OGH 4Ob13/59

OGH4Ob13/5924.3.1959

SZ 32/39

Normen

AngG §27 Z1
AngG §27 Z1

 

Spruch:

Der Entlassungsgrund nach § 27 Z. 1 AngG. gilt auch für nicht mit der Vermittlung oder dem Abschluß von Geschäften betraute Angestellte.

Entscheidung vom 24. März 1959, 4 Ob 13/59.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger begehrte die Zahlung von Gehaltsbeträgen für die Zeit vom 1. Februar 1956 bis 17. September 1957 sowie von Kündigungsentschädigung wegen ungerechtfertigter Entlassung an diesem Tag. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und machte Gegenforderungen in einem den Klagebetrag übersteigenden Betrag geltend.

Das Erstgericht erklärte die Klageforderung mit einem Betrag von

22.580 S, die Gegenforderungen mit dem Betrag von 18.851 S 25 g als zu Recht bestehend und sprach dem Kläger den Betrag von 3728 S 75 g zu. Der Beklagte wurde außerdem verhalten, dem Kläger ein Dienstzeugnis, die Lohnsteuerkarte und die Arbeitnehmerbestätigung auszufolgen. Der vom Beklagten geltend gemachte Entlassungsgrund wurde nicht anerkannt.

Das Ersturteil wurde nur von der beklagten Partei und nur hinsichtlich der Feststellung des dem Kläger gebührenden Betrages bekämpft.

Das Berufungsgericht erklärte die Klageforderung mit einem Betrag von 14.855 S 93 g als zu Recht bestehend und wies das Klagebegehren mit Rücksicht auf die Höhe der Gegenforderung zur Gänze ab. Es trat der Meinung des Erstgerichtes bei, daß das Angestelltenverhältnis des Klägers bereits am 1. Februar 1956 begonnen habe, hielt aber die Entlassung des Klägers für gerechtfertigt, so daß dem Kläger eine Kündigungsentschädigung nicht gebühre.

In der Revision wendet sich der Kläger gegen den vom Berufungsgericht angenommenen Entlassungsgrund. Der Beklagte hatte in der Berufung als Entlassungsgrund neu geltend gemacht, daß der Kläger hinter dem Rücken des Beklagten eine Provision von 500 S angenommen habe. Das Berufungsgericht stellte auf Grund der Parteiaussage des Klägers fest, daß der Kläger von Ing. Günther S., der für den Beklagten eine Filiale ausgebaut hatte, eine Provision von 500 S erhalten hat. Die Annahme einer Provision sei nach § 27 Z. 1 AngG. ein wichtiger Grund zur sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses. In der Revision wird dazu ausgeführt, daß dieser Entlassungsgrund verspätet vorgebracht worden sei. Die nicht rechtzeitige Geltendmachung des Entlassungsgrundes bedeute den Verzicht durch Verschweigung. Die Entlassung müsse unverzüglich nach Bekanntwerden des Entlassungsgrundes ausgesprochen werden. Die Annahme der Provision sei aber auch kein Entlassungsgrund. Nach § 13 AngG. sei die Annahme einer solchen nur dem Angestellten verboten, der mit dem Abschluß oder der Vermittlung von Geschäften betraut sei. Der Kläger sei aber Buchhalter gewesen. Es sei auch zu beachten, daß nach der Parteiaussage des Klägers Ing. S. billiger gewesen sei als die anderen Offerenten und die dem Kläger bezahlte Provision von seiner eigenen Provision abgezweigt habe. Eine Übervorteilung des Beklagten sei daher nicht eingetreten. Das Verfahren sei aber auch mangelhaft geblieben, weil dem Antrag auf Vernehmung des Ing. S. nicht stattgegeben wurde. Es wäre notwendig gewesen, den Grund der Zuwendung zu erörtern. Eine solche Befragung hätte ergeben, daß die Zuwendung in keinem Zusammenhang mit dem erteilten Auftrag stand, sondern für eine ganz andere Leistung gegeben wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger irrt, wenn er meint, daß der Entlassungsgrund verspätet geltend gemacht worden sei. Neue Entlassungsgrunde können zur Rechtfertigung einer bereits ausgesprochenen Entlassung auch nachträglich herangezogen werden, wenn sie im Zeitpunkt der Entlassung bereits vorgelegen sind (vgl. hierüber die einhellige Rechtsprechung SZ. I 77, ferner ArbSlg. 4144, 5200, 5736). Es kann dies auch noch im Berufungsverfahren nachgeholt werden (vgl. ArbSlg. 6538).

Der Kläger beruft sich aber auch zu Unrecht auf die Bestimmung des § 13 AngG. Nach § 27 Z. 1 AngG. ist es ein wichtiger Grund, der zur Entlassung des Angestellten berechtigt, wenn der Angestellte sich in seiner Tätigkeit ohne Wissen oder Willen des Dienstgebers von dritten Personen unberechtigte Vorteile zuwenden läßt. Dieser Entlassungsgrund gilt für alle Angestellten, nicht nur für die im § 13 AngG. genannten. Die Provisionsannahme nach § 13 AngG. ist im § 27 Z. 1 AngG. nur beispielsweise hervorgehoben. Dazu kommt aber noch, daß der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes und nach seinem eigenen Vorbringen nicht nur Buchhalter war, sondern den Beklagten in allen geschäftlichen Belangen vertreten hat. Gerade Ing. S., von dem er die Provision nahm, sagte als Zeuge vernommen aus, daß er teils mit dem Kläger, teils mit dem Beklagten verhandelt und ihn der Beklagte selbst an den Kläger verwiesen habe. Der Kläger muß daher gegenüber Ing. S. als zum Abschluß oder zumindest zur Vermittlung des Bauauftrages ermächtigt angesehen werden, so daß die Bestimmung des § 13 AngG. auf ihn Anwendung zu finden hat. Eine Schädigung des Dienstgebers durch die Provisionsannahme ist nicht erforderlich. Der Entlassungsgrund ist unabhängig von der Tatsache einer solchen Schädigung gegeben. Es kommt nur darauf an, daß der Angestellte sich einen Vorteil zuwandte, der ihm nach seinem Dienstvertrag nicht gebührte.

Die neuerliche Vernehmung des Zeugen Ing. S. war nicht notwendig, weil der Sachverhalt auf Grund der Parteiaussage des Beklagten selbst genügend geklärt war. Der Zusammenhang der angenommenen Provision mit dem dem Ing. S. erteilten Auftrag ergibt sich daraus eindeutig. Der Kläger führte nämlich an, daß Ing. S. billiger war als die anderen Bieter und daß er die Provision aus seiner eigenen Architektenprovision abzweigte. Damit hat der Kläger selbst den Zusammenhang der Provisionsannahme mit dem abgeschlossenen Geschäft zugegeben, und das Berufungsgericht konnte diesen Sachverhalt auf Grund der Parteiaussage feststellen. Das Revisionsgericht ist an diese Feststellung gebunden. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

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