OGH 4Ob42/59

OGH4Ob42/5912.5.1959

SZ 32/60

Normen

ABGB §1486 Z5
ABGB §1486 Z5

 

Spruch:

Auch die Ansprüche der Vertragsbediensteten des Bundes verjähren nach § 1486 Z. 5 ABGB.

Entscheidung vom 12. Mai 1959, 4 Ob 42/59.

I. Instanz: Arbeitsgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger war seit 20. Mai 1949 als Vertragsbediensteter des Bundes bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten bedienstet. Er war am 9. Oktober 1952 fristlos entlassen worden, weil er wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt verurteilt worden war. Nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens wurde dieses am 27. November 1954 eingestellt. Am 1. September 1955 wurde der Kläger wieder in Dienst gestellt. Er begehrte beim Arbeitsgericht Klagenfurt zu Cr 91/58 die Feststellung, daß das Dienstverhältnis ununterbrochen seit 20. Mai 1949 aufrecht bestehe, die Leistung von Bezügen für die Zeit vom 1. Mai 1955 bis 31. Mai 1955 sowie die Differenz zwischen dem ihm ab 1. September 1955 gezahlten Entgelt und dem ihm gebührenden Entgelt, das sich bei Anrechnung der gesamten Dienstzeit ab 20. Mai 1949 ergebe. Das Arbeitsgericht entschied antragsgemäß. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Nunmehr begehrte der Kläger die Nachzahlung der Dienstbezüge für die Zeit vom 10. Oktober 1952 bis 30. April 1955.

Das Arbeitsgericht entschied mit Zwischenurteil, daß dieses Begehren dem Gründe nach nicht zu Recht bestehe, weil die Forderung verjährt sei. Unter die Bestimmung des § 1486 Z. 5 ABGB. fielen die Forderungen der Dienstnehmer aus den Dienstverträgen aller Privatbediensteten. Vertragsbedienstete des Bundes seien zwar öffentliche, nicht aber öffentlich-rechtliche Bedienstete. Ihr Dienstverhältnis gehöre dem Privatrecht an. Auch die Ansicht des Klägers, daß die Verjährungsfrist erst mit der Rechtskraft des Feststellungsurteiles vom 18. Juli 1958, Cr 91/58, zu laufen begonnen habe, stehe mit seinem eigenen Verhalten im Widerspruch, weil er schon in dieser Klage ein Zahlungsbegehren gestellt habe. Die Verjährungsfrist habe vielmehr bereits mit der Beseitigung des Strafurteiles begonnen. Der Einstellungsbeschluß sei dem Kläger am 3. Dezember 1954 zugestellt worden. Auch von einer Sittenwidrigkeit könne im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Verjährung nicht gesprochen werden. Der Kläger könne keine Tatsache behaupten, durch die er an der Geltendmachung seiner Ansprüche gehindert worden sei. Gerade der Inhalt seiner Klage zu Cr 91/58 zeige, daß er nicht gehindert gewesen sei, weil er dort seine Forderungen für einen späteren Zeitraum geltend gemacht habe, ohne daß die Dienstbehörde ihre rechtliche Auffassung über die Folgen der Entlassung vorher geändert hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstrichterliche Entscheidung. Privatbedienstete im Sinne des § 1486 Z. 5 ABGB. seien alle Dienstnehmer, deren Dienstverhältnis auf dem Privatrecht beruhe. Dies gelte auch für das Dienstverhältnis der bei öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften vertraglich bediensteten Personen. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger versucht, den im § 1486 Z. 5 ABGB. gebrauchten Ausdruck "Privatbediensteter" dem Begriff des "öffentlichen Bediensteten" gegenüberzustellen, der sowohl die öffentlich-rechtlichen Bediensteten der Gebietskörperschaften als auch deren Vertragsbedienstete umfasse. Er leitet diese Unterscheidung aus dem Herrenhausbericht (Nr. 29 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, XVIII. Session, 1907) ab, wo von den "im Privatdienst stehenden Personen" gesprochen wird. Daraus ist aber nichts zu gewinnen. Durch die III. Teilnovelle wurde dem Dienstvertragsrecht eine neue Fassung gegeben und gleichzeitig auch die Bestimmung des § 1486 Z. 5 ABGB. neu geschaffen. Sicherlich dachte der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Bestimmung nicht ausdrücklich auch an die "Privatbediensteten" öffentlicher Körperschaften. Es ist aber nie daran gezweifelt worden, daß es sich dabei um die Regelung der Ansprüche aus Dienstverhältnissen handelt, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Auch der Hinweis auf § 3 HandlungsgehilfenG., wonach die Bediensteten des Staates und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen waren, beweist nicht das Gegenteil, weil es sich bei diesem Gesetz um ein Spezialgesetz für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe handelte, zu denen die Bediensteten des Staates nicht gezählt wurden. Auf letztere fanden aber die Bestimmungen des ABGB. über den Dienstvertrag Anwendung, und darauf kommt es entscheidend an. Das Vertragsbedienstetengesetz ist ein arbeitsrechtliches Spezialgesetz für eine bestimmte Gruppe von Dienstnehmern, deren Dienstverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht. Das ABGB. findet daher subsidiär auch auf die Vertragsbediensteten Anwendung. Alle Dienstverhältnisse, für die zumindest subsidiär die Bestimmungen des ABGB. über den Dienstvertrag Anwendung finden, unterliegen auch der Verjährungsvorschrift des § 1486 Z. 5 ABGB. Dieser Standpunkt wird auch einhellig in der Lehre (Klang 2. Aufl. VI 625; Lenhoff in JBl. 1917 S. 325 ff.) und in der Rechtsprechung (ArbSlg. 6332) vertreten. Die Revisionsausführungen vermögen gegen diese Ansicht nichts Überzeugendes vorzubringen.

Die Überlegungen der Revision zur Bedeutung des rechtskräftigen Feststellungsurteiles für die Frage der Verjährung des Entgeltsanspruches scheitern zunächst an der Tatsache, daß im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage die nunmehr geltend gemachte Forderung bereits verjährt war, die Verjährung daher durch dieses Urteil nicht mehr unterbrochen werden konnte. Der Kläger hat selbst in der Feststellungsklage auf die Verjährung seiner Ansprüche bis 1. Mai 1955 hingewiesen. Die Feststellung betraf aber auch nur den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses und besagte, daß das Dienstverhältnis trotz der Entlassung als ununterbrochen bestehend angesehen werden müsse. Das Feststellungsurteil hat keine rechtsgestaltende Wirkung, durch die der Kläger erst in die Lage versetzt worden wäre, seine Ansprüche geltend zu machen. An der Geltendmachung war er lediglich durch seine strafgerichtliche Verurteilung gehindert. Mit dem Wegfall dieses Hindernisses stand der Geltendmachung seiner Entgeltsansprüche, die damit auch fällig geworden waren, nichts mehr im Weg. Von diesem Zeitpunkt an lief daher - wie der Oberste Gerichtshof in einem gleichgelagerten Fall in ArbSlg. 6332 bereits erklärte - die Verjährungszeit.

Der Kläger versucht dem durch die Erwägung zu begegnen, daß erst durch das Feststellungsurteil ein nicht mehr bestehendes Dienstverhältnis mit konstitutiver Wirkung hergestellt worden sei und die Verjährungszeit daher erst mit der Rechtskraft des Feststellungsurteiles zu laufen begonnen habe. Dazu ist schon ausgeführt worden, daß das Feststellungsurteil keine rechtsgestaltende Wirkung hatte, daher auch an der bereits eingetretenen Fälligkeit des Entgeltsanspruches nichts ändern konnte. Die Feststellung des Weiterbestandes des ursprünglichen Dienstverhältnisses kann aber auch nicht als Feststellung des aufrechten Bestandes des Entgeltsanspruches angesehen werden. Es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, in denen trotz des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses ein Entgeltsanspruch für eine bestimmte Zeit nicht besteht. Das festgestellte Dienstverhältnis bildet bei der rechtlichen Beurteilung des Entgeltsanspruches nur eine (bereits rechtskräftig entschiedene) Vorfrage und hindert auch die Einrede der Verjährung nicht.

Von einer Sittenwidrigkeit der Verjährungseinrede kann keine Rede sein. Der Kläger meint, daß durch die Erhebung der Einrede gegen "leitende Prinzipien der österreichischen Rechtsordnung" verstoßen worden sei, nämlich gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und gegen den Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstgebers. Das vom Kläger herangezogene und in Photokopie vorgelegte Urteil des deutschen Bundesarbeitsgerichtes 3 AZR 301/54 besagt hiezu nichts, weil es einen anderen Sachverhalt betrifft. Dort war der Klägerin die Möglichkeit, einen Teil einer Zulage rechtzeitig geltend zu machen, dadurch entzogen worden, daß die Dienstbehörde den Erlaß, in welchem die Zulage versprochen wurde, ihren Dienstnehmern nicht bekanntgegeben hat. Mit einem solchen Verhalten des Dienstgebers hielt das Bundesarbeitsgericht die Verjährungseinrede nicht für vereinbar, weil es "Fürsorgepflicht des Dienstgebers sei, seine Dienstnehmer über ihr Einkommen zu unterrichten", und es Treu und Glauben widerspreche, wenn die beklagte Dienstbehörde sich in diesem Fall darauf berufe, daß die Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Der hier vorliegende Fall ist diesem nicht rechtsähnlich. Der Dienstgeber kann nicht verhalten werden, dem Dienstnehmer in seinen Angelegenheiten Rechtsbelehrungen zu geben, noch dazu wie hier in einer - wie die Revision selbst zugibt - äußerst strittigen Frage der Wirksamkeit einer Entlassungserklärung. Der Tatbestand war dem Kläger genau so bekannt wie der beklagten Partei. Wenn die beklagte Partei dem Kläger über sein Befragen ihre Rechtsmeinung dahin zum Ausdruck brachte, daß die Entlassung jedenfalls zu einer Lösung des Dienstverhältnisses geführt habe, so kann darin, auch wenn dieser Ansicht nicht zugestimmt wird, ein Verstoß gegen Treu und Glauben oder gegen die Fürsorgepflicht des Dienstgebers nicht erblickt werden.

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