Spruch:
Zur Sicherung des durch die Bewilligung der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft erworbenen Befriedigungsrechtes kann eine einstweilige Verfügung nach §§ 381 ff. EO. erlassen werden.
Entscheidung vom 22. April 1959, 2 Ob 194/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Spittal an der Drau; II. Instanz:
Landesgericht Klagenfurt.
Text
Die gefährdete Partei verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 28. November 1958 die ihr gehörige Hälfte der Liegenschaft EZ. 22 GB. H. dem Gegner. Am 15. Jänner 1959 wurde ihr zur Hereinbringung der Kaufpreisrestforderung von 160.000 S die Zwangsversteigerung der dem Gegner gehörigen anderen Liegenschaftshälfte bewilligt. Am 23. Jänner 1959 stellte sie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes, daß dem Gegner zur Sicherung des bereits durch die Bewilligung der Zwangsversteigerung erworbenen Befriedigungsrechtes die Veräußerung und Wegschaffung einer derzeit auf der Liegenschaft noch befindlichen Kuh sowie sonstiger zum Zubehör der Liegenschaft gehörender Vermögensstücke, weiters die Veräußerung auf der Liegenschaft geschlägerten Holzes, insbesondere aber die Schlägerung der derzeit noch stehenden Obstbäume verboten werde.
Das Erstgericht bewilligte die einstweilige Verfügung und verbot dem Gegner die Veräußerung und Wegschaffung der derzeit auf der Liegenschaft noch befindlichen Kuh sowie sonstiger zum Zubehör der Liegenschaft gehörender Vermögensstücke, ferner die Schlägerung der auf der Liegenschaft befindlichen Obstbäume.
Infolge Rekurses des Gegners wies das Rekursgericht den Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab, im wesentlichen mit der Begründung, daß es sich um die Sicherung einer Geldforderung handle und daß in diesem Falle eine einstweilige Verfügung der beantragten Art rechtlich unmöglich sei; um zur Verhütung schädigender Handlungen während des Versteigerungsverfahrens stärkeren Einfluß über die in Exekution gezogene Liegenschaftshälfte zu gewinnen, könne die gefährdete Partei auf Grund des Exekutionstitels Zwangsverwaltung führen; auch Fahrnisexekution in Gegenstände des beweglichen Vermögens des Gegners sei möglich.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit der Ansicht, die gefährdete Partei wolle offenbar ihren Anspruch auf Hereinbringung der Kaufpreisforderung sichern, setzt sich das Rekursgericht über das Parteivorbringen hinweg. Denn es ist vom Antrag der gefährdeten Partei auszugehen, die nicht die Sicherung einer Geldforderung, sondern ihres durch die Bewilligung der Zwangsversteigerung erworbenen Befriedigungsrechtes begehrt.
Nun wird in der Rechtslehre ein Sicherungsanspruch des Pfandgläubigers gegen eine vom Eigentümer der Pfandsache schuldhaft herbeigeführte Verschlechterung der Pfandsache allgemein anerkannt (der Oberste Gerichtshof folgt in den nachstehenden Ausführungen den Darlegungen Don Klang, der Schutz des Liegenschaftspfandgläubigers gegen Verschlechterungen der Pfandsache, GerZ. 1903 S. 307 ff., 315 ff., 324 ff.). Dieser Sicherungsanspruch steht nicht nur dem Vertragspfandgläubiger zu, er muß vielmehr in ganz gleichem Umfange auch dem Inhaber eines gesetzlichen oder richterlichen Pfandrechtes eingeräumt werden. Des erforderlichen Schutzes entbehrt aber der betreibende Gläubiger, wenn er Exekution durch Zwangsversteigerung führt, weil hier zwischen der Einleitung der Zwangsvollstreckung und dem Tage des Zuschlages ein längerer Zeitraum liegt, während dessen der Verpflichtete zur Verwaltung des in Exekution gezogenen Objektes rechtlich befugt und daher praktisch in der Lage ist, dieses durch schlechte Wirtschaft oder durch direkte Bosheitsakte zu entwerten. Wenn nun auch dieses Befriedigungsrecht im Gesetz nicht als Pfandrecht bezeichnet wurde, so gewährt es doch dem Gläubiger ein festes Recht auf Befriedigung aus dem Exekutionsobjekt in der durch die Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens bestimmten Rangordnung und erzeugt daher eine ähnliche Sachhaftung wie das Pfandrecht selbst - dies allerdings nur beschränkt auf die Dauer der Anhängigkeit des Versteigerungsverfahrens. Es kommt daher auch dem betreibenden Gläubiger in diesem Verfahren ein Anspruch auf Verhinderung von Verschlechterungen durch den Verpflichteten zu.
Das ordnungswidrige Abholzen eines Obstgartens und der Abverkauf nahezu des gesamten Viehbestandes eines Bauernhofes stellen geradezu typische Handlungen des Eigentümers dar, die eine Verminderung der Sicherheit des Gläubigers mit Gewißheit erwarten lassen und daher die Geltendmachung seiner Sicherungsbefugnisse rechtfertigen.
Als Mittel zum Schutz dieses Anspruches auf Beseitigung einer für den Gläubiger gefahrdrohenden Situation muß aber auch die Erlassung einstweiliger Verfügungen in Anwendung der §§ 381 ff. EO. für zulässig angesehen werden. Dafür sprechen - abgesehen davon, daß es sich um die nach dem Wortlaut des Gesetzes gewiß nicht unzulässige Befriedigung eines zweifellos vorhandenen praktischen Bedürfnisses handelt - vor allem die Motive, welche bei der Schaffung des Unterschiedes zwischen der Sicherung von Geldforderungen und jener anderer Ansprüche maßgebend waren. Entscheidend für die ungünstigere Behandlung der Geldforderungen war die Erwägung, daß zwischen diesen und den einzelnen Vermögensobjekten des Schuldners eine rechtliche Beziehung nicht besteht, daß daher eine Gefährdung der Forderung erst durch die Gefahr der Insuffizienz des gesamten Vermögens des Schuldners herbeigeführt wird. Dieses Motiv trifft dort nicht zu, wo es sich um den Schutz des Hypothekarrechtes handelt; denn in diesem Falle ist eine spezielle Verbindung zwischen dem Recht des Gläubigers und einem bestimmten Vermögensobjekt des Schuldners geschaffen, vermöge deren der Gläubiger seine Befriedigung gerade auf diesem besonderen Vermögensstück suchen können soll. Steht der Schutz des Pfandgläubigers gegenüber dem Hypothekarschuldner im engeren Sinn in Frage, dann ist das Hypothekarobjekt zugleich das einzige Befriedigungsobjekt für den Gläubiger, und hier ist dann die Beziehung zwischen dem zu schützenden Anspruch und dem Vermögensobjekt in schärfster Weise ausgeprägt; es ist also nicht die Bezahlung der Forderung schlechthin, die durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll, sondern der Anspruch des Gläubigers auf Befriedigung aus einem bestimmten Gegenstand, mithin tatsächlich ein von der Geldforderung verschiedener Anspruch. Daraus folgt aber, daß die Zahl der zur Verfügung stehenden Schutzmittel keine beschränkte ist, daß vielmehr je nach Beschaffenheit des einzelnen Falles die erforderlich erscheinenden Maßnahmen in Anwendung zu bringen sind. Aus der Natur der Sache wie aus der Vorschrift des § 392 Abs. 2 EO. ergibt sich, daß entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes immer jenes Mittel zu wählen sein wird, durch das das Verfügungsrecht des Eigentümers am wenigsten beschränkt wird. Es hat daher die Verwaltung der Liegenschaft als die weiter reichende Beschränkung erst dann einzutreten, wenn mit Geboten und Verboten im Sinne des § 382 Z. 4 und 5 EO. kein Auslangen gefunden wird.
Der Anspruch der gefährdeten Partei ist ausreichend bescheinigt. Die Gefährdung hat das Erstgericht nicht zuletzt auf Grund der eigenen Angaben des Gegners mit Recht als bescheinigt angenommen.
Daß der Befriedigungsanspruch der gefährdeten Partei durch den in Form eines vollstreckbaren Notariatsaktes bereits vorliegenden Exekutionstitel nicht ausreichend gesichert ist, beweist allein schon das als bescheinigt angenommene Verhalten des Gegners. Der Hinweis des Rekursgerichtes auf die hinreichende Sicherung des gegenständlichen Anspruches durch die auf Grund des Exekutionstitels der gefährdeten Partei gegebene Möglichkeit, Zwangsverwaltung oder Fahrnisexekution zu beantragen, geht auch mit Rücksicht darauf, daß die einstweilige Verfügung nicht dem Zweck der Tilgung einer vollstreckbaren Geldforderung dient, ins Leere.
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