OGH 4Ob5/58

OGH4Ob5/5816.12.1958

SZ 31/152

Normen

Kollektivvertragsgesetz §§2 ff
Kollektivvertragsgesetz §§2 ff

 

Spruch:

Die den Kollektivvertragsparteien eingeräumte Macht, allgemein verbindliche Rechtsnormen zu setzen, erstreckt sich auch auf Ruhestandsverhältnisse; die Rechtsnormen erfassen auch nicht kollektivvertragsangehörige Rechtssubjekte.

Nach dem Kollektivvertragsgesetz ist das Günstigkeitsprinzip nur ein dispositiver Grundsatz; der Kollektivvertrag kann auch für den Dienstnehmer günstigere Einzelabreden aufheben oder ausschließen.

Derogation einer auf einer Betriebs- und Pensionsordnung beruhenden Automatikklausel durch späteren Kollektivvertrag.

Entscheidung vom 16. Dezember 1958, 4 Ob 5/58.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei im Sinne des Klagebegehrens zur Zahlung eines Betrages von 3563 S samt stufenweisen Zinsen aus den seit 1. November 1952 monatlich fällig gewordenen 178 S 15 g und zum Ersatze der Prozeßkosten. Zugleich stellte es fest, daß die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger unabhängig von einer allfälligen Erwerbstätigkeit die nach dem 30. November 1955 fällig gewordenen bzw. fällig werdenden Ruhebezüge in voller Höhe, d. h. ohne Abzug der Erhöhungsbeträge nach dem 4. und 5. Lohn- und Preisabkommen, auszuzahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ging hiebei unter Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Kläger trat im Jahre 1927 in die Dienste der beklagten Partei. Er erhielt nach seinen Behauptungen beim Eintritt eine Dienst- und Pensionsordnung ausgefolgt, deren Empfang er zum Zeichen der Unterwerfung unter deren Normen mit seiner Unterschrift bestätigte. Sie wurde durch eine neue, von der Verwaltungskommission am 15. Dezember 1936 zur Zahl 795/36 genehmigte Pensionsordnung abgelöst, deren § 29 bestimmte, daß die neue Pensionsordnung mit dem Tag der Genehmigung durch den Verwaltungsausschuß für alle Angestellten in Wirksamkeit trete, die sie durch ihre Unterschrift als auf sie anwendbar anerkannt hätten, und daß mit dem gleichen Tag alle mit ihr im Widerspruch stehenden Vorschriften ihre Geltung verlören. Dem Verwaltungsausschuß wurde aber vorbehalten, jederzeit, jedoch ohne Beeinträchtigung bereits erworbener Rechte, über einen im Einvernehmen mit der Personalkommission gestellten Antrag der Direktion die vorstehende Pensionsordnung zu ergänzen oder abzuändern. Der Kläger bestätigte den Empfang dieser Dienst- und Pensionsordnung aus dem Jahre 1936 mit seiner Unterschrift. Die Dienst- und Pensionsordnung 1936 wurde durch die Betriebs- und Pensionsordnung 1939, diese wieder durch die Betriebs- und Pensionsordnung 1943 aufgehoben. Sämtliche Dienst- bzw. Betriebs- und Pensionsordnungen der Jahre 1936, 1939 und 1943 enthielten im wesentlichen gleichlautend die unbeschränkte Automatikklausel. Sie hatte in der Dienst- und Pensionsordnung 1936 im § 6 Abs. 3 den Wortlaut: "Bei künftigen allgemeinen Änderungen der anrechenbaren Bezüge der aktiven Angestellten verändern sich auch die Bemessungsgrundlage und die Ruhe- und Versorgungsgenüsse im gleichen Verhältnis, sofern es sich nicht um eine Erhöhung der Aktivitätsbezüge infolge gesteigerter dienstlicher Verpflichtungen der aktiven Angestellten handelt". Dieser Wortlaut wurde in den Pensionsordnungen 1939 und 1943 in den §§ 4 Abs. 3 nur dahin geändert, daß an Stelle des Wortes "Angestellten" jeweils das Wort "Gefolgschaftsmitglieder" gesetzt wurde. Auch die Pensionsordnungen der Jahre 1939 und 1943 sahen wie die Pensionsordnung 1936 die Möglichkeit der Abänderung der Pensionsordnungen vor, nunmehr durch den Betriebsführer nach Beratung im Vertrauensrat und mit Zustimmung des Reichstreuhänders der Arbeit, sprachen aber nicht mehr von der Wahrung wohlerworbener Rechte.

Der Kläger trat am 17. Februar 1947, demnach vor dem Inkrafttreten des Kollektivvertragsgesetzes 1947, in den Ruhestand. Im Zeitpunkt seines Austrittes galt die Betriebs- und Pensionsordnung 1943. Im Kollektivvertrag vom 3. Dezember 1948 wurde im § 3 bezüglich der Ruhe- und Versorgungsgenüsse die Automatikklausel der Betriebs- und Pensionsordnungen 1939 und 1943 im wesentlichen aufrechterhalten.

Sie lautete: "Jede allgemeine Veränderung der Bezüge der aktiven Angestellten hat eine entsprechende Veränderung der Bezüge der Pensionisten zur Folge, sofern es sich nicht um eine Änderung der Aktivitätsbezüge im Zusammenhang mit geänderten dienstlichen Verpflichtungen der aktiven Angestellten handelt." Im § 15 des Kollektivvertrages wurde noch ausgesprochen, daß gesetzliche Bestimmungen, Betriebsordnungen oder Dienstverträge, die in ihrer Gesamtauswirkung einem Angestellten weitergehende Rechte einräumten, als in diesem Kollektivvertrag enthalten seien, unberührt blieben.

In der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 8. September 1949 wurde die Dienstordnung 1949 samt Anhängen, darunter eine neue Pensionsordnung, genehmigt. § 1 Abs. 2 der Dienstordnung hält ausdrücklich fest, daß diese eine Betriebsvereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 2 KollVG. darstelle. Nach ihrem § 3 Abs. 1 bezieht sie sich mit Ausnahme der Direktoren und deren Stellvertreter auf alle beim Wirksamkeitsbeginn im Dienst der Anstalt stehenden provisorischen und definitiven Angestellten sowie auf die nach diesem Zeitpunkt eintretenden Angestellten. Die Pensionsordnung trifft ähnliche Bestimmungen wie die vorausgegangenen Pensionsordnungen, enthält jedoch keine Automatikklausel.

Der Kollektivvertrag vom 19. November 1949 enthält in seinem § 31 die gleiche Automatikklausel wie der Kollektivvertrag vom 3. Dezember 1948. Er enthält neben einer Dienst, und Besoldungsordnung auch eine Disziplinar-, Pensions- und Prüfungsordnung. Sein Geltungsbereich ist im § 1 auf jene Sparkassen beschränkt, für die nicht auf Grund des § 16 des Kollektivvertrages vom 3. Dezember 1948 Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 2 Abs. 2 KollVG. abgeschlossen werden müssen, einschließlich der Sparkasse B. Er gilt, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, für die Angestellten und Empfänger von Ruhe- und Versorgungsgenüssen der eben genannten Anstalten. Er sieht im § 30 eine Überleitung der Pensionisten nach bestimmten Ausmaßen vor.

Der Kollektivvertrag vom 20. Oktober 1950 sah die Erhöhung der Monatsgehälter der aktiven Angestellten um 10% und mindestens um 100 S vor (§ 3). § 6 Abs. 2 bestimmte, daß unbeschadet der Aufrechterhaltung der Automatik der Anspruch auf Erhöhung des Ruhegenusses gemäß Abs. 1 (also um 10%, bzw. nach Maßgabe der Automatik) ruhe, solange der Pensionist nicht im Genuß einer auf Grund des 4. Lohn- und Preisabkommens erhöhten Angestelltenversicherungsrente sei, bzw. solange der Pensionist unter der Annahme eines Anspruches auf eine Angestelltenversicherungsrente keinen Anspruch auf Erhöhung dieser Rente zufolge des 4. Lohn- und Preisabkommens hätte. Der folgende Kollektivvertrag vom 11. Dezember 1950 sah mit gleichem Wirksamkeitsbeginn die Bezugserhöhung um 10% vor, bestimmte aber im § 6, daß der Anspruch auf Erhöhung in einer Reihe von Fällen zu ruhen habe. Gemäß § 6 Z. 6 Abs. 1 ruht der Anspruch auf Zulage während einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit. Der Kollektivvertrag vom 20. August 1951 sah in seinem § 6 Abs. 3 vor, daß unbeschadet der Aufrechterhaltung der Automatik der Anspruch auf Erhöhung des Ruhegenusses gemäß Abs. 1 und 2 für die Dauer einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit ruhe. Der Begriff einer solchen Tätigkeit bestimme sich nach den Richtlinien der Angestelltenversicherungsanstalt.

In rechtlicher Beziehung vertrat das Berufungsgericht in weitgehender Anlehnung an die Rechtsmeinung des Erstgerichtes die Auffassung, daß auf den im Jahre 1947 pensionierten Kläger die Bestimmungen der Pensionsordnung 1943 und damit auch die dort vorgesehene Automatikklausel zur Anwendung gelangt seien. Das ergebe sich aus § 46 KollVG. 1947. Diese Automatikklausel sei Bestandteil des Einzelarbeitsvertrages des Klägers, weil sie schon in der Pensionsordnung 1936 enthalten gewesen sei, der sich der Kläger ausdrücklich unterworfen habe. Sie gebe als Bestandteil des Einzelarbeitsvertrages dem Dienstnehmer einen Anspruch auf Erhöhung seines Ruhegehaltes entsprechend den Erhöhungen der Dienstbezüge der aktiven Angestellten mit einer einzigen Ausnahme, sofern es sich nämlich nicht um eine Erhöhung der aktiven Dienstbezüge handle, die im Zusammenhang mit geänderten dienstlichen Verpflichtungen der aktiven Angestellten stehe. Die Ablösung der einzelnen Dienst- bzw. Betriebs- und Pensionsordnungen habe zwar immer zur Außerkraftsetzung der vorangegangenen Bestimmungen führen, aber die Automatikklausel nicht aus dem Einzelarbeitsvertrag herausnehmen können. Die Frage, ob ein Kollektivvertrag die dem Dienstnehmer im Einzeldienstvertrag gewährten günstigeren Rechte beschränken und aufheben könne, sei zu verneinen. § 2 Abs. 3 KollVG. bestimme, daß Sondervereinbarungen, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließe, nur gültig seien, soweit sie für den Dienstnehmer günstiger seien oder Angelegenheiten beträfen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt seien. Eine Bestimmung, daß eine günstigere Vereinbarung durch den Kollektivvertrag beschränkt oder aufgehoben werden könne, scheine im Kollektivvertragsgesetz nicht auf, es würde dies auch den Grundsätzen des Arbeitsrechtes widersprechen. Der Kollektivvertrag regle nach § 2 Abs. 1 KollVG. die gegenseitig aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten. Er stelle Mindestbedingungen auf, die von den Kollektivvertragsunterworfenen nicht unterboten werden dürften. Davon würden aber die einzelnen Lohnvereinbarungen, soweit sie günstiger seien, nicht berührt. Eine Herabsetzung auf die kollektivvertraglichen Mindestsätze sei nur mit Zustimmung des Dienstnehmers möglich oder durch ein Gesetz. Daraus ergebe sich, daß die mit dem Dienstnehmer vereinbarten günstigeren Bestimmungen durch Kollektivvertrag weder beschränkt noch aufgehoben werden könnten. Es könnten daher auch die Kollektivverträge der Jahre 1948 bis 1951 die dem Kläger seinerzeit zugesicherte Automatikklausel weder aufheben noch beschränken. Die Höhe der Pension des Klägers richte sich weiter nach den Bezügen der aktiven Angestellten, es sei denn, daß der vorgesehene Ausnahmefall gegeben sei. Es erübrige sich daher, auf die - vom Erstgericht verneinte - Frage einzugehen, ob Pensionisten der Kollektivvertragssouveränität unterlägen und ob die Rechte von Pensionisten überhaupt durch Kollektivverträge abgeändert werden könnten. Es ergebe sich, daß die Bestimmungen der Kollektivverträge, die die Anwendung der Automatikklausel auf Erwerbstätige ausschlössen, für den Anspruch des Klägers keine Wirksamkeit hätten und dieser an den Erhöhungen der Bezüge der aktiven Angestellten teilhabe. Das Berufungsgericht bestätigte aus diesen Gründen das erstrichterliche Urteil, das dem Kläger die Differenzbeträge von monatlich 178 S 15 g für die Zeit vom 1. März 1954 bis 31. Mai 1954, vom 1. September 1954 bis 30. November 1955, ferner für das Weihnachtsgeld 1954 und das Urlaubsgeld 1955, zusammen 20 mal 178 S 15 g = 3563 S, samt stufenweise zu berechnenden Zinsen zuerkannt und die Verpflichtung der beklagten Partei zur Weiterzahlung dieser Differenzbeträge für die Dauer der Erwerbstätigkeit des Klägers festgestellt hatte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Entscheidung ist in erster Linie von der Beantwortung der Frage abhängig, welchen Umfang die gesetzliche Ermächtigung der Kollektivvertragsparteien, allgemein verbindliche Normen zu erlassen, in Österreich hat. Diese Frage ist an Hand der positivrechtlichen Bestimmungen des Kollektivvertragsgesetzes 1947 zu lösen. Der Hinweis auf die Lehre und die Rechtsprechung in der westdeutschen Bundesrepublik kann nur verwirren. Diese gehen nämlich von der positiv-rechtlichen Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes vom 9. April 1949 (kundgemacht im Gesetzblatt der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes des Jahres 1949, S. 55) in der Fassung vom 11. Jänner 1952, DBGBl. 1952 I S 17, aus, der lautet: "Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können." Lehre und Rechtsprechung in der westdeutschen Bundesrepublik haben daraus abgeleitet, daß diese Rechtsnormen (Inhaltsnormen) - gemäß der gesetzlichen Ermächtigung der Tarifvertragsparteien zur Schaffung solcher Normen - nur eine arbeitsvertragliche Ordnung zum Gegenstand haben, also Arbeitsverhältnisse regeln, und daß eine solche Regelung nicht gegeben sei, wenn ausgeschiedenen Arbeitnehmern bereits erworbene tarifliche Ansprüche auf Ruhegeld durch einen Tarif- Vertrag entzogen oder geschmälert würden. Hier bestehe eine kollektivfreie Sphäre, die der Tarifmacht entzogen sei. Die Tarifvertragsparteien könnten auch nicht durch vereinbarte Rückwirkung eine solche Beeinträchtigung vornehmen, weil sie damit kein Arbeits-, sondern ein Ruhestandsverhältnis regeln würden (so Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes, 6. Aufl. II S. 192 f. und die dort zitierten Lehrmeinungen und Entscheidungen).

Für den Bereich des österreichischen Arbeitsrechtes ist durch das Kollektivvertragsgesetz 1847 der Umfang der gesetzlichen Ermachtigung der Kollektivvertragsparteien zur Schaffung autonomer Rechtsnormen weiter gesteckt. Dieser Umfang ergibt sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der §§ 1, 2, 6, 9 und 10 KollVG. 1947. Es zeigt sich, daß die österreichische Regelung umfassender ist als die westdeutsche. Aus § 1 des Gesetzes ist zu entnehmen, auf welche Dienstverhältnisse das Kollektivvertragsgesetz überhaupt Anwendung zu finden hat. Er unterscheidet nicht, ob die kollektive Regelung nur das aktive Dienstverhältnis oder auch dessen Nachwirkungen zu umfassen hat und inwieweit das letztere der Fall sein darf. Die hier maßgebliche Bestimmung ist § 2 Abs. 1 KollVG. 1947, die erklärt, daß die Inhaltsnormen "die gegenseitigen aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten" zu regeln haben, und zwar ohne jede Einschränkung, also sämtliche dieser Rechte und Pflichten, soweit sie nur aus dem Dienstverhältnis entspringen, und hier wieder ohne Unterschied, ob es sich um gesetzliche oder um vertraglich festgesetzte Rechte und Pflichten handelt, und wieder ohne Unterschied, ob die Regelung durch Einzelvertrag oder durch kollektive Normsetzung erfolgte.

Werden von der den Kollektivvertragsparteien erteilten, Ermächtigung zur normativen Regelung sämtliche aus dem Dienstverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten erfaßt, dann sind dies auch jene, die sich als Nachwirkungen eines Dienstverhältnisses darstellen, wie es das Recht auf Bezug von Ruhestands- und Versorgungsgenüssen und die Pflicht zur Leistung derselben sind. Daß durch Kollektivverträge demnach auch Ruhestandsbezüge geregelt werden können, daß sachlich auch diese Gegenstand einer kollektiven Regelung sind, kann einem Zweifel überhaupt nicht unterliegen.

Fraglich bleibt, wie weit eine solche kollektive Regelung auch den ausgeschiedenen Dienstnehmer erfaßt. Soweit dieser Mitglied der auf Seite der Dienstnehmer tätigen Kollektivvertragspartei war und blieb, ist seine Kollektivvertragsgebundenheit im Hinblick auf § 2 Abs. 1 KollVG. 1947 gegeben. Die den Kollektivvertragsparteien erteilte Ermächtigung, allgemein verbindliche Rechtsnormen auch in bezug auf Ruhestandsbezüge zu setzen, würde leer sein, wenn die Ruhestandsgeldempfänger von dieser Regelung nicht erfaßt würden. Die Bestimmung des § 9 KollVG. 1947, daß die Bestimmungen des Kollektivvertrages, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Dienstgebern und Dienstnehmerregeln, als Bestandteil der Dienstverträge gelten, die zwischen den kollektivvertragsangehörigen Dienstgebern und Dienstnehmern abgeschlossen werden, ist demnach analog auf die Fälle anzuwenden, in denen Bestimmungen eines Kollektivvertrages die Rechtsverhältnisse zwischen ehemaligen Dienstgebern und ausgeschiedenen Dienstnehmern regeln. Die gleiche analoge Anwendung ist dann für § 10 KollVG. 1947 geboten. Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß die den Kollektivvertragsparteien eingeräumte Macht, allgemein verbindliche Rechtsnormen zu setzen, sich nicht nur auf aktive Dienstverhältnisse, sondern auch auf Ruhestandsverhältnisse erstreckt und daß diese Normen nicht nur kollektivvertragsgebundene, d. i. kollektivvertragsangehörige Rechtssubjekte erfassen (so Leitich, Die kollektivvertragliche Regelung von Pensionsansprüchen, JBl. 1949 S. 369; derselbe, Kollektivvertragsangehörigkeit ohne Dienstverhältnis?, JBl. 1957 S. 312 ff.).

Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, daß die Bedachtnahme auf die persönliche Freiheit und auf die Individualrechte eine einschränkende Auslegung der Bestimmungen des Kollektivvertragsgesetzes 1947 erfordert, soweit nicht durch dieses die infolge der wirtschaftlichen Übermacht eines Teiles verlorengegangene Freiheit wiederhergestellt werden soll. Wenn er sich zu der aufgezeigten Auslegung der Bestimmungen der §§ 1, 2, 9 und 10 KollVG. 1947 bekennt, dann geschieht dies in der Erwägung, daß die Rechtsbeziehungen, die zwischen dem ehemaligen Dienstgeber und dem ausgeschiedenen Dienstnehmer durch den Dienstvertrag begrundet wurden, durch die Pensionierung nicht vollständig gelöst werden, vielmehr dauernd Nachwirkungen aus dem seinerzeit begrundeten Dienstverhältnis entstehen lassen. Die für die kollektivvertragliche Regelung aktiver Dienstverhältnisse maßgebenden Erwägungen gelten auch für die kollektivvertragliche Regelung jener Ruhestandsverhältnisse, die nicht allein durch die Sozialversicherung geregelt sind. Die Gefahr des Mißbrauches besteht in keinem größeren Maße als dort, wo durch die öffentliche Hand im Rahmen der Gesetze in die Privatrechtssphäre eingegriffen wird, wenigstens so lange nicht, als auch für das Kollektivvertragsrecht nicht der Weg einseitigen Diktats, sondern der bilateralen Abmachung maßgebend bleibt. Es kann nicht übersehen werden, daß das Interesse der aktiven Angestellten an der Regelung ihrer Bezüge kaum jemals auf Kosten der Ruhestandsempfänger wahrgenommen werden wird, wenn die Vertretung der aktiven Angestellten im Auge behält, daß diese im Verlauf der Zeit in den Kreis der Ruhestandsgeldempfänger eintreten werden und daß die Lebenserfahrung die Erkenntnis mit sich bringt, daß die meisten Menschen sich mit geringeren Aktivitätsbezügen begnügen wollen, wenn sie ihren Lebensabend gesichert wissen. In dieser Beziehung sei nur auf die pragmatisierten öffentlichen Bediensteten verwiesen. Übrigens wurde nie daran gezweifelt, daß Pensionsbestimmungen zugunsten der Pensionisten durch Kollektivvertrag jederzeit geändert werden können.

Wird von der Kollektivvertragsangehörigkeit bzw. Kollektivvertragsunterworfenheit des Klägers ausgegangen, dann entsteht die weitere Frage nach der derogierenden Kraft der kollektivvertraglichen Regelung gegenüber der Regelung, die eine Frage durch Einzelvertrag oder durch eine Dienst-, Betriebs- oder Arbeitsordnung gefunden hat. Diese derogierende Kraft bestimmt sich nach dem Günstigkeitsprinzip, das auch das österreichische Arbeitsrecht in seiner Doppelfunktion, dem Leistungsgedanken gerecht zu werden und die Vertragsparteien bei der individuellen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses vor dem Kollektiv zu schützen (vgl. Wlotzke, Das Günstigkeitsprinzip, S. 17 f.), kennt. So ist nach § 2 Abs. 3 KollVG. 1947 die dem Arbeitnehmer günstigere Sondervereinbarung stärker als die Kollektivvertragsnorm, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt. Das heißt aber, daß der Kollektivvertrag seinen Normen zwingende, auch durch Einzelabrede nicht abdingbare Kraft beilegen kann. Nach dem österreichischen Kollektivvertragsgesetz ist demnach das Günstigkeitsprinzip anders als im Geltungsbereich des Tarifvertragsgesetzes der westdeutschen Bundesrepublik nicht zwingender Rechtssatz (s. hiezu Wlotzke a. a. O. S. 21 ff., 103 f.), sondern ein dispositiver Grundsatz. Wird es von den Kollektivvertragsparteien ausgeschlossen, dann hat es dabei sein Bewenden. Das bedeutet aber hinsichtlich vorkollektivvertraglicher günstigerer Abmachungen, wie sie hier in Rede stehen, daß sie für den Fall des Ausschlusses des Günstigkeitsprinzips durch die Kollektivvertragsparteien den dann zwingenden Normen des Kollektivvertrages weichen müssen. Es ist dies die Folge des den Kollektivvertragsparteien eingeräumten Rechtes, autonom Rechtsnormen zu schaffen. Diese Rechtsnormen sind in der Regel in Ansehung der günstigeren Einzelabrede dispositives Recht. Ist die günstigere Einzelabrede ausgeschlossen, dann ist ab Wirksamkeitsbeginn des Kollektivvertrages nach der Vorschrift des § 9 Abs. 1 KollVG. 1947 die zwingende Vorschrift des Kollektivvertrages Bestandteil des Dienstvertrages. Es ist damit der grundsätzliche Vorrang des Kollektivvertragsrechtes vor dem Individualrecht im Bereich des österreichischen Arbeitsrechtes anerkannt. Durch die Möglichkeit des Ausschlusses des Günstigkeitsprinzips im österreichischen Recht ist die rechtliche Möglichkeit gegeben, jede arbeitsvertragliche Rechtsstellung, ob sie auf Einzelabrede, Betriebsvereinbarung, Arbeitsordnung oder Kollektivvertrag beruht, durch eine Kollektivvertragsregelung für die Zukunft zu entziehen oder einzuschränken. Von einem Eingriff in wohlerworbene Rechte ist hier nicht zu reden. Davon könnte nur im Fall der Rückwirkung von Normen gesprochen werden. Für die Einzelabrede folgt dies aus § 2 Abs. 3 und für die Betriebsvereinbarung aus § 2 Abs. 2 KollVG. 1947, die als Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen die kollektivvertragliche Ermächtigung zu ihrem Abschluß hat; für die Arbeitsordnung folgt dies aus § 21 Abs. 2 KollVG. 1947, der der Erlassung und Abänderung von Arbeitsordnungen durch die kollektivvertragsfähigen Körperschaften den Vorrang gibt. Die Stufenfolge der Rechtsquellen nach dem Kollektivvertragsgesetz ist demnach folgende: Kollektivvertrag (Satzung) - Arbeitsordnung - Betriebsvereinbarung - Einzelarbeitsvertrag. Die Rechtsquellen haben untereinander eine verschiedene Kraft. Die höhere kann die niedrigere außer Kraft setzen, aber nicht umgekehrt. Das durch eine Arbeitsordnung erzeugte objektive Recht kann durch einen Kollektivvertrag außer Kraft gesetzt werden. Das gleiche gilt für die Betriebsvereinbarung. Auch die Einzelabrede (die Sondervereinbarung) kann durch den Abschluß eines Kollektivvertrages aufgehoben werden, wenn sich aus dem Kollektivvertrag die Absicht, eine günstigere Bestimmung zu beseitigen, ergibt. Es besteht nur die Besonderheit, daß Einzelabreden (Sondervereinbarungen) durch Kollektivverträge in der Regel nicht unbedingt (automatisch) inhaltlich derogiert werden, wenn sie für die Arbeitnehmer günstiger sind. Sie werden derogiert, wenn und soweit die Kollektivvertragsparteien sie beseitigen wollen (s. hiezu Haemmerle, Arbeitsvertrag, S. 154, 166).

Werden nun die Kollektivverträge vom 20. Oktober 1950, vom 11. Dezember 1950 und vom 20. August 1951 darauf hin untersucht, ob und inwieweit sie die Automatikklausel, sei sie durch Einzelabrede, durch Betriebs- oder Arbeitsordnung oder durch Kollektivvertrag den Ruhestandspersonen zugestanden worden, aufheben oder beschränken wollten, so ergibt sich, daß die Kollektivvertragsparteien an eine völlige Aufhebung der Automatik überhaupt nicht dachten, sondern nur an eine zeitweise Einschränkung derselben in persönlicher und sachlicher Beziehung. Es sollten von der Automatik Ruhestandsgeldempfänger ausgenommen sein, die eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und diese Ausnahme sollte sich zunächst nur auf die in den bezeichneten Kollektivverträgen vorgenommenen Erhöhungen der Aktivitätsbezüge beschränken. Die von den Kollektivvertragsparteien hier vorgesehene Einschränkung der Automatik war allerdings zwingend vorgesehen. Daran läßt der Wortlaut der in Betracht kommenden Kollektivvertragsbestimmungen keinen Zweifel, der das Ruhen der aus der Automatik fließenden Ansprüche auf Erhöhung in den vorgesehenen Fällen strikte anordnet. Es ist damit das Günstigkeitsprinzip ausdrücklich ausgeschlossen worden. Aus dem ergibt sich aber, daß im Hinblick auf die eingangs erörterte Kollektivvertragsunterworfenheit des Klägers die allfälligen Sondervereinbarungen, soweit sie für den Kläger günstiger waren, in bezug auf die in den Kollektivverträgen 1950 und 1951 vorgesehenen Erhöhungen ausgeschaltet worden sind. Es ist also für den Kläger nichts gewonnen, wenn man mit ihm annehmen will, daß die Dienst- und Pensionsordnung 1936 und die in ihr vorgesehene Automatikklausel durch Unterwerfung Einzelarbeitsvertrag, also Sondervereinbarung im Sinne des § 2 Abs. 3 KollVG. 1947, geworden und geblieben ist.

Es ist für den Kläger auch nichts gewonnen, wenn man von der Tatsache ausgeht, daß die am 2. Juli 1943 erlassene Betriebsordnung der beklagten Partei, deren Anhang I die Pensionsordnung dieser Sparkasse ist, auf Grund des § 26 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG.) erlassen wurde, daß sie ebenso wie die von ihr abgelöste, gleichfalls auf Grund des § 26 AOG. erlassene und genehmigte Betriebs- und Pensionsordnung 1939 nicht etwa ex lege oder nach Vertrag Inhalt der von ihr erfaßten Arbeitsverhältnisse wurde, sondern als autonom gesatzte Rechtsnorm auf die von ihr erfaßten Arbeitsverhältnisse einwirkte, und daß sie nicht nur bis zum Inkrafttreten des Kollektivvertragsgesetzes 1947, also nicht nur bis zum 6. August 1947 (s. §§ 48, 49 KollVG. 1947 und § 1 Z. 1 der Kundmachung des BM. f. soz. V. vom 14. Juni 1947, BGBl. Nr. 141) in Geltung stand, sondern gemäß § 46 Abs. 1 KollVG. 1947 auch weiterhin bis heute in Geltung steht. Von dieser Tatsache ist aber auszugehen, weil 1. die in der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 8. September 1949, Zl. 133/49, genehmigte Dienstordnung, deren Anhang I die Pensionsordnung für die der Dienstordnung unterstehenden Angestellten ist, nur für alle beim Wirksamkeitsbeginn im Dienste der Anstalt stehenden provisorischen und definitiven Angestellten sowie für die nach diesem Zeitpunkt in den Dienst der Anstalt eintretenden Angestellten gilt, also nicht für den bereits am 17. Februar 1947 ausgeschiedenen Kläger, und weil 2. der Kollektivvertrag vom 19. November 1949 nach seinem § 1 Abs. 2 gleichfalls nicht für die bereits ausgeschiedenen Angestellten gelten sollte, daher auch nicht die im Kollektivvertrag vorgesehene Pensionsordnung. Wird von der Tatsache ausgegangen, daß im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers die Betriebs- und Pensionsordnung 1943 in Geltung stand und daß dies auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kollektivvertragsgesetzes 1947 der Fall war, dann ergibt sich aus der Übergangsbestimmung des § 46 Abs. 1 KollVG. 1947, daß sie nicht am 6. August 1947 zugleich mit dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit als reichsrechtliche Vorschrift gemäß § 48 KollVG. außer Kraft getreten (erloschen) ist, sondern mit den bisherigen Rechtswirkungen so lange und insoweit aufrecht blieb, als sie nicht durch Arbeitsordnungen im Sinne des Kollektivvertragsgesetzes geändert oder aufgehoben wurde.

Im Kollektivvertrag vom 3. Dezember 1948 wurde im § 3 bezüglich der Ruhe- und Versorgungsgenüsse die Automatikklausel der Betriebs- und Pensionsordnungen der Jahre 1939 und 1943 im wesentlichen übernommen. Damit war die Automatikklausel dieser Betriebs- und Pensionsordnungen nicht bloß aufrechterhalten, sondern sie war zum Gegenstand kollektivvertraglicher Regelung gemacht worden. Dazu wurde noch im § 15 des Kollektivvertrages ausgesprochen, daß gesetzliche Bestimmungen, Betriebsordnungen oder Dienstverträge, die in ihrer Gesamtauswirkung einem Angestellten weitergehende Rechte einräumten, als in diesem Kollektivvertrag enthalten seien, unberührt blieben. Der Kollektivvertrag 1948 nimmt aus den Bestimmungen der Betriebs- und Pensionsordnung 1943 nur eine Bestimmung heraus, die Automatikklausel, läßt im übrigen diese Betriebs- und Pensionsordnung unangetastet, hebt also die Automatikklausel aus der Ebene der Arbeitsordnungen auf die Ebene kollektivvertraglicher Regelung. Für die Entscheidung ist dies nach dem oben Gesagten wohl nicht von Bedeutung. Denn ist das Günstigkeitsprinzip, wie früher dargetan wurde, für den Bereich des österreichischen Arbeitsrechtes dispositiver und nicht zwingender Grundsatz, dann ergibt sich, daß die Kollektivverträge der Jahre 1950 und 1951 bei Ausschluß des Günstigkeitsgrundsatzes nicht nur günstigere Sondervereinbarungen, sondern auch die günstigeren Arbeitsordnungen abändern konnten.

Es kommt demnach im vorliegenden Fall das Problem der Rückwirkung von Gesetzen und des Einflusses auf wohlerworbene Rechte gar nicht auf. So wie Gesetzesnormen dispositiver Natur durch Kollektivvertrag geändert werden können, können auch die autonom gesetzten Rechtsnormen einer gemäß § 26 AOG. erlassenen Betriebsordnung ihre Veränderung erfahren. Eine Rückwirkung auf die bis zum Abschluß des Kollektivvertrages erworbenen Rechte haben sie nicht. Bis zum Abschluß des neuen Kollektivvertrages sind die Bestimmungen der gemäß § 26 AOG. erlassenen Betriebs- und Pensionsordnung 1943 maßgebend gewesen. Aber vom Tag des Inkrafttretens des Kollektivvertrages an erhalten die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ihre Regelung durch diesen und nicht mehr durch die bis dahin in Kraft gewesenen Rechtsnormen (vgl. hiezu auch Wolff in Klang 2. Aufl. I 73). Es ergibt sich somit, daß auch dann, wenn von der Automatikklausel der Betriebs- und Pensionsordnung 1943 ausgegangen wird, diese rechtswirksam für die Zukunft durch die Kollektivverträge vom Jahre 1950 und 1951 geändert, also eingeschränkt werden konnte. Daran würde sich nichts ändern, wenn nach dem 6. August 1947, nach dem Inkrafttreten des Kollektivvertragsgesetzes, die Betriebs- und Pensionsordnung 1943 als Arbeitsordnung im Sinne des § 21 KollVG. 1947 unverändert erlassen worden wäre. Aus § 21 Abs. 2 KollVG. 1947 ergibt sich der Primat des Kollektivvertrages gegenüber der Arbeitsordnung. Sie darf nicht gegen die Bestimmungen des Kollektivvertrages verstoßen. Sie findet ihr Ende mit einer entgegenstehenden Bestimmung des Kollektivvertrages, eine zeitliche Fernwirkung kommt ihr - anders als dem Kollektivvertrag - nicht zu. Der Kläger muß die nachträgliche Änderung der Automatikklausel gegen sich gelten lassen.

Zusammenfassend ergibt sich demnach: Die in die Betriebs- und Pensionsordnungen der Jahre 1939 und 1943 aufgenommene Automatikklausel wirkte wie eine gesetzliche Norm auf die einzelnen Arbeitsverträge ein. Aber diese Rechtsnorm der Betriebs- und Pensionsordnungen ist im Hinblick auf den Ausschluß des Günstigkeitsprinzips in den Kollektivverträgen der Jahre 1950 und 1951 derogiert, ebenso wie diese Bestimmung derogiert wäre, wenn sie als Betriebsvereinbarung angesehen und als solche den Sondervereinbarungen des § 2 Abs. 3 KollVG. 1947 zugezählt werden könnte (vgl. Haemmerle a. a. O. S. 165), und wie diese Bestimmung derogiert wäre, wenn sie als Bestandteil des Einzelarbeitsvertrages - kraft ausdrücklicher früherer Vereinbarung der Parteien des Arbeitsvertrages - angesehen werden müßte.

Das österreichische Kollektivvertragsrecht hat dem Ordnungsprinzip den Vorrang vor dem Günstigkeitsprinzip gegeben. Es hat den Kollektivvertragsparteien die gesetzliche Ermächtigung erteilt, innerhalb des Bereichs des nachgiebigen Rechtes und in gewissen Fällen auch innerhalb zwingender Rechtsvorschriften allgemein verbindliche Rechtsnormen aufzustellen, die wie Gesetze wirken und die, wenn sie zwingend sind, auch Sondervereinbarungen norm(gesetz-)widrig machen (§ 2 Abs. 3 KollVG. 1947). Die Folge dieser Normwidrigkeit ist die, wenn auch nur zeitweise, Aufhebung solcher Sondervereinbarungen bzw. die Aufhebung widersprechender anderer Rechtsnormen.

Man kommt zum gleichen Ergebnis, wenn man - ausgehend von der Kollektivvertragsunterworfenheit des Klägers - die Frage nach dem persönlichen Geltungsbereich der Kollektivverträge 1950 und 1951 aufwirft. Denn die Bestimmungen dieser Kollektivverträge stellen sich nicht lediglich als eine Beschränkung der Automatikklausel dar. Sie sind - von der positiven Seite gesehen - Abmachungen der Kollektivvertragsparteien dahin, daß eine Erhöhung der Bezüge nach dem 4. und 5. Lohn- und Preisabkommen nur die aktiven Angestellten und jene Ruhestandsgeldempfänger erhalten sollten, die nicht eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Der Wille der Kollektivvertragsparteien ging dahin, von dem Geltungsbereich des Kollektivvertrages die erwerbstätigen Ruhestandsgeldempfänger auszunehmen, und zwar, wie sich aus der Beifügung "unbeschadet der Aufrechterhaltung der Automatik" ergibt, auch dann, wenn sie nach anderen Bestimmungen (Sonderabreden, Betriebs- oder Arbeitsordnung) Anspruch auf eine Erhöhung der Ruhegenüsse im Verhältnis der Erhöhung der Aktivitätsbezüge der Angestellten hätten. Eine solche Beschränkung des persönlichen Geltungsbereiches muß der Kläger hinnehmen. Es kann den Kollektivvertragsparteien nicht verwehrt sein, den Geltungsbereich ihrer Abmachungen in persönlicher Hinsicht nach ihrem Willen abzustecken. Die dem einzelnen Arbeitnehmer günstigere Sondervereinbarung ist nur dann für die Gestaltung der beiderseitigen Rechtsbeziehungen maßgebend, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen sein sollte. Das ist eine Frage der Auslegung des Kollektivvertrages. Nach den Kollektivverträgen der Jahre 1950 und 1951 kann, wie oben gezeigt wurde, nicht zweifelhaft sein, daß sie das Günstigkeitsprinzip ausschlossen. Auch von dieser Seite kommt man demnach zur gleichen Lösung.

Es zeigt sich, daß der Hinweis auf § 5 ABGB. und auf den Begriff der wohlerworbenen Rechte, wie er vor allem in den Entscheidungen Soz. 1953 I C S. 17, 4 Ob 47/53, 4 Ob 54/53 und 4 Ob 13/56 vorgenommen wurde, das Rechtsproblem nicht erschöpft. Das haben bereits spätere Entscheidungen aufgezeigt, die vom konkreten Fall her, wie z. B. 4 Ob 85/56, anerkennen, daß Ruhestandsbezüge durch Kollektivvertrag geändert werden können, wenn schon im Vertrag bestimmt war, daß sich die Pensionen nach dem Kollektivvertrag regeln, oder die, wie 4 Ob 165/57, zugestehen, daß, wer den Kollektivvertrag auf die Höhe seiner Ruhebezüge anwenden will, auch die Beschränkung der Gesamtpensionen annehmen muß. Es mußte im vorliegenden Fall infolge seiner Besonderheit auf die Grundlagen des Kollektivvertragsrechtes zurückgegriffen und von diesen aus die Lösung der offenen Rechtsfrage unternommen werden.

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