OGH 3Ob15/59

OGH3Ob15/5911.3.1959

SZ 32/33

Normen

ZPO §530 Abs1 Z7
ZPO §541
ZPO §530 Abs1 Z7
ZPO §541

 

Spruch:

Bei einer nach § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. auf anthropologischerbbiologische Untersuchung gestützten Wiederaufnahmsklage gegen ein Vaterschaftsfeststellungsurteil kann über die Wiederaufnahme des Verfahrens erst nach Durchführung der Untersuchung entschieden werden.

Entscheidung vom 11. März 1959, 3 Ob 15/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Melk; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Das Erstgericht hatte mit Urteil vom 5. Oktober 1955, 1 C 287/55-8, das Klagebegehren des am 19. April 1955 außerehelich geborenen mj. Josef A. auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft des Josef B. und das damit verbundene Unterhaltsbegehren rechtskräftig abgewiesen.

Am 30. Juni 1958 brachte der mj. Josef A., vertreten durch seinen Vormund, die Wiederaufnahmsklage mit der Behauptung ein, es zeige sich eine auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Kind und dem Beklagten,; eine anthropologisch-erbbiologische Untersuchung wurde daher einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad der Vaterschaft des Beklagten ergeben; dieses erst nach Vollendung des dritten Lebensjahres zur Verfügung stehende Beweismittel sei geeignet, die Glaubwürdigkeit der Kindesmutter entscheidend zu stützen und eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen.

Das Erstgericht wies das Wiederaufnahmsbegehren ab. Das beantragte anthropologisch-erbbiologische Gutachten könnte lediglich von einer Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten sprechen, diesen aber nie als Vater bezeichnen. Auf die bloße Wahrscheinlichkeit allein könnte sich ein dem Klagebegehren in der Hauptsache stattgebendes Urteil mangels weiterer Beweise kaum stützen.

Das Berufungsgericht änderte das erstrichterliche Urteil ab, bewilligte die Wiederaufnahme und hob das in dem seinerzeitigen Verfahren ergangene Urteil vom 5. Oktober 1955 auf. Der erst nach dem Ende des Hauptprozesses benützbare Beweis durch anthropologischerbbiologische Untersuchung bilde einen Wiederaufnahmsgrund; es sei auch die Frist des § 534 ZPO. gewahrt. Die Prüfung, ob die anthropologisch-erbbiologische Untersuchung tatsächlich eine andere Entscheidung im Hauptprozeß herbeiführe, sei dem wiederaufgenommenen Verfahren vorbehalten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann eine Wiederaufnahmsklage gegen ein im Vaterschaftsprozeß ergangenes Urteil nach § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO. auch auf eine erst nach dem Ende des Vorprozesses möglich gewordene anthropologisch-erbbiologische Untersuchung gestützt werden. Die Berufung auf dieses Beweismittel allein genügt jedoch nicht, um bereits die Wiederaufnahme zu bewilligen. Da die anthropologisch-erbbiologische Untersuchung in solchen Fällen im Vorprozeß nicht durchgeführt werden konnte, weil die Ähnlichkeitsmerkmale wegen des zu geringen Alters des Kindes noch nicht ausgebildet waren, kann nicht geprüft werden, ob die Benützung dieses Beweismittels im früheren Verfahren eine dem Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte, sondern es wird zu prüfen sein, ob das Ergebnis der Untersuchung eine günstigere Entscheidung nunmehr in der Hauptsache herbeizuführen geeignet wäre. Um auch nur die Möglichkeit annehmen zu können, daß eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeigeführt werden könnte, muß bereits im Wiederaufnahmeverfahren (judicium rescindens) die anthropologisch-erbbiologische Untersuchung durchgeführt werden. Nur wenn die Untersuchung zugunsten des Wiederaufnahmsklägers ausfällt, wird ihr Ergebnis unter Umständen die Beweiswürdigung im Vorprozeß beeinflussen können und die Bewilligung der Wiederaufnahme und damit die Aufhebung des Urteils des Vorprozesses rechtfertigen. In diesem Umfang ist auch eine beschränkte Beweiswürdigung bereits im Wiederaufnahmeverfahren vorzunehmen. Die Frage allerdings, ob dem Gutachten über die durchgeführte Untersuchung volle Beweiskraft zuzubilligen und wie es zu würdigen ist, wird erst im wiederaufgenommenen Verfahren (judicium rescissorium) im Zusammenhang mit den übrigen Beweisergebnissen zu prüfen und zu entscheiden sein. Aufgabe des Wiederaufnahmeverfahrens in den Fällen, in denen über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme mündlich zu verhandeln ist, ist es, zu erweisen und zu beurteilen, ob Gründe vorliegen, das Urteil des Vorprozesses zu beseitigen und neuerlich über den Anspruch zu entscheiden. Dies kann nur nach Aufnahme des als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten neuen Beweismittels erfolgen (vgl. 7 Ob 221/55, 1 Ob 145/54, 3 Ob 780/52, RiZ. 1937 S. 108, RiZ. 1936 S. 223, Scheibenhof in ÖJZ. 1954 S. 81 und Fasching in JBl. 1956 S. 245). Das bloß angebotene Beweismittel der anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung an sich, also ohne Durchführung der Untersuchung im Wiederaufnahmeverfahren, genügt nicht zur Bewilligung der Wiederaufnahme. Die gegenteilige Ansicht nimmt auf die Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses zu wenig Rücksicht.

Da die Untergerichte ohne Durchführung der anthropologischerbbiologischen Untersuchung im Wiederaufnahmeverfahren über die Wiederaufnahme entschieden haben, liegen wesentliche Feststellungsmängel vor, die zur Aufhebung beider Urteile führen mußten.

Für den Fall der Bewilligung der Wiederaufnahme wird das weitere Verfahren zweckmäßigerweise im Sinn des § 542 ZPO. durchzuführen sein.

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