Spruch:
Haftung des Revierförsters für Verletzung eines Touristen durch ein Fangeisen.
Entscheidung vom 25. Mai 1960, 1 Ob 93/60.
I. Instanz: Bezirksgericht Scheibbs; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Der Kläger verlangt vom Beklagten 7000 S Schmerzengeld, weil er in ein vom Beklagten unvorsichtig ausgelegtes Fangeisen geraten sei, wobei ihm der rechte Unterarm gebrochen wurde. Der Beklagte beantragt Abweisung des Begehrens mangels Verschuldens.
Das Erstgericht wies ab. Es stellte fest:
Die Unfallsstelle liegt in der Nähe des Weges, der von A. nach B. (Biologische Station) führt. Von den Nordwestabhängen des C.-Berges führt ein Bach herunter, über den der Weg über eine Holzbrücke führt. Dieser Weg ist für Touristen freigegeben und rot markiert. Von der Brücke bachaufwärts gesehen verbreitert sich das Bachbett trichterförmig in einer Entfernung von zirka 10 bis 15 m. Das Gefälle des Baches wird erst in einer Entfernung von zirka 25 m von der Brücke, bachaufwärts gesehen, steil und verringert sich gegen die Brücke zu. Die Brücke selbst führt in einer Höhe von zirka 1/2 bis 3/4 m über das Bachbett hinweg.
Der Beklagte als Aufsichtsjäger der K.-Forstverwaltung legte ein Schwanenhalsabzugeisen schon seit Jahren immer an derselben Stelle, nämlich zirka 25 bis 30 m bachaufwärts, von der Brücke aus gesehen, im Bachbett aus.
Aufgerichtet wird dieses Fangeisen im Spätherbst, und es bleibt dann bis in den Monat Februar hinein fängisch liegen. Nach dieser Zeit wird es zusammengeklappt, aus dem Bachbett entfernt und auf einem in der Nähe befindlichen Baum aufgehängt.
Vermutlich im Jänner 1957 sicherte der Beklagte, da der Köder weggeschwemmt worden war und außerdem infolge eines Wärmeeinbruches eine ungünstige Fangzeit eingetreten war, das Eisen vollständig, und zwar mittels der beiden rechts- und linksseitig befindlichen Sicherheitsflügel (Sicherungshaken für die Federn) und einer Sperre, die die Grundplatte mit dem einen Bügel verbindet. Das Eisen, das auf diese Weise gesichert an der Fangstelle im Bachbett liegengeblieben war, war sohin vom Beklagten in dreifacher Hinsicht gesichert worden. Der Beklagte wollte sich dadurch, nämlich daß er zusätzlich einen Eisenstift als Sicherung verwendete (Sperre, die die Grundplatte mit dem einen Fangflügel verbindet), ersparen, das Eisen neuerlich spannen zu müssen, wenn es wieder kälter würde und er es wieder fangbereit machen wollte.
Ende Februar 1957, also kurz bevor das Eisen ohnedies entfernt, worden wäre, führte der Bach Hochwasser, durch das das Eisen abgeschwemmt wurde. Dies war dadurch möglich, weil dieser Bach bei Hochwasser immer sehr viel Geröll mit sich bringt, so daß sogar das Bachbett unterhalb der Brücke ausgeräumt werden mußte, um zu verhindert, daß der Bach die Brücke überschwemme. Als der Beklagte nach dem Hochwasser das Fehlen des Eisens bemerkte, suchte er nach dem Eisen, da es einen Wert von zirka 500 S repräsentierte, konnte es aber trotz eifrigen Suchens nicht mehr finden. Er erkundigte sich auch wegen des Eisens bei den Forstarbeitern A. und L., die aber ebenfalls nicht wußten, wohin es abgetrieben worden war.
Tatsächlich war das Eisen zirka 10 bis 15 m bachabwärts getrieben worden und lag am Unfallstag zirka 10 bis 15 m von der Brücke, bachaufwärts gesehen, im Flußsand. Der Sand hatte das Eisen so weit zugedeckt, daß nur ein Teil des Fangbügels in einer Ausdehnung von zirka 20 cm aus dem Sand hervorsah, jedoch noch zur Gänze vom Wasser überspült war. Die Sicherungen des Eisens dürften sich durch das Geröllgeschiebe im Zuge des Hochwassers selbst gelöst haben, ebenso dürfte sich der zusätzliche Eisenstift, der als Sicherung angebracht worden war, gelockert bzw. herausgelöst haben. Im Unfallszeitpunkt jedenfalls war das Eisen fängisch. Da der Beklagte das Eisen trotz längerer Suche nicht mehr finden konnte und auch A. und L. nichts über den Verbleib des Eisens wußten, nahm er schließlich an, daß es von jemandem entwendet worden war, und gab die Suche auf.
Am 17. Juni 1958 war der Kläger mit einer Schulklasse auf dem mehrfach erwähnten Weg nach B. gewandert. Bei der Brücke ließ er Rast machen und wies die Kinder an, sich im Bach etwas oberhalb der Brücke die Füße zu waschen und weiter oberhalb zu trinken.
Nach einer Rast von zirka einer halben Stunde stand der Kläger auf, ging zum anderen Bachufer und trank zunächst etwas weiter bachaufwärts. Dann ging er einige Meter bachabwärts zu und wollte sich die Hände waschen. An dieser Stelle bemerkte er die Teile des Fangeisens, die aus dem Bachsand herausragten, sich jedoch zur Gänze unter der Wasseroberfläche befanden. Da er nicht wußte, worum es sich handelte, und er die Kinder keiner Gefahr aussetzen wollte, griff er nach diesem Eisenteil und wollte ihn aus dem Bachsand herausziehen. Da er das Eisen gerade an der Köderstange angriff, schlug das Fangeisen zu und klemmte ihm den rechten Unterarm ein. Auf seinen Hilferuf kamen Schüler herbei und bogen die Fangarme des Eisens etwas auseinander, so daß er die Hand herausziehen konnte. Durch das Zusammenschlagen der Falle hatte der Kläger einen Bruch des rechten Unterarmes erlitten.
Auf dem Touristenweg war, von B. aus gesehen, zirka eine Viertelstunde vom Unfallsort entfernt eine Warntafel bezüglich der Fuchseisen angebracht gewesen. Eine gleiche Warnungstafel befand sich neben dem Weg, in Richtung A. gesehen, zirka 250 m vom Unfallsort entfernt. Diese Warnungstafeln wurden immer wieder von unbefugten Personen entfernt, jedoch vom Beklagten sofort wieder erneuert, wenn er deren Fehlen bemerkte. Ob gerade am Unfallstag diese Warntafeln tatsächlich vorhanden waren, kann nicht festgestellt werden.
Der Beklagte, gegen den zu 1 U 638/58 des Erstgerichtes ein Strafverfahren wegen Übertretung nach § 335 StG. anhängig war, wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 10. Dezember 1958 freigesprochen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß ein Verschulden des Beklagten nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, trug jedoch dem Erstgericht auf, noch festzustellen, ob Warnungstafeln bei Beginn des K.-Jagdgebietes zur Unfallszeit aufgestellt gewesen seien, wenn ja, welchen Inhalt sie gehabt hätten und ob sie insbesondere auf ausgelegte Fangeisen hingewiesen hätten, so daß daraus die Gefahr für den Menschen erkennbar gewesen sei. Sei das Jagdgebiet zur Unfallszeit durch solche Warnungstafeln abgesichert gewesen, dann habe es sich erübrigt, an der Gefahrenstelle auf das ausgelegte Fangeisen hinzuweisen, weil die Warnung so lange gelte, als das bestimmte Jagdgebiet betreten werde. Seien aber Warnungstafeln nicht für das gesamte K.-Jagdgebiet aufgestellt, sondern nur unmittelbar in der Nähe des ausgelegten Fangeisens angebracht gewesen, so wäre der Beklagte einerseits verpflichtet gewesen, das Fangeisen an der Auslegestelle im Bachbett, wo ein Auslegen sicher nicht verboten sei, gegen Abschwemmen entsprechend zu sichern, und andererseits hätte er dann, wenn er das Fangeisen an seinem Auslegeort nicht gefunden habe, eine intensive Nachsuche halten müssen, um es aufzufinden. Tatsächlich habe sich ja gezeigt, daß das Fangeisen nur zirka 10 bis 15 m bachabwärts vom Hochwasser getrieben worden und am Unfallstag zirka 10 bis 15 m von der Brücke aufwärts im Bachsand gelegen sei. Das im Bachsand liegende Fangeisen habe eine Gefahr für Menschen und Nutztiere bedeutet, und hätte es nicht der Kläger herausgezogen, sondern liegengelassen, so hätte es z. B. beim Räumen des Bachbettes zusammenschnappen und jemanden vom Räumungspersonal ähnlich wie den Kläger verletzen können.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht gehen die Untergerichte von der Vorschrift des § 84 des niederösterreichischen Jagdgesetzes vom 30. Jänner 1947, LGBl. Nr. 13, aus. Danach dürfen die zulässigen Fangvorrichtungen nicht an Orten angebracht werden, an denen sie Menschen oder Nutztiere gefährden können; auf ihr Vorhandensein ist durch Anbringung von Warnungszeichen aufmerksam zu machen, die von jedermann unschwer wahrgenommen und als solche erkannt werden können.
Im vorliegenden Fall hat nun der Beklagte festgestelltermaßen das Fangeisen 25 bis 30 m bachaufwärts, von der Brücke aus gesehen, über die der Touristenweg führt, im Bachbett ausgelegt. Dies geschah noch dazu an einer Stelle, wo die Brücke nur 1/2 bis 3/4 m über den Bach hinwegführt, das Gefälle gering ist und das Bachbett sich trichterförmig verbreitert, also an einem Ort, der zur Rast und Erfrischung einlädt und auch die Wandergruppe des Klägers eingeladen hat. An diesem Ort hätte das Eisen nicht angebracht werden dürfen, weil hier Menschen gefährdet werden konnten. Mit einem so geringen Abgehen vom Weg, wie es 20 bis 30 m an einem Bach sind, an dem Rast und Erfrischung gesucht werden können, hätte der Beklagte rechnen müssen. Dem kann nicht mit dem Erstrichter entgegengehalten werden, daß jedermann, der von einem markierten Weg abweiche, für Beschädigungen, die ihm zustoßen, selbst haften müsse. Geringe Abweichungen vom Weg, gerade wo man rasten und sich erfrischen will, sind - wenn nicht auffällige Gründe, wie z. B. schonbedürftige Wiesen oder Kulturen, dagegen sprechen - ohne weiteres üblich und zulässig. Die vom Erstrichter gewählte enge Auslegung läßt auch die zitierte Gesetzesbestimmung nicht zu. Daß man auf markierten Wegen Fangvorrichtungen nicht anbringen darf, ist selbstverständlich; das Verbot des Anbringens an Orten, an denen sie Menschen oder Nutztiere gefährden können, wäre daher bei der vom Erstgericht gewählten Auslegung praktisch nahezu überflüssig. Überdies ist nicht nur das Anbringen von Fangvorrichtungen in Stellen verboten, an denen sie Menschen und Nutztiere gefährden, sondern schon dann, wenn sie Menschen und Nutztiere gefährden können. Damit ist ausgedrückt, daß auch eine fernerliegende und nicht unmittelbar drohende Gefährdung vermieden werden muß.
Abgesehen davon, daß das Fangeisen an dieser Stelle nicht angebracht hätte werden dürfen ist aber auch gegen die Vorschrift des Gesetzes verstoßen worden, durch Warnungszeichen darauf aufmerksam zu machen. Dieser Warnungspflicht konnte durch Tafeln, die in der einen Richtung eine Viertelstunde vom Unfallsort und in der anderen Richtung 250 m davon entfernt waren, nicht genügt werden. Durch die Warnungszeichen soll nach dem Gesetz auf das Vorhandensein der Fangvorrichtungen aufmerksam gemacht werden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn sie sich wenigstens einigermaßen in der Nähe der Fangeisen befinden. Bloß am Eingang des Jagdreviers, oder 1/4 km von dem Fangeisen entfernt eine Warnungstafel anzubringen, genügt nicht. Damit wird nicht auf das konkrete Fangeisen - wie es das Gesetz verlangt -, sondern nur allgemein darauf hingewiesen, daß in dem Jagdrevier Fangeisen vorhanden sind. Wenn der Beklagte demgegenüber geltend gemacht hat, daß durch ein zu nahes Anbringen der Warnvorrichtungen bei den Fangvorrichtungen die Diebstahlsgefahr vergrößert werde, so muß darauf hingewiesen werden, daß nach dem Gesetz zunächst die körperliche Sicherheit von Menschen und dann erst sein Eigentum an den Fangvorrichtungen zu schützen ist. Wenn eine solche Diebstahlsgefahr besteht und er sie nicht Kauf nehmen will, dann bleibt ihm nur übrig, auf die Aufstellung der Fangvorrichtungen zu verzichten; er darf aber nicht durch Unterlassen ausreichender Warnung andere in Gefahr bringen. Wäre im vorliegenden Fall nicht ohnedies das Anbringen des Fangeisens an dem Ort, wo es der Beklagte ausgelegt hatte, unzulässig gewesen, so hätte er zumindest bei der Brücke oder in ihrer unmittelbaren Nähe ein Warnungszeichen anbringen müssen.
Da sohin der Beklagte das Fangeisen an einer unzulässigen Steile aufgerichtet hatte und gar nicht behauptet, ein ausreichendes Warnungszeichen angebracht zu haben, ergibt sich dem Gründe nach seine Schadenshaftung. Darauf, daß das Fangeisen abgetrieben und dadurch in eine noch gefährlichere Lage gebracht wurde, kommt es nicht mehr an, zumal sich gerade hier noch weitere Verschuldensgrunde des Beklagten ergeben. Ganz abgesehen davon, daß er das Eisen überflüssigerweise ohne Köder, wenn auch gesichert, im Bachbett gespannt liegenließ, gibt er selbst, als Partei vernommen, an, daß ihm schon früher einmal das Eisen abgeschwemmt worden sei. Dies hätte ihn von vornherein zu besonderer Vorsicht mahnen müssen, und er hätte damit rechnen müssen, daß es im Bachbett näher zur Brücke liege, und nicht nur in seinem Interesse, das Eisen wiederzuerlangen, sondern auch im Interesse der Sicherheit von Menschen nachträglich im Bach in der Umgebung der Brücke sorgfältig nachsuchen müssen. Dazu hätte er von Februar 1957 bis Juni 1958 reichlich Zeit gehabt. Bei solchem Nachsuchen hätte er auch das Eisen, das vom Kläger ohne weiteres bemerkt worden war, bei gehöriger Aufmerksamkeit finden müssen. Jedenfalls haftet er aber für die Unfallsfolgen, weil er das Eisen an einer unzulässigen Stelle und ohne ausreichende Warnung aufgestellt hat, so daß diese Aufstellungsart typisch geeignet war, den eingetretenen Schaden herbeizuführen.
Ein Mitverschulden des Klägers kommt nach der derzeitigen Verfahrenslage nicht in Betracht. Nicht gefolgt kann der Auffassung des Erstgerichtes werden, der Kläger sei für den Eintritt des schädigenden Ereignisses selbst verantwortlich, zumal für ihn keine Notwendigkeit bestanden habe, das aus dem Bachsand herausragende Eisenstück herauszuziehen. Das Erstgericht gerät dabei mit seiner eigenen Feststellung in Widerspruch, der Kläger habe nach dem Eisenteil gegriffen und ihn aus dem Bachsand herausziehen wollen, weil er nicht gewußt habe, worum es sich handle, und weil er die Kinder keiner Gefahr habe aussetzen wollen. Wenn der Kläger die Kinder - was ebenfalls feststeht - angewiesen hatte, im Bach die Füße zu waschen und daraus zu trinken, so war es naheliegend, daß er einen Eisenteil, der aus dem Bachbett herausstand, entfernte, damit sich die Kinder nicht daran verletzen, das heißt schneiden oder kratzen konnten. Dabei brauchte der Kläger bei normaler Aufmerksamkeit nicht auf den Gedanken zu kommen, daß es sich um eine gespannte Falle handle, die zusammenklappen und ihm den Arm brechen würde. Daß das bloße Aufmerksammachen der Kinder auf die Gefahr, sie könnten sich an dem Eisenteil verletzen, ausgereicht hätte, ist nicht ohne weiteres richtig, weil bei Kindern auch mit Unfolgsamkeit gerechnet werden muß. Das Entfernen des Eisenteils war jedenfalls die sicherere Maßnahme zum Schutz der Kinder, gegen die nach der Sachlage, wie sie der Kläger erkennen konnte, keine Bedenken bestanden. Wegen des Eisenstücks die Rast abzubrechen, wäre eine übertriebene, durch die Sachlage nicht gebotene Vorsichtsmaßnahme gewesen, die vom Kläger nicht verlangt werden konnte.
Die bisherigen Ausführungen ergeben, daß die vom Rekursgericht aufgetragene Verfahrensergänzung überflüssig ist. Bei der Aufhebung des erstrichterlichen Urteils muß es aber dennoch bleiben, weil nunmehr zur Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens zu verhandeln ist.
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