OGH 6Ob350/58

OGH6Ob350/5825.1.1959

SZ 32/14

Normen

ABGB §870
ABGB §1079
ABGB §1295 Abs2
ABGB §1323
ABGB §870
ABGB §1079
ABGB §1295 Abs2
ABGB §1323

 

Spruch:

Der im Vorkaufsrecht Verletzte kann Naturalersatz durch Ermöglichung des Liegenschaftserwerbes verlangen.

Die Einwendung der Arglist schließt nicht die der schikanösen Rechtsausübung in sich.

Entscheidung vom 25. Jänner 1959, 6 Ob 350/58.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Hans K. erbte im Jahr 1945 die Liegenschaften EZ. 248 GB. W. mit den Parzellen 29 Bauarea (Haus Nr.24), 345/1 Garten, 345/3 Garten, und EZ. 271 GB. W. mit den Parzellen 336 Wiese und 337 Acker. Das Haus Nr. 24 galt als sogenanntes "Doktorhaus", weshalb sich auch der Beklagte, der im Jahre 1946 Gemeindearzt von W. wurde, dort etablierte. Am 22. Dezember 1954 schloß er mit dem damals noch minderjährigen, durch einen besonderen Kurator vertretenen Hans K. mit vormundschaftsbehördlicher Genehmigung einen Mietvertrag über das Haus samt Garten, in dem ihm auch das Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Eine Verbücherung dieses Rechtes erfolgte nicht.

Im Juni 1957 kam zwischen dem nunmehr großjährig gewordenen Hans K, der wohl von der Vermietung des Hauses an den Beklagten, mangels Kenntnis des schriftlichen Vertrages aber nichts von dessen Vorkaufsrecht wußte, und dem Kläger eine Vereinbarung über den Verkauf beider Liegenschaften um insgesamt 84.000 S zustande, wobei der verbücherungsfähige Vertrag später verfaßt werden sollte; der Kläger zahlte an K. in der Folge in Teilbeträgen insgesamt 27.000 S auf den Kaufpreis.

Mittlerweile hatte sich aber der Bürgermeister von W., der von der Verkaufsabsicht des K. erfahren hatte, eingeschaltet und den Versuch unternommen, ihn zu einem Verkauf an die Gemeinde zu bewegen. Tatsächlich kam es am 18. August 1957 zwischen der Gemeinde und K. zu einer schriftlichen Vereinbarung über den Ankauf nur des Hauses um 90.000 S. Vorgesehen war dabei, daß die Gemeinde einen Teilbetrag von 27.000 S an den Kläger auszahlen und der Beklagte auf sein Vorkaufsrecht zugunsten der Gemeinde verzichten sollte. Nachdem noch der Kläger bzw. sein Anwalt vergebliche Bemühungen unternommen hatten, von K. die Zuhaltung der Vereinbarung vom Juni 1957 zu erreichen, und die Gemeinde W. zugunsten des Beklagten auf den Kauf verzichtete, weil dieser selbst kaufen wollte, kam es schließlich am 20. August 1957 zur Errichtung eines verbücherungsfähigen Vertrages, mit welchem K. dem Beklagten die Liegenschaft EZ. 248 GB. W. (also das Haus Nr. 24 samt Garten) um 90.000 S verkaufte. Der Beklagte erreichte bereits am nächsten Tag die Einverleibung seines Eigentumsrechtes.

Im vorliegenden Prozeß belangte der Kläger den Beklagten auf Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob EZ. 248 GB. W. Er stützte sein Begehren darauf, daß K. die an ihn schon verkaufte Liegenschaft ohne sein Wissen in der Absicht, ihn zu schädigen, nochmals an den Beklagten verkauft habe; der Beklagte habe von dem Verkauf an ihn gewußt und den K. nicht nur arglistig unterstützt und beraten, sondern geradezu in komplottmäßigem Zusammenwirken mit K. die Erfüllung seiner Ansprüche aus dem früheren Vertrag vereitelt.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Eigentumserwerb des Beklagten könnte gemäß § 440 ABGB. nur angefochten werden, wenn ihm Arglist nachzuweisen wäre; dies sei nicht der Fall; er habe bei Abschluß seines Vertrages nicht einmal sichere Kenntnis von einem perfekten Abschluß zwischen dem Kläger und K. gehabt; er sei wohl Nutznießer des Eingreifens der Gemeinde gewesen, habe dieses aber nicht gefördert; außerdem sei das Begehren verfehlt, weil es nur eine Aufsandungerklärung enthalte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Begründung, der Beklagte habe ein Recht gehabt, den Verkauf der Liegenschaft an ihn zu verlangen; die Ausübung dieses Rechtes schließe Arglist aus; schikanöse Rechtsausübung sei nicht behauptet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß dem Beklagten ein Recht auf den Erwerb der Liegenschaft EZ. 248 GB. W. zustand, das Hans K. durch die Verkaufsvereinbarung mit dem Kläger verletzt hatte, mag auch das Vorkaufsrecht nicht verbüchert gewesen sein. Ob dem Vorkaufsberechtigten bei Außerachtlassung seines unverdinglichten Rechtes nur ein Schadenersatz- oder auch ein Erfüllungsanspruch zusteht, wird von Lehre und Judikatur nicht einheitlich beantwortet. Krasnopolski - Kafka, Österreichisches Obligationenrecht, S. 388, nehmen nur einen Schadenersatzanspruch an, ebenso der Oberste Gerichtshof in SZ. I 54, SZ. VI 25, ZBl. 1937 Nr. 362 und auch noch SZ. XXIII 356. Bettelheim in Klang 1. Aufl. II/2 S 1031 und Ehrenzweig (2. Aufl. II/1 S. 420) halten auch einen Erfüllungsanspruch für gegeben, ebenso auch anscheinend EvBl. 1957 Nr. 255 (allerdings in einem Fall ausgesprochen, in dem das Vorkaufsrecht tatsächlich verbüchert war). Eine nähere Untersuchung dieses Problems kann aber unterbleiben, weil auch der Schadenersatzauspruch gemäß § 1323 ABGB. in erster Linie auf Naturalersatz gerichtet ist. Der Beklagte hatte also ein Recht, von Hans K. zu verlangen, er solle ihn für die Verletzung des Vorkaufsrechtes dadurch entschädigen, daß er ihm auf andere Weise den Erwerb der Liegenschaft EZ. 248 GB. W. ermögliche, denn K. müßte die Einräumung des Vorkaufsrechtes durch seinen gesetzlichen Vertreter an den Beklagten gegen sich gelten lassen. Infolge dieses Rechtes des Beklagten kommt - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - Arglist, in welchem Fall allein von der Judikatur eine Anfechtung des Eigentumserwerbes nach erfolgter Verbücherung (§ 440 ABGB.) zugelassen wird (SZ. III 114, SZ. X 82 u. a.), nicht in Betracht. Darunter kann nämlich nicht, wie der Kläger anzunehmen scheint, schlechthin jede bewußte und gewollte Rechtsverwirklichung ohne Bedachtnahme auf Rechte anderer verstanden werden, sondern lediglich ein betrügerisches Vorgehen; darauf wurde die Entscheidung auch schon im SpR. 59 abgestellt. Der Beklagte hat dem Hans K. aber nicht betrügerische Umstände vorgespiegelt, welche diesen glauben ließen, er könne ihm die Liegenschaft ohne Verletzung von Rechten des Klägers verkaufen; er konnte sich vielmehr selbst auf sein Vorkaufsrecht bzw. die aus dessen Verletzung entstandenen Rechte stützen.

Der Kläger irrt mit seiner Meinung, die Behauptung arglistigen Vorgehens umfasse auch die Behauptung schikanöser Rechtsausübung. Beides hat miteinander nichts zu tun. Wer arglistig vorgeht, täuscht einen ihm nicht zustehenden Anspruch vor; wer gegen das Schikaneverbot verstößt, hat ein Recht, macht davon aber ausschließlich zum Zweck der Schädigung eines anderen Gebrauch. Daß der Beklagte ausschließlich zum Zweck der Schädigung des Klägers gehandelt hätte, war - wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat - gar nicht behauptet worden. Es fehlen dafür auch alle Anhaltspunkte, da der Beklagte offensichtlich ein Interesse daran hatte, das von ihm nur gemietete Doktorhaus zu erwerben.

Daß sich der Beklagte bereit fand, dem Hans K. einen höheren Kaufpreis zu zahlen, als er bei Ausübung seines Vorkaufsrechtes in bezug auf die Kaufvereinbarung zwischen K. und dem Kläger hätte zahlen müssen, vermag diesem ebenfalls nicht zu einem Erfolg zu verhelfen, weil auch darin keine Arglist im dargelegten Sinn erblickt werden kann.

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