Normen
ABGB §1116a
AußStrG §72
Mietengesetz §19 Abs2 Z11
ABGB §1116a
AußStrG §72
Mietengesetz §19 Abs2 Z11
Spruch:
Eine auf § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. gestützte Kündigung ist stets gegen den Nachlaß oder nach der Einantwortung gegen die Erben zu richten. Wurde die Verlassenschaft armutshalber abgetan, ist ihr zu Handen eines zu bestellenden Verlassenschaftskurators oder der Erben zu kundigen, die eine Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. erhalten haben.
Entscheidung vom 20. Mai 1959, 5 Ob 239/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Am 28. August 1958 starb Hermine B., die Mieterin der Wohnung Nr. 6 des Hauses Wien 6., B.-Gasse 1. Mit Brief vom 4. September 1958 teilte die Beklagte dem mit der Verwaltung des Hauses betrauten Realitätenbüro mit, daß sie die Schwester der Verstorbenen sei, mit ihr seit zirka 10 Jahren in der gekundigten Wohnung gelebt habe und daher gemäß § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. in die Mietrechte der Verstorbenen eingetreten sei.
Die Klägerin kundigte mit der am 29. September 1958 überreichten, am 6. Oktober 1958 der Beklagten zugestellten Kündigung dieser die Wohnung für 30. November 1958 aus dem Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. mit der Begründung auf, daß ein dringendes Wohnungsbedürfnis der Beklagten an der Wohnung jedenfalls nicht bestehe. Die Frage, ob die Beklagte die Schwester der Verstorbenen sei und ob sie im gemeinsamen Haushalt mit der Verstorbenen gelebt habe, ließ die klagende Partei in der Kündigung mit dem Bemerken offen, daß die Beklagte diese Umstände nachzuweisen haben werde. In der Streitverhandlung behauptete die Klägerin, daß auch die Voraussetzung des gemeinsamen Haushaltes im Sinn des § 19 Abs. 2 Z. MietG. fehle. Der Umstand, daß die Beklagte die Schwester der verstorbenen Mieterin ist, wurde in der Verhandlung außer Streit gestellt. Am 17. September 1958 war vom Verlassenschaftsgericht der Beschluß gefaßt worden, daß eine Verlassenschaftsabhandlung nach Hermine S. nicht stattfinde. Zum Verlassenschaftskurator wurde zunächst die Beklagte bestellt und, nachdem sie wegen Kollisionsgefahr enthoben worden war, am 10. Oktober 1958 ihr Gatte Eduard S. Mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 13. Oktober 1958 wurde die vom Verlassenschaftskurator abgegebene Erklärung, alle Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag an die Beklagte zu übertragen, abhandlungsbehördlich genehmigt.
Das Erstgericht hob die Kündigung mit der Begründung auf, daß zur Kündigung nur die Verlassenschaft passiv legitimiert gewesen wäre und überdies die Kündigung erst für den 31. Jänner 1959 hätte erfolgen können, weil vierteljährliche Kündigung vereinbart sei.
Das Berufungsgericht hielt beide Aufhebungsgrunde für nicht gerechtfertigt und verwies demnach die Rechtssache zur Prüfung der Berechtigung des geltend gemachten Kündigungsgrundes an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge und hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Eine auf § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. gestützte Kündigung ist stets gegen den Nachlaß oder im Fall seiner Einantwortung gegen die Erben zu richten (SZ. XIX 88 = MietSlg. 12.893; JBl. 1937 S. 430 = MietSlg. 12.894; MietSlg. 572, 3259). Wurde die Verlassenschaftsabhandlung armutshalber abgetan, ist der Mietvertrag der Verlassenschaft zu Handen eines zu bestellenden Verlassenschaftskurators zu kundigen (NotZ. 1930 S. 141 = MietSlg. 12.897; MietSlg. 1955, 1956, 12.898), allenfalls zu Handen der Erben, die eine Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG. erhalten haben (MietSlg. 1954, 1955). Daß der Verlassenschaft oder den Erben, nicht aber den im Sinn des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. eintrittsberechtigten nahen Angehörigen zu kundigen ist, ergibt sich daraus, daß jede Kündigung eines Mitvertrages den Bestand des zu kundigenden Mietverhältnisses voraussetzt, ein solches Mietverhältnis mit dem gekundigten nahen Angehörigen aber gar nicht bestunde, wenn die Kündigung materiell gerechtfertigt und der Gekundigte nicht eintrittsberechtigt im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. wäre. Die Kündigung könnte nie zu einem Erfolg führen: weist der gekundigte Hausgenosse die Voraussetzungen seines Eintrittes in das Bestandverhältnis nach, dann müßte die Kündigung mangels des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. aufgehoben werden; weist er sie nicht nach, dann müßte die Kündigung deshalb unwirksam bleiben, weil ein nicht eintrittsberechtigter Hausgenosse nicht Mieter und daher nicht der richtige Beklagte wäre (SZ. XIX 88). Der
in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung MietSlg. 4039 =
EvBl. 1955 Nr. 48 = JBl. 1955 S. 124 = ImmZ. 1955 S. 74 vertretene
Grundsatz, daß durch ein gegen die Verlassenschaft in einem Kündigungsverfahren, an dem der Eintrittsberechtigte nicht beteiligt war, erwirktes Urteil das mit dem Eintrittsberechtigten kraft Gesetzes begrundete Mietverhältnis nicht aufgelöst werden kann, steht damit nicht im Widerspruch. Die Richtigkeit dieses Grundsatzes ergibt sich daraus, daß zur Zeit der Kündigung nicht mehr die Beklagte Verlassenschaft, sondern kraft Gesetzes der Eintrittsberechtigte Mieter war. Es kann daher trotz rechtskräftig gegen die Verlassenschaft ausgesprochener Kündigung der nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. kraft Gesetzes in den Mietvertrag Eingetretene den Bestand seines Mietverhältnisses, wie im Fall der Entscheidung MietSlg. 4039, mit Feststellungsklage oder mit Klage nach § 37 EO. (SZ. XIX 88) geltend machen. Daraus ergibt sich aber nicht die Folgerung, daß der Eintrittsberechtigte zu kundigen gewesen wäre, sondern nur, daß überhaupt nicht zu kundigen gewesen wäre. Der in der erwähnten Entscheidung ausgesprochene Rechtssatz, daß im Fall des Eintrittes nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. das Mietverhältnis nur gegen den Eintrittsberechtigten aufgekundigt werden kann, ist mit der Einschränkung richtig, daß das Mietverhältnis aus anderen Kündigungsgrunden als dem Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. nur gegen den in den Mietvertrag Eingetretenen aufgekundigt werden kann. Aus dem Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 11 MietG. hingegen kann, wenn alle Voraussetzungen für den Eintritt in den Mietvertrag im Sinne dieser Gesetzesstelle zutreffen, überhaupt nicht gekundigt werden, während dann, wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen, nur die Verlassenschaft oder der Erbe gekundigt werden kann, weil derjenige, der fälschlich sein Eintrittsrecht behauptet, nicht Mieter ist und ihm daher ein Mietvertrag nicht aufgekundigt werden kann.
Daraus ergibt sich, daß das Erstgericht mit Recht die Kündigung wegen mangelnder Passivlegitimation der Beklagten aufgehoben hat. Dies führt, ohne daß auf die Frage nach der Gesetzmäßigkeit des Kündigungstermines einzugehen war, zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil die Sache spruchreif ist.
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