Spruch:
Kein Klageanspruch auf Verbesserung der von einem Geometer als Schiedsmann durchgeführten Grundvermessung zur endgültigen Bereinigung von Grenzstreitigkeiten.
Entscheidung vom 13. Jänner 1960, 1 Ob 352/59.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht hat das auf Gewährleistung gestützte Klagebegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Ergebnis seiner Vermessung zwischen den Grundstücken Nr. 859/1, 859/2, 863, 864 und der Parzelle 999 der Katastralgemeinde T. einerseits und den Grundstücken 860/1, 860/2 und 860/3 derselben Katastralgemeinde andererseits zu verbessern, und zwar in der Weise, daß er die Gesamtlage der Grenzpunkte 1 bis 20 des Lageplanes des Dipl.-Ing. Hermann S. vom 11. Februar 1959, GZ. III-17/58, für die Einpassung zur Rückabsteckung des Weges Nr. 999 Katastralgemeinde T. verwende, und die Vermarkung der auf diese Weise errechneten Grenze vorzunehmen, abgewiesen.
Der Berufung des Klägers gegen das erstgerichtliche Urteil war kein Erfolg beschieden. Aus der Begründung des Berufungsurteils ist vor allem hervorzuheben, daß nach Meinung des Berufungsgerichtes das Klagebegehren vom Erstrichter schon deshalb abzuweisen gewesen wäre, weil zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestehe. Der Beklagte habe nicht etwa auf Auftrag des Klägers, sondern auf Auftrag des Johann R. die Vermessung vorgenommen. Der Vertrag über die Grenzvermessung sei also zwischen dem Grundnachbarn des Klägers und dem Beklagten geschlossen worden. Daraus, daß sich der Kläger und R. schon im Vergleich 3 C 890/57 des Bezirksgerichtes Klagenfurt auf die Person des Beklagten als Geometer geeinigt hätten, könne noch nicht geschlossen werden, daß Johann R. den Auftrag an den Beklagten nicht im eigenen Namen erteilt habe; nach dem Inhalt des Vergleichs sei dazu jede der Parteien für sich ermächtigt gewesen. Mangels eines Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen, das doch Voraussetzung für die Gewährleistung sowohl gemäß § 1167 ABGB. als auch gemäß den §§ 922 bis 933 ABGB. sei, habe schon aus diesem Grund das Klagebegehren abgewiesen werden müssen. Davon abgesehen sei die Klage noch aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt. Der zwischen dem Auftraggeber und dem Beklagten geschlossene Vertrag über die Grenzvermessung sei als Werkvertrag anzusehen, weil auch unkörperliche Sachen "Werke" sein könnten und das Arbeitsergebnis des Beklagten im vorliegenden Fall eine solche unkörperliche Sache sei. Die für die Gewährleistung bei entgeltlichen Verträgen geltenden Vorschriften hätten jedoch ebenso wie § 1167 ABGB. über die Gewährleistung für Mängel bei Werkverträgen nur solche Werke im Auge, deren Ergebnis ein körperlicher Gegenstand sei, während sie auf Werke anderer Art nicht ohne weiteres angewendet werden könnten, obzwar § 1167 ABGB. für Werke schlechthin gelte. Daraus folge, daß das Arbeitsergebnis des Beklagten als unkörperliche Sache nicht Gewährleistung durch Verbesserung verpflichten könne. Werde diese Rechtsmeinung jedoch nicht geteilt, so sei die Klagsabweisung noch aus einem anderen Grund gerechtfertigt. Der zwischen dem Kläger und seinem Grundnachbarn Johann R. geschlossene Vergleich vom 9. September 1957 müsse rechtlich als "Schiedsgutachtervertrag" qualifiziert werden, demzufolge die strittige Grenze durch den Beklagte, der die Vermessung nach der Mappenlage durchzuführen hatte, in der Natur festzustellen und zu vermarken gewesen sei. Die vom Beklagten als Schiedsmann vorgenommene Grenzvermessung wäre nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wesentlichen Sachlage erheblich abwiche und so dem von den Parteien gewollten Feststellungszweck zuwiderliefe. Da nicht behauptet wurde, daß vom Beklagten als Schiedsmann eine bestimmte Vermessungsmethode einzuhalten gewesen wäre, könne davon im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Der Kläger behaupte auch nicht, daß der Beklagte falsch vermessen hätte, sondern nur, daß er seine - an sich richtigen - Messungen unrichtig in den Lageplan eingepaßt habe, weil er nicht vor allen vorhandenen (20) Fixpunkten ausgegangen sie wie der vom Kläger mit der Kontrollvermessung betraute Dipl.-Ing. S., sondern nur von einem bestimmten Grenzstein, und daher zu einem offensichtlich falschen Schluß über den Grenzverlauf gekommen sei. Habe aber der Beklagte keinen Auftrag zur Anwendung einer bestimmten Vermessungsmethode gehabt, dann könne auch die Tatsache, daß vielleicht die von ihm als Schiedsmann angewendete Vermessungsart ein weniger genaues Ergebnis als eine andere liefere, keinen Gewährleistungsanspruch auf Verbesserung begrunden. Denn in der Tatsache, daß der Beklagte zu einem anderen Grenzbefund gekommen sei als der vom Kläger aufgenommen Kontrollgeometer, sei überhaupt kein Mangel zu erblicken, der einem Werk anhafte; es liege nur ein anderes, aus dem Fachwissen des Beklagten erflossenes Arbeitergebnis im Sinne eines Schiedsgutachtens vor. Schon gar nicht könne dem Beklagten eine Verbesserung des Vermessungsergebnisses im Sinne des Klagebegehrens aufgetragen werden, daß er nämlich die Gesamtlage der Grenzpunkte 1 bis 20 des Lageplanes des Geometers Dipl.-Ing. S. vom 11. Februar 1959 verwende. Dies könnte nur verlangt werden, wenn der Beklagte den Auftrag erhalten hätte, die Vermessung und Einpassung nach den Grenzpunkten dieses Lageplanes vorzunehmen, und nicht danach gehandelt hätte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Richtigerweise ist zwischen dem Vertrag des Klägers mit Johann R. und jenem zwischen Johann R. und dem Beklagten genau zu unterscheiden; beide Verhältnisse sind streng auseinanderzuhalten. Nach der unbekämpft gebliebenen Feststellung des Erstgerichtes steht fest, daß es nur Johann R. war, der dem Beklagten die schon erwähnten Aufträge erteilte, woraus aber folgt, daß Gewährleistungsansprüche nicht der Kläger, sondern, wenn überhaupt, nur Johann R. geltend machen kann. Die Gewährleistung für Mängel gemäß § 1167 ABGB. setzt einen Werkvertrag voraus; nur der Besteller ist berechtigt, von den in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Rechten Gebrauch zu machen; einem Dritten, mag er auch an der Durchführung der Aufgabe des Unternehmens interessiert sein, stehen diese Rechte nicht zu. Das Gesetz trifft für den Werkvertrag zwar besondere Gewährleistungsbestimmungen, doch sind zur Ergänzung auch die allgemeinen Vorschriften der §§ 922 ff. ABGB. heranzuziehen (§ 1167 letzter Satz ABGB.). Wandlung, Verbesserung, Minderung des Entgelts sind Rechte, die selbstverständlich nur dem Besteller, der dem Unternehmer als Vertragspartner gegenübersteht, zukommen. Der Vergleich zwischen dem Kläger und Johann R. konnte beim Vertrag zwischen Johann R. und dem Beklagten nur insoweit eine Rolle spielen, als die dem Beklagten übertragene Aufgabe dem Inhalt des Vergleichs entspricht. Aus den Feststellungen der Untergerichte ergibt sich keine Stütze für eine davon abweichende Annahme. Das interne Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und Johann R. berührt im übrigen die Abmachungen zwischen dem Beklagten und Johann R. nicht. Es geht jedenfalls nicht an, diesen Abmachungen einen Vertragswillen zu unterstellen, der in den Feststellungen der untergerichtlichen Urteile keine Deckung findet. Umgekehrt lassen sich auch die Vereinbarungen der Vergleichspartner über die Kostentragung nicht ohne weiteres dahin auslegen, daß der Beklagte daraus irgendwelche Rechte für sich ableiten könnte.
Aber auch dann, wenn angenommen würde, daß die Grundnachbarn Johann R. und der Kläger gemeinsam dem Beklagten den Auftrag zur Grenzvermessung und -vermarkung erteilt hätten, änderte sich am Ergebnis nichts. Dem Beklagten wurde im Vergleich vom 9. September 1957 die Stellung eines Schiedsmannes zugedacht, hinsichtlich dessen Entscheidung die Vergleichspartner erklärten, sie anerkennen zu wollen. Der Schiedsmann ist kein Schiedsrichter, sein Ausspruch daher kein Schiedsspruch, sondern ein Gutachten. Nach Meinung Pollaks (System des österreichischen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. S. 772) ist ein solches Gutachten trotz entgegenstehender Vereinbarung überhaupt nicht bindend, da es Beweisverträge nicht sind. Nach anderer Meinung bindet zumindest ein offenbar unbilliges Gutachten nicht. Diese Meinung hat auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ihren Niederschlag gefunden (3 Ob 5/58, 1 Ob 478/56, GlUNF. 6631, SZ. VIII 95 u. a.). Ob die Festsetzung und Vermarkung der Grenze durch den Beklagten von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht, kann unter Umständen für die Frage der Bindung der Parteien an ein solches Ergebnis von Bedeutung sein. Insofern mag eine Überprüfung der Entscheidung des Schiedsmannes durch den ordentlichen Richter etwa in einem Schadenersatzprozeß möglich sein (anderer Meinung Klang 2. Aufl. III 1115, der eine Überprüfung der Entscheidung des Schiedsmannes durch den ordentlichen Richter ausschließt). Wenn auch der Schiedsmann kein Schiedsrichter ist, so gilt doch auch für ihn die im Plenissimarbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 26. Oktober 1915, JB. 238 (GlUNF. 7623), angestellte Erwägung, daß ein zur Urteilsfällung gezwungener Schiedsrichter gegenüber jener Partei, die ihn dazu zwingt, kaum die nötige Unbefangenheit aufzubringen in der Lage ist, er daher zur Erfüllung seiner Verpflichtung im Klagewege nicht gezwungen werden kann. Ist der Kläger der Meinung, daß der Beklagte bei Ausführung seiner Aufgabe Kunstfehler begangen habe, mag ein Vorgehen gegen den Beklagten im Sinne des § 1299 ABGB. in Frage kommen: das einseitig vom Kläger bestellte Gutachten des Dipl.-Ing. S. gibt jedoch keine Handhabe zu der von ihm gewünschten Korrektur des Gutachtens des Beklagten durch diesen selbst, wie es auch für den Vergleichspartner Johann R. noch kein Grund sein muß, die Durchführung der Grenzfestsetzung und -vermarkung durch den Beklagten nicht anzuerkennen. Abschließend sei noch bemerkt, daß eine mathematisch genaue Grenzlinie bei Übertragung der Mappengrenze in die Natur nicht denkbar ist, Abweichungen innerhalb einer gewissen Fehlergrenze daher hinzunehmen sind.
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