Normen
ABGB §287
ABGB §294
Wasserrechtsgesetz §2 Abs2
Wasserrechtsgesetz §4
Wasserrechtsgesetz §5
Wasserrechtsgesetz §8
ABGB §287
ABGB §294
Wasserrechtsgesetz §2 Abs2
Wasserrechtsgesetz §4
Wasserrechtsgesetz §5
Wasserrechtsgesetz §8
Spruch:
Das Bett öffentlicher Gewässer kann im Privateigentum stehen. Wer Wasserwelle und Bett eines öffentlichen Gewässers über den Gemeingebrauch hinaus ohne wasserrechtliche Bewilligung benützt, bedarf der Zustimmung des Gründeigentümers. Die wasserrechtliche Bewilligung gibt auch das Recht zur unentgeltlichen Benützung des Bettes.
Entscheidung vom 26. November 1958, 1 Ob 355/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Kläger verlangt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 8460 S, weil der Beklagte 470 m2 einer Seeparzelle 503/1 des Klägers dadurch benütze, daß sich dort seine Badeanstalt befinde. Für diese Benützung seien 6 S je Quadratmeter und Jahr angemessen, was für drei Jahre den Klagebetrag ergebe.
Das Erstgericht wies gemäß dem Antrag des Beklagten das Begehren im wesentlichen deswegen ab, weil die Seeparzelle nicht im Eigentum des Klägers stehe, sondern öffentliches Gut sei. Wenn auch mit dem Urteil des k. k. Oberlandesgerichtes Graz vom 26. August 1915, Bc I 104/15, und des k. k. Obersten Gerichtshofes vom 3. November 1915, Rv 197/15, das Begehren des k. k. Ärars gegen einen Rechtsvorgänger des Klägers im Rechtsstreit Cg II a 29/15 des k. k. Landesgerichtes Klagenfurt auf Feststellung des Eigentumsrechtes des Staates an dieser Parzelle abgewiesen worden sei, so sei die Seeparzelle dennoch nunmehr öffentliches Gut, weil der Kläger keinen vor dem Jahre 1870 entstandenen Privatrechtstitel nachgewiesen habe (§ 2 Abs. 2 WRG. 1934).
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt an die erste Instanz zurück. Es meint, daß das Seebett, in das die Piloten der Badeanstalt eingerammt seien, nach den Klagebehauptungen Eigentum des Klägers geblieben und bloß die Wasserwelle öffentliches Gut geworden sei. Es müsse daher zunächst festgestellt werden, ob der Beklagte tatsächlich das Seegrundstück des Klägers benütze.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit der Beklagte im Rekurs vorbringt, daß das Klagebegehren nicht schlüssig sei, weil der Kläger nicht ausgeführt habe, worin die Benützung der Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. bestehe und was benützt werde, ist der Rekurs aktenwidrig, weil der Kläger in der Klage angeführt hat, daß eine dem Beklagten gehörige Badeanstalt auf dieser Parzelle errichtet wurde. Er bringt also vor, daß auf seinem Grundstück ein See-Einbau des Beklagten steht. Soweit der Kläger die Klage auch auf "Fischereientgang" stützte, hat sich der Beklagte nicht gegen die Erweiterung des Klagegrundes in erster Instanz ausgesprochen. Gemäß § 235 Abs. 2 ZPO. kann er dies in dritter Instanz nicht mehr nachholen. Da der Kläger somit Ansprüche nach den §§ 1041 und 1293 ff. ABGB. geltend macht, ist für solche Ansprüche aus dem bürgerlichen Recht gemäß § 1 JN. der Rechtsweg zulässig. Dagegen versagt auch der Hinweis auf § 15 WRG., weil diese Gesetzesstelle die Erteilung von Wasserbenutzungsrechten voraussetzt, die hier niemand behauptet hat.
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der O.-See laut Anhang A zum WRG. 1934 und somit auch die Wasserwelle oberhalb der Seeparzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. "öffentliches Gewässer" im Sinne des § 2 WRG., weil der Beklagte nicht gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle einen besonderen, vor dem Jahre 1870 entstandenen Privatrechtstitel nachgewiesen hat. Der Hinweis auf den Rechtsstreit Cg II a 29/15 des Landesgerichtes Klagenfurt allein kann wohl einen solchen Titel nicht ersetzen, weil in jenem Rechtsstreit die Klage des k. k. Ärars auf Feststellung des Eigentumsrechtes des Staates an der genannten Parzelle nicht wegen eines aus der Zeit vor 1870 stammenden Eigentumstitels des Besitzvorgängers des Klägers, sondern wegen Verschweigung der allfälligen Ansprüche des Ärars anläßlich der Grundbuchsanlegung im Jahre 1883 abgewiesen wurde.
Entscheidend ist, ob es rechtlich möglich ist, daß dem Kläger dennoch am Bett des O.-Sees im Umfange der Seeparzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. Eigentum zustehen kann oder nicht. Der Beklagte vermeint im Rekurs, daß es selbstverständlich sei, daß der Seegrund das Schicksal der Hauptsache, der "Wasserwelle", teile, wie sich aus Sinn und Zweck des Wasserrechtsgesetzes ergebe.
Wegen der Unmöglichkeit der vollkommenen Beherrschung ist Eigentum an der fließenden Wasserwelle - sei es die Wasserwelle eines öffentlichen Gewässers oder eines privaten Gewässers - nicht denkbar (Klang 2. Aufl. II 137). Dies muß wohl auch von der Wasserwelle des O.-Sees gelten, dessen Wasser sich durch die Zuflüsse, den Abfluß, durch Niederschlag und Verdunstung und die Strömung im See langsam, aber stetig ändert. An der fließenden Wasserwelle gibt es daher nur Wasserbenutzungsrechte, also Sonderrechte, die vom Eigentum verschieden sind (Haager - Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 126; Klang a. a. O.). Von diesen Wasserbenutzungsrechten an der Wasserwelle, die Gegenstand des zweiten Hauptstückes des Wasserrechtsgesetzes sind, ist somit das Eigentum am Wasserbett wohl zu unterscheiden.
Wenn es auch die Regel sein mag, daß das Wasserbett von Privatgewässern im Eigentum privater Personen steht und daß das Wasserbett öffentlicher Gewässer öffentliches Wassergut ist, so kennt das Gesetz doch Ausnahmen. Dies ergibt sich vor allem aus der Bestimmung des § 4 WRG. Diese Gesetzesstelle handelt vom "öffentlichen Wassergut". Unter den Begriff des öffentlichen Wassergutes fallen nicht das Wasser, sondern lediglich Grundstücke (vgl. Hartig, Das österreichische Wasserrecht, S. 34).
Nach § 4 Abs. 1 WRG. sind wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer öffentliches Wassergut, wenn der Bundesschatz als Eigentümer in den öffentlichen Büchern eingetragen ist. Sie gelten aber bis zum Beweise des Gegenteils auch dann als öffentliches Wassergut, wenn sie wegen ihrer Eigenschaft als öffentliches Gut in kein öffentliches Buch aufgenommen sind oder wenn in den öffentlichen Büchern ihre Eigenschaft als öffentliches Gut zwar ersichtlich gemacht (§ 12 AllgGAG.), aber kein Eigentümer eingetragen ist.
Aus dieser Bestimmung ergibt sich zunächst, daß das Gesetz auch den Fall im Auge hat, daß hinsichtlich des Bettes eines öffentlichen Gewässers ein Privater als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sein kann. Daß dessen Privatrechtstitel auf die Zeit vor 1870 zurückgeht, wird in § 4 WRG. im Gegensatz zu § 2 Abs. 2 WRG. nicht gefordert.
Daß Privateigentum am Bett öffentlicher Gewässer rechtlich möglich ist, ergibt sich ferner auch aus den Bestimmungen der Abs. 6 bis 11 des § 4 WRG., die eine Ausscheidung von Grundstücken aus dem öffentlichen Wassergut und die Übertragung des Eigentums an solchen ausgeschiedenen Grundstücken an private Eigentümer unter gewissen Voraussetzungen vorsehen. Auch die Bestimmung des § 48 WRG., der die Öffentlichkeitserklärung von Privatgewässern aus wichtigen öffentlichen Interessen vorsieht, aber keineswegs einen Eigentumsübergang am Bett anläßlich einer solchen Öffentlichkeitserklärung anordnet (Hartig a. a. O. S. 35), spricht für diese Auffassung.
Die Rechtsansicht, daß das Bett öffentlicher Gewässer zwar nicht in der Regel, aber doch ausnahmsweise im Privateigentum stehen kann, wird schließlich auch von Klang a. a. O. 7, von Hartig a. a. O. S. 28, 34 und 39 und Haager - Vanderhaag a. a. O. S. 76 und 113 vertreten.
Der Kläger hat sich zum Nachweis seines Eigentums an der Seeparzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. auf das Grundbuch und auf den schon erwähnten Akt des Landesgerichtes Klagenfurt, berufen. Wenn diese Beweise auch nicht zum Nachweis hinreichen, daß es sich bei dem strittigen Teil des O.-Sees um ein Privatgewässer im Sinne des § 2 Abs. 2 WRG. handelt, so reicht der vorgelegte Grundbuchsauszug doch im Rahmen dieses Prozesses für den Nachweis hin, daß das Seebett, soweit es die Fläche der Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. umfaßt, derzeit nicht zum öffentlichen Wassergut gehört, sondern im Eigentum des Klägers steht. Der Grundbuchsauszug stammt vom 3. Februar 1958. Änderungen der Rechtslage bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz wurden nicht behauptet. Das Eigentum des Klägers hat der Beklagte nur unter Hinweis darauf bestritten, daß die Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. im Verzeichnis des öffentlichen Gutes aufscheint. Die Aufnahme ins Verzeichnis des öffentlichen Gutes hat aber dann keine rechtliche Bedeutung, wenn, wie hier, ein privater Eigentümer für das gleiche Grundstück im Eigentumsblatt eingetragen ist, was sich aus dem Schlußsatz des ersten Absatzes des § 4 WRG. ergibt. Bei der rechtlichen Entscheidung dieses Falles ist daher davon auszugehen, daß das Bett (der Seegrund) der Seeparzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. zwar derzeit Privateigentum des Klägers ist, daß die Wasserwelle dieser Parzelle aber wasserrechtlich als öffentliches Gewässer zu behandeln ist.
Nach § 5 WRG. ist die Benutzung der öffentlichen Gewässer innerhalb der durch die Gesetze gezogenen Schranken jedermann gestattet. Bezieht sich die Benutzung jedoch lediglich auf das Bett und geht sie hiebei über den Gemeingebrauch (§ 8 WRG.) hinaus, so ist jedenfalls die Einwilligung des Gründeigentümers erforderlich. Der nach § 8 WRG. zulässige Gemeingebrauch an öffentlichen Gewässern geht aber keineswegs so weit, daß auf der strittigen Parzelle eine Badeanstalt eines Hotelbetriebes errichtet werden kann, weil dadurch jedermann, der nicht Hotel- oder Badegast ist, vom Gemeingebrauch ausgeschlossen wird. Im gegenständlichen Falle wird durch die Errichtung einer Badeanstalt sowohl die Wasserwelle als auch der Seegrund, das Bett, benutzt, weil ja die Badeanstalt auf Piloten steht die in den Seegrund getrieben wurden. Die Bestimmung des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 WRG. ist demnach im gegebenen Falle nicht anzuwenden.
Erstreckt sich, wie hier, die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung eines öffentlichen Gewässers auf Wasserwelle und Bett, so begreift die wasserrechtliche Bewilligung auch das Recht zur unentgeltlichen Benutzung des Bettes in sich; dies selbst dann, wenn es im Privateigentum steht. Das Recht zur unentgeltlichen Benutzung fremden Gründes wird aber erst durch die wasserrechtliche Bewilligung erworben; solange diese noch nicht erwirkt wurde, ist der Inhaber der betreffenden Anlage auf die Einwilligung des jeweiligen Gründeigentümers angewiesen und muß sich dessen Bedingungen unterwerfen (Hartig a. a. O. S. 39).
Da die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zur Benutzung der Seeparzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. über den Gemeingebrauch hinaus zur Errichtung einer Badeanstalt von der beklagten Partei nicht behauptet wurde, steht daher dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Bezahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes zu, falls die Badeanstalt des Beklagten tatsächlich ganz oder zum Teil auf der Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. stehen sollte, dies deshalb, weil in einem solchen Falle die Sache des Klägers zum Nutzen des Beklagten verwendet wurde und verwendet wird (§ 1041 ABGB.). Das Berufungsgericht hat daher mit Recht das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und diesem aufgetragen, zu prüfen, ob und inwieweit die Badeanstalt des Beklagten auf der Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. steht und welches Benützungsentgelt allenfalls angemessen ist. Auch die Frage einer etwaigen Ersitzung des Rechtes, auf dem Grund der Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. eine Badeanstalt zu errichten und zu betreiben, wird das Erstgericht zu prüfen haben. Falls der Kläger nachweisen kann, daß ihm das Fischereirecht bezüglich der Parzelle 503/1 der Katastralgemeinde S. zusteht, wird auch zu prüfen sein, inwiefern dieses Fischereirecht durch die Errichtung der Badeanstalt beeinträchtigt ist und welcher Ersatz dem Kläger hiefür gebührt.
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