OGH 6Ob401/59

OGH6Ob401/592.12.1959

SZ 32/157

Normen

ABGB §§1233 ff
AO §48
AO §53
ABGB §§1233 ff
AO §48
AO §53

 

Spruch:

Bei der allgemeinen unter Lebenden wirksamen Gütergemeinschaft kommen die Rechtswirkungen des Ausgleichs des einen Ehegatten auch dem anderen, nur mit dem Gemeinschaftsgut haftenden Ehegatten zustatten. Gegen diesen kann § 48 AO. zugunsten der Ausgleichsgläubiger des anderen Gatten nicht angewendet werden.

Entscheidung vom 2. Dezember 1959, 6 Ob 401/59.

I. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger besitzt gegen Leopold B., den Gatten der Beklagten, einen rechtskräftigen Exekutionstitel auf Zahlung von 18.900 S samt 6% Zinsen seit 15. Dezember 1958 sowie 251 S 03 g Prozeßkosten und 485 S 63 g Exekutionskosten. Zwischen Leopold B. und seiner Gattin, der Beklagten, besteht eine allgemeine, bereits unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft, in welche die Liegenschaft EZ. 227 Grundbuch S., Haus Nr. 26 in St. L., eingebracht wurde. Dieser Sachverhalt ist unbestritten.

Der Kläger stellte das Begehren, die Beklagte sei zur ungeteilten Hand mit Leopold B. schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ. 227 Grundbuch S. die oben genannten Beträge zu zahlen, und begrundete dieses Begehren damit, daß die Beklagte mit dem der Gütergemeinschaft unterworfenen Vermögen für die Schulden ihres Gatten zur ungeteilten Hand hafte.

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß in dem später eröffneten Ausgleichsverfahren über das Vermögen ihres Gatten ein Ausgleich zustandegekommen sei, nach dem die Gläubiger eine 100%ige Quote, zahlbar in zwei Raten, und zwar 50% innerhalb eines Jahres nach Annahme des Ausgleichs, 50% innerhalb weiterer neun Monate, erhalten sollten, daß aber beide, Zahlungsfristen noch nicht abgelaufen seien und infolgedessen der Klageanspruch noch nicht fällig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß im Ausgleichsverfahren gegen den Gatten der Beklagten am 10. April 1959 ein gerichtlicher Ausgleich geschlossen worden sei, wonach der Ausgleichsschuldner seine Verbindlichkeiten zu 100% in zwei gleichen Raten, die erste zwölf Monate nach Annahme des Ausgleiches, somit am 10. April 1960, die zweite nach weiteren neun Monaten, somit am 10. Jänner 1961, zu erfüllen habe, und daß dieser Ausgleich am 9. Juni 1959 bestätigt worden sei. Da die Beklagte auf Grund der Gütergemeinschaft für die Schulden ihres Gatten nicht als Mitschuldnerin, sondern nur sachlich mit dem Anteil am gütergemeinschaftlichen Vermögen hafte, stehe die im Ausgleich gewährte Stundung als anspruchshemmende Tatsache ihrer Haftung entgegen. Ihre sachliche Haftung sei von der Fälligkeit der persönlichen Schuld ihres Gatten abhängig.

Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß zufolge Gütergemeinschaft das Gesamtgut beiden Ehegatten ungeteilt gehöre. Das habe zur Folge, daß für die Verbindlichkeiten des einen Ehegatten - und zwar nicht nur das Innenverhältnis, sondern auch gegenüber den Gläubigern das ihm ungeteilt mit dem anderen Ehegatten gehörige Vermögen, das Gesamtgut, hafte. Dessenungeachtet blieben jedoch die Verbindlichkeiten nach wie vor solche des einen Ehegatten und würden nicht zu solchen auch des anderen. Der andere Ehegatte hafte für sie nur sachlich mit dem Gesamtgut. Da aber das Gesamtgut ungeteilt beiden Ehegatten gehöre, hafteten auf diese Weise beide für einen und einer für alle, so daß sie insoweit Gesamtschuldner seien, als die Zahlung des einen den anderen befreie. Trotzdem könnten sie nicht als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 888 ff. ABGB. angesprochen werden. Die Verbindlichkeit sei nach wie vor ausschließlich eine solche des einen Ehegatten, von dem sie eingegangen wurde, nicht aber eine solche des anderen Ehegatten, möge er auch für sie sachlich mit dem Gesamtgut haften. Das Gesamtschuldverhältnis nach den §§ 888 ff. ABGB. setze jedoch eine selbständige Verpflichtung jedes der mehreren Mitschuldner für die Schuld, und zwar für eben dieselbe Schuld, voraus. Die Mitschuldner hafteten demnach aus der von ihnen persönlich eingegangenen Verpflichtung, während bei der Gütergemeinschaft eine persönliche Verpflichtung nur des einen Ehegatten bestehe, wogegen der andere eine solche nicht habe, er vielmehr nur für die persönliche Verpflichtung des anderen Ehegatten sachlich mit dem Gesamtgut hafte. Seine sachliche Haftung werde daher ausschließlich durch die Verbindlichkeit des anderen Ehegatten bestimmt - er selbst habe keine Verbindlichkeit -, und sie bestehe nur insoweit, als die Verbindlichkeit des anderen Ehegatten bestehe. Sobald diese Verbindlichkeit des anderen Ehegatten aufhöre oder eine Änderung erfahre, höre auch die sachliche Haftung mit dem Gesamtgut auf bzw. erfahre sie die entsprechende Änderung. Die sachliche Haftung könne demnach immer nur insoweit stattfinden, als die Verbindlichkeit des anderen Ehegatten aufrecht bestehe. Im Falle der Gütergemeinschaft kämen daher die Rechtswirkungen des Ausgleiches dem anderen Ehegatten, der für die Schulden des im Ausgleich befindlichen Gatten sachlich nur mit dem Gesamtgut hafte, zustatten. Es wirke infolgedessen die dem Gatten der Beklagten für seine Schuld durch den bestätigten Ausgleich gewährte Stundung auf die sachliche Haftung mit dem Gesamtgut auf die Weise, daß sie nur nach Maßgabe dieser Stundung stattfinde, d. h. daß sie mangels Fälligkeit der Verbindlichkeit noch nicht Platz greifen könne. Die Beklagte könne daher aus der sachlichen Haftung mit der der Gütergemeinschaft unterworfenen Liegenschaft derzeit nicht in Anspruch genommen werden. Mangels einer gemeinschaftlichen Schuld im Sinne der §§ 888 ff. ABGB. könne gegen die Beklagte auch nicht die Bestimmung des § 48 AO. zugunsten der Ausgleichsgläubiger angewendet werden. Desgleichen lägen die Voraussetzungen für eine Anwendung der Bestimmung des § 46 Abs. 1 AO. nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage, ob bei einer zwischen Ehegatten begrundeten allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden das Gemeinschaftsgut in einem Gesamthandeigentum der Ehegatten steht, welche von der oberstgerichtlichen Judikatur überwiegend verneint wird (SZ. XV 190, GlU. 15.042, SZ. XXV 192, SZ. XXX 65), kann unerörtert bleiben, da sich Lehre und Rechtsprechung, jedenfalls darüber einig sind, daß jeder Ehegatte für die Schulden des anderen, einschließlich der vorehelichen, mit seinem Anteil am gemeinsamen Gute haftet. Jeder Ehegatte haftet daher mit dem gemeinsamen Vermögen für die gegen den anderen Ehegatten erwachsene Forderung, wobei die Zahlung des einen den anderen befreit. Daneben besteht die Haftung jenes Ehegatten, in dessen Person die Schuld entstanden ist mit dem ihm ausschließlich gehörigen, also außerhalb der Gemeinschaft verbliebenen oder außerhalb derselben stehenden Vermögen, daher mit dem Sondergut und dem Vorbehaltsgut. Ob die Schuld vom Manne oder von der Frau eingegangen wurde, bleibt unentscheidend (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 153 ff.; Lenhoff in Klang 1. Aufl. III 670; Ohmeyer in GerZ. 1907 S. 276 ff.; Adler in Grünhuts Zeitung XXXIV (1907) S. 491; GlUNF. 2803; GlUNF. 7010; SZ. XII 101; SZ. XVIII 179; SZ. XIX 98, SZ. XIX 198. SZ. XXV 247; SZ. XXX 65 u. a. m.). Eine Unterstellung der rein sachlichen Haftung des Ehegatten, in dessen Person die Schuld nicht entstanden ist, unter den Begriff einer gemeinschaftlichen Schuld im Sinne der §§ 888 ff.ABGB. schlechthin oder zufolge der notwendig ungeteilten Haftung beider Ehegatten unter den Begriff der passiven Korrealität im besonderen (§§ 891 ff. ABGB.) erscheint schon deswegen ausgeschlossen, weil alle diese Fälle einen selbständigen persönlichen Verpflichtungsgrund der Mitverpflichteten voraussetzen. So darf auch die dem Fall der Gütergemeinschaft analoge Haftung einer Miterbengemeinschaft vor der Einantwortung cum viribus hereditatis nach der Ausdrucksweise des § 550 ABGB. "alle für einen und einer für alle" nicht als Haftung aus einer passiven Korrealität verstanden werden (vgl. Klang 2. Aufl. IV 291 zu § 890). Da das Gesamtgut beiden Ehegatten ungeteilt gehört, haften zwar auch im Falle einer Gütergemeinschaft beide Ehegatten für einen und einer für beide, demnach im Rahmen ihrer Haftung mit dem Gesamtgut gleich Gesamtschuldnern, doch würde die aus dem gemeinsamen Vermögen geleistete Zahlung des lediglich sachlich haftenden Ehegatten einen Rückgriffsanspruch gegen den anderen Ehegatten schon deswegen nicht begrunden, weil, verschieden vom Fall der Korrealität, die Schuld nicht aus seinem eigenen, somit einem dem Personalschuldner fremden, sondern aus dem gemeinsamen Vermögen abgestattet wurde. Mit Recht hält das Berufungsgericht auch diese Erwägung für den begrifflichen Unterschied zum Fall einer Gesamtschuld im Sinne der §§ 891 ff. ABGB., die dem zahlenden Mitschuldner jedenfalls ein Rückgriffsrecht gewähren (§ 896 ABGB.), für wesentlich. Es ist daher daran festzuhalten, daß von einer Gesamtschuld im Sinne einer passiven Korrealität nach Maßgabe der §§ 891, 893, 894, 896 ABGB. nur dort gesprochen werden kann, wo eine Mehrheit von Schuldnern auf Grund Vertrages oder Gesetzes dem Gläubiger gegenüber in einem persönlichen Verpflichtungsverhältnis für ebendieselbe Schuld steht, sohin jeder einzelne Schuldner auf Grund eines selbständigen Verpflichtungsgrundes persönlich mit seinem eigenen Vermögen für die Schuld haftbar ist. Durchaus zutreffend gelangt das Berufungsgericht auf Grund dieser Überlegung zur rechtlichen Schlußfolgerung, daß die rein sachliche Haftung des einen Ehegatten mangels eines eigenen, persönlichen Verpflichtungsverhältnisses durch die allein bestehende persönliche Verbindlichkeit des anderen Ehegatten, gegen den die Forderung erwachsen ist, ausschließlich bestimmt wird, demnach zum Unterschied vom Fall der passiven Korrealität (§ 894 ABGB.) die gleichen Änderungen erfährt wie die Verbindlichkeit selbst. Daraus ergibt sich aber zwingend die weitere Folge, daß im Falle der Gütergemeinschaft auch die Rechtswirkungen des Ausgleiches des einen Ehegatten dem anderen, nur mit dem Gemeinschaftsgut sachlich haftenden Ehegatten zustatten kommen müssen, demnach der rein sachlich haftende Ehegatte nur nach Maßgabe der dem anderen Ehegatten durch den Ausgleich gewährten Stundung in Anspruch genommen werden kann. Desgleichen kann die Bestimmung des § 48 AO. gegen den nur mit dem Gemeinschaftsgut sachlich haftenden Ehegatten mangels eines persönlichen Mitverpflichtungsverhältnisses zugunsten der Ausgleichsgläubiger des anderen Ehegatten nicht angewendet werden.

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