Spruch:
Ebenso wie gemäß § 1120 ABGB. das Bestandverhältnis geht auch der Anspruch auf Räumung auf den Erwerber über. Zum Nachweis genügt ein Grundbuchsauszug.
Der Anspruch auf Räumung kann nicht abgesondert vom Eigentum am Bestandgegenstand übertragen werden.
Entscheidung vom 18. November 1959, 3 Ob 457/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Im Haus Wien 19., B.-Straße 36, hat der Verpflichtete ein Geschäftslokal inne. Das Haus gehörte früher Herta P. Sie brachte gegen ihn eine Räumungsklage ein, weil ihr der behördliche Auftrag zur Demolierung des Mietgegenstandes erteilt worden sei. Mit Urteil vom 30. September 1958 wurde im Sinne ihres Begehrens erkannt. Bei der Berufungsverhandlung kam es nach Rückziehung des Rechtsmittels am 9. Jänner 1959 zu einem Vergleich, in dem sich der damalige Beklagte unter Verzicht auf jeden Aufschub verpflichtete, der Klägerin das von ihm gemietete Lokal bis 1. August 1959 geräumt zu übergeben.
Die betreibende Gläubigerin brachte nunmehr mit der Behauptung, sie sei Eigentümerin des Hauses B.-Straße 36 geworden, einen Antrag auf Zwangsräumung ein und legte den Grundbuchsbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 1. Juni 1959, TZ. 2119/59, vor, laut welchem auf Grund des Kaufvertrages vom 24. Juli und 30. August 1956 und anderer Urkunden die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes bewilligt wurde.
Das Erstgericht gab dem Exekutionsantrag statt.
Das Rekursgericht wies ihn ab. Es verwies auf § 9 EO., nach welcher Bestimmung die Exekution zugunsten eines anderen als des nach dem Titel Berechtigten nur bewilligt werden könne, wenn die Rechtsnachfolge durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen sei. Mit dem Erwerb des Eigentums sei aber der Übergang des Räumungsanspruches nicht notwendig verbunden.
Der Oberste Gerichtshof stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Bestandverhältnis zwischen dem Veräußerer des Hauses und dem Verpflichteten ist durch die Rückziehung der Berufung gegen das der Klage nach § 1118 ABGB. stattgebende Urteil aufgelöst worden. Durch den Vergleich wurde die Räumungsverpflichtung gestundet. Da jedoch das Eigentumsrecht die Befugnis in sich schließt, andere Personen, die keinen Titel zur Benützung haben, davon auszuschließen, geht auch im vorliegenden Fall der Anspruch auf Räumung auf den Erwerber über. Hiezu kommt, daß der Verpflichtete schon auf Grund des § 1109 ABGB. die Verbindlichkeit hat, die Bestandsache dem Vermieter nach Beendigung der Mietzeit zurückzustellen. Ebenso wie gemäß § 1120 ABGB. das Bestandverhältnis geht auch die aus § 1109 ABGB. entspringende Verpflichtung über. Der Anspruch auf Räumung kann nicht abgesondert vom Eigentum am Bestandobjekt übertragen werden (SZ. XXIII 195). Allerdings können die Parteien vereinbaren, daß der Räumungsanspruch auf den Erwerber nicht übergehen solle, doch schließt die Möglichkeit einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Abmachung die Bewilligung der Exekution nicht aus, vielmehr müßte der Verpflichtete dies mit Klage nach § 36 EO. einwenden.
Auch die Voraussetzungen des § 9 EO. sind gegeben. Der Grundbuchsbeschluß ist allerdings kein Nachweis des Eigentums an der Liegenschaft, zumal seine Rechtskraft nicht bestätigt ist, vielmehr wäre ein Grundbuchsauszug oder eine Amtsbestätigung über die Eigentumseinverleibung vorzulegen gewesen. Dies ist aber ohne Bedeutung, weil das Bewilligungsgericht gleichzeitig Grundbuchsgericht ist und die sich aus dem Grundbuch ergebenden Tatsachen daher beim Erstgericht offenkundig sind. Unter einer Urkunde zum Nachweis des Überganges im Sinne des § 9 EO. ist eine solche zu verstehen, in welcher die Tatsachen, welche diese Rechtsfolge bewirken, festgestellt sind. Daß darin auch diese Rechtswirkung ausdrücklich ausgesprochen ist, wird nicht verlangt, weil ja das Gericht sie auf Grund der beurkundeten Tatsachen erkennen muß. Eine Abtretungserklärung muß die Tatsachen beurkunden, welche nach § 1392 ABGB. den Übergang der Forderung bewirken. In gleicher Weise genügt für den Übergang des vorliegenden Anspruches der Nachweis des Eigentumserwerbes an der Bestandsache.
Die Ansicht des Rekursgerichtes würde dazu führen, daß der Erwerber eines Hauses sich den Räumungsanspruch gegen einen Mieter in beglaubigter Form abtreten lassen müßte, obwohl er dem Vorbesitzer mit der Übergabe der Liegenschaft gar nicht mehr zusteht. Große Schwierigkeiten würden sich ergeben, wenn eine solche Erklärung verweigert wird. Bei vertragsmäßiger Erwerbung wird dies nicht so leicht vorkommen, wohl aber in anderen Fällen, insbesondere beim Erwerb durch Vermächtnis oder durch Zwangsversteigerung. Verweigert der Erbe oder Verpflichtete die Abtretung, so müßte der Erwerber sein Recht mit Klage nach § 10 EO. geltend machen.
Da nach dem Gesetz, von Fällen abweichender Vereinbarung abgesehen, der Räumungsanspruch mit dem Eigentum an dem im Titel genannten Haus verknüpft ist, hat die betreibende Gläubigerin ihre Befugnis zum Einschreiten im Sinne des § 9 EO. im vorliegenden Fall dargetan.
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