweglichen Sachen aller Art sowie der in § 296 EO angeführten Wertpapiere und Einlagebücher. Die Pfändung wurde vom Exekutionsgericht Wien zu 59 E 6482/54 durch Anmerkung auf dem Pfändungsprotokoll 59 E 6488/54 bezüglich der Postzahlen 1 und 2 und durch Neupfändung der Fahrnisse Postzahl 3 bis 20 am 12. 8. 1954 vollzogen. Die gepfändeten Gegenstände blieben in der Gewahrsame des Verpflichteten. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 5. 2. 1958, 1 Ob 621/57 im Scheckverfahren wurde an die verpflichtete Partei nach dem Akt 11 Cg 392/57 des Handelsgerichtes Wien vom 28. 3. 1958 zugestellt und damit rechtskräftig. Mit diesem Tage wurde das Pfändungspfandrecht der betreibenden Partei unbedingt und begann die Frist des § 256 Abs 2 EO zu laufen. Auf Antrag der betreibenden Partei vom 9. 6. 1958 bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 25. 6. 1958, 9 E 5774/58, die Fortsetzung der Fahrnisexekution durch Versteigerung und Verkauf. Die Versteigerung wurde für 22. 8. 1958 angeordnet, konnte aber nicht durchgeführt werden, weil der Verpflichtete laut Fehlberichtes nach der Auskunft der Wohnungsinhaberin vor einem Jahr aus W*****, S*****, unbekannt wohin, angeblich in das Ausland, verzogen ist. In dem beim Landesgericht für Strafsachen zu 26 Vr 8294/58 gegen den Verpflichteten wegen § 24 DevG, §§ 197 ff StG und § 1 ExekutionsvereitlungsG anhängigen Strafverfahren gab der Verpflichtete bei seiner Vernehmung vor der Polizei am 30. 1. 1959 an, dass sich sämtliche gepfändeten Gegenstände in der Wohnung seines Sohnes Georg G***** in W*****, K*****, befinden. Das Exekutionsgericht Wien hat er nach der Aktenlage hievon nicht verständigt. Die Anzeige gegen den Verpflichteten wegen Exekutionsvereitlung wurde von der betreibenden Partei bei der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 20. 11. 1958 erstattet. Auf Antrag der betreibenden Partei vom 28. 4. 1959 bewilligte das Erstgericht die Anberaumung eines neuen Versteigerungstermines zu 9 E 5774/58 für 3. 7. 1959. Am 26. 6. 1959 brachte Georg G*****, der Sohn des Verpflichteten, beim Erstgericht eine Klage nach § 37 EO wegen Unzulässigkeit der Exekutionsführung auf die gepfändeten Gegenstände Postzahl 1 bis 20 mit der Behauptung ein, dass sie sein Eigentum seien. Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 29. 6. 1959, 9 C 14/59-2, wurde die Fahrnisexekution 9 E 5774/58 gegen Erlag einer Sicherheit von 8.000 S bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage gemäß § 42 Abs 1 Z 5 EO aufgeschoben. Die Sicherheitsleistung von 8.000 S wurde nach dem Bericht des Vollstreckers am 1. 7. 1959 vom Verpflichteten erlegt. Nach Durchführung einiger Verhandlungen zog Georg G***** am 26. 9. 1959 die Klage unter Verzicht auf den Anspruch zurück. Hievon wurde der Beklagtenvertreter (Vertreter der betreibenden Partei) am 7. 10. 1959 verständigt. Dieser wies in seinem am 22. 12. 1959 zu 9 C 14/59 eingebrachten Kostenbestimmungsantrag darauf hin, dass der Kläger Georg G***** durch seinen Anwalt im Zuge außergerichtlicher Verhandlungen über die Abstattung der der Pfändung zugrunde liegenden Schuld auch die Bezahlung der tarifmäßigen Kosten, ohne dass diese zur Vermeidung eines Mehraufwandes gerichtlich bestimmt werden sollten, anbot. Der Kläger habe jedoch nach Zustimmung beziehungsweise nur geringfügiger Modifizierung des von ihm und seinem Vater Herbert G***** (das ist der Verpflichtete) angebotenen Vergleichsvorschalges durch die beklagte (betreibende) Partei diesen innerhalb der mit 15. 12. 1959 bemessenen Frist nicht bestätigt, sodass die beklagte Partei gezwungen sei, die Kosten gerichtlich bestimmen zu lassen. Die Kosten wurden darauf mit 1.838,27 S bestimmt und infolge Kostenrekurses der klagenden Partei auf 1.549,05 S herabgesetzt. Die betreibende Partei brachte außerdem am 22. 12. 1959 beim Erstgericht den Antrag auf Fortsetzung des Verwertungsverfahrens ein. Sie wies in dem Antrag darauf hin, dass die Exszindierungsklage unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen worden sei und die unterdessen geführten Besprechungen über die Abstattung der Schuldbeträge zu keinem Erfolg geführt haben.

Der Rechtspfleger des Erstgerichtes wies den Antrag mit Beschluss vom 22. 1. 1960 (ONr 22) ab; das Pfandrecht der betreibenden Partei an den unter Postzahl 1 bis 20 des Pfändungsprotokolls verzeichneten Fahrnissen sei gemäß § 256 EO erloschen, da es die betreibende Partei unterlassen habe, das aufgeschobene Verkaufsverfahren rechtzeitig, das ist unmittelbar nach der Klagsrückziehung am 26. 9. 1959 (unter Verzicht auf den Anspruch) gehörig fortzusetzen. Dem dagegen von der betreibenden Partei eingebrachten Rekurs gab der Exekutionsrichter gemäß § 56a GOG mit Beschluss vom 26. 2. 1960, ONr 24, Folge und änderte den Beschluss des Rechtspflegers dahin ab, dass auf Antrag der betreibenden Partei das Verwertungsverfahren durch Ausschreibung eines Versteigerungstermines fortgesetzt wird. Er bestimmte ferner die Kosten der betreibenden Partei für den Fortsetzungsantrag und für den Rekurs als weitere Exekutionskosten.

Dem dagegen von der verpflichteten Partei erhobene Rekurs gab das Rekursgericht Folge und stellte den Beschluss des Rechtspflegers (ONr 22) wieder her.

Gegen die Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist begründet.

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 5. 2. 1958, 1 Ob 621/57 wurde an die Parteienvertreter am 28. 3. 1958 zugestellt und damit rechtskräftig. Mit diesem Tage ist das sicherstellungsweise Pfandrecht der betreibenden Partei in ein vollstreckbares Pfandrecht übergegangen und begann die Jahresfrist nach § 256 Abs 2 EO zu laufen. Da die betreibende Partei am 9. 6. 1958 die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens durch Versteigerung und Verkauf, also innerhalb der Jahresfrist beantragte, ist nur zu untersuchen, ob das Verkaufsverfahren von der betreibenden Partei auch in der Folge gehörig fortgesetzt wurde. Da der Verpflichtete, wie sich aus dem Strafakt 26 Vr 8294/58 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt, am 4. 6. 1957 nach der Schweiz abgemeldet wurde, in der Folge nur vom 10. 1. bis 17. 1. 1959 bei seinem Sohn Georg G***** als Untermieter gemeldet war und dann wieder nach Deutschland abgemeldet wurde, kann aus dem Umstand, dass die betreibende Partei erst am 28. 4. 1959 den Antrag auf Anberaumung eines neuen Versteigerungstermines stellte, nachdem sie erfahren hatte, dass sich die gepfändeten Gegenstände in der Wohnung des Georg G***** befinden, nicht davon gesprochen werden, dass sie das Verkaufsverfahren nicht gehörig fortgesetzt hätte. Das Erstgericht hat daher mit Recht auf Grund des Antrages der betreibenden Partei vom 28. 4. 1959 einen neuen Versteigerungstermin angeordnet. Dieser Beschluss wurde übrigens auch nicht angefochten. In der Folge war das Verkaufsverfahren vom 1. 7. 1959 bis 7. 10. 1959 aufgeschoben. Wenn nach Rückziehung der Exszindierungsklage des Georg G***** zwischen dem Rechtsanwalt der betreibenden Partei und dem Rechtsanwalt des Verpflichteten, der auch Rechtsanwalt des Georg G***** im Prozess 9 C 14/59 war, Vergleichsverhandlungen geführt wurden, wie im Antrag der betreibenden Partei als Beklagter vom 22. 12. 1959 im Akt 9 C 14/59 und im Antrag der betreibenden Partei im Akt 9 E 11973/59 (früher 9 E 5774/58; 9 E 7640/59) auf Fortsetzung des Verwertungsverfahrens ausgeführt wurde, und dieser Antrag erst nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen am 22. 12. 1959, also zweieinhalb Monate nach Verständigung von der Rückziehung der Exszindierungsklage gestellt wurde, so kann unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse nicht gesagt werden, dass die betreibende Partei zwecklos die Ausübung des Pfandrechtes verzögert und das Verkaufsverfahren im Sinne des § 256 Abs 2 EO nicht gehörig fortgesetzt habe. Wenn auch der Schuldner einen Anspruch darauf hat, dass die Pfändungen entweder zu Realisierungszwecken ausgenützt werden oder bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 256 Abs 2 EO die Gebundenheit des gepfändeten Vermögens aufhört, kann von einer nicht gehörigen Fortsetzung des Exekutionsverfahrens nur gesprochen werden, wenn der betreibende Gläubiger zwecklos die Ausnützung des Pfandrechtes verzögert. War aber der betreibende Gläubiger, wie im vorliegenden Fall, zunächst deshalb, weil der Verpflichtete ins Ausland abreiste, ohne das Exekutionsgericht oder den betreibenden Gläubiger zu verständigen, wo sich die gepfändeten Sachen befinden, sich in der Folge in Wien nicht anmeldete, weil er sich nach seiner Behauptung immer nur vorübergehend in Wien aufhielt, nicht in der Lage, das Verkaufsverfahren auch nur mit einiger Aussicht auf Erfolg fortzusetzen, wartete er dann mit Rücksicht auf die Verhandlungen wegen vergleichsweiser Regelung mit der Einbringung des Antrages auf Fortsetzung des Verkaufsverfahrens noch circa zweieinhalb Monate zu, so kann dieses Verhalten nicht dem betreibenden Gläubiger zum Nachteil gereichen; es kann unter den gegebenen Umständen nicht gesagt werden, dass er das Verkaufsverfahren nicht gehörig fortsetzte. Man kann auch nicht verlangen, dass ein betreibender Gläubiger ohne Rücksicht auf eine Erfolgsmöglichkeit immer wieder Anträge auf Fortsetzung des Verwertungsverfahrens stellt, da diese mit unnötigen Kosten für den Verpflichteten verbunden wären. Das Pfandrecht der betreibenden Gläubigerin ist aus den angeführten Gründen noch nicht erloschen; dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei musste daher Folge gegeben und der Beschluss des Exekutionsgerichtes Wien vom 26. 2. 1960 wiederhergestellt werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.

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