OGH 5Ob336/58

OGH5Ob336/5810.10.1958

SZ 31/122

Normen

ABGB §1295
ABGB §1295

 

Spruch:

Haftung des früheren Betriebsunternehmers eines Strandbades aus unterlassener Beseitigung von Gefahrenquellen bei Auflassung des Bades.

Entscheidung vom 10. Oktober 1958, 5 Ob 336/58.

I. Instanz: Landgsgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die beklagte Gemeinde hatte bis zum Herbst 1955 das Strandbad J. betrieben. Da ein natürlicher Zufluß fehlte, mußte es wegen Verschlammung aufgelassen werden. Von den Anlagen blieb nur ein Betonsockel mit zwei Holzpfosten stehen, der im Wasser bis zirka 10 cm unterhalb der Oberfläche aufragte. Als der Kläger am 9. Juli 1956 dort von dem zirka 40 cm höher gelegenen Ufer ins Wasser sprang, stieß er mit dem Kopf an; durch den Anprall erlitt er eine Luxationsfraktur des vierten Halswirbelkörpers und eine schwere Schädelverletzung.

Mit der Behauptung, daß die beklagte Partei, an dem Unfall ein Verschulden treffe, begehrte der Kläger ein Schmerzengeld von 25.000 S, Verdienstentgang von 10.353 S 50 g und den Ersatz der Kosten einer Halsmanschette im Betrage von 247 S 10 g.

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf den Grund des Anspruches ein und erkannte mit Zwischenurteil, daß die Forderung des Klägers mit zwei Dritteln zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei teilweise Folge und sprach aus, daß der Klageanspruch dem Gründe nach mit der Hälfte zu Recht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Als rechtsirrig bekämpft die beklagte Partei zunächst das angefochtene Urteil, weil es die Nichtbeseitigung der Mauerreste als unfallskausal angenommen habe. Sie habe durch die vorgenommenen Abtragungsarbeiten das äußere Bild des ehemaligen Strandbades so grundlich verändert, daß jeder erkennen mußte, daß er hier nicht mehr in einem Strandbad, sondern in einem Wildwasser bade, weshalb er mit allen Gefahren, die in einem solchen Bade auf den Badenden warten, rechnen mußte. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die beklagte Partei übersieht, daß sie die Gefahrenquelle geschaffen und ihre Beseitigung bei Auflassung des Bades verabsäumt hat. Damit hat sie eine Unterlassung gesetzt, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet war, den Unfall herbeizuführen. Denn wäre dieses Bauwerk nicht vorhanden gewesen, wäre der Kläger nicht an den Betonsockel angeprallt und verletzt worden. Auch die Unterlassung der Anbringung von Warnungstafeln wurde vom Berufungsgericht zutreffend als Ursache des Unfalls erkannt; wäre eine Warnungstafel aufgestellt worden, hätte der Kläger wahrscheinlich den Sprung ins Wasser unterlassen. Dies genügt aber nach der ständigen Rechtsprechung für die Annahme der Ursächlichkeit (vgl. die in der Manz'schen Großen Ausgabe zu § 1295 ABGB. unter Nr. 16 angeführten Entscheidungen). Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der beklagten Partei und dem Unfall des Klägers ist sonach gegeben.

Mit ihrer Rechtsrüge wendet sich die beklagte Partei auch gegen die Aufteilung des Verschuldens im Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel. Zutreffend weist die beklagte Partei darauf hin, daß der Kläger in dem aufgelassenen Bad mit den gleichen Gefahren wie sonst beim Wildbaden rechnen mußte und den Sprung in das Wasser von der Uferböschung nicht wagen durfte, ehe er sich von der Ungefährlichkeit des Unternehmens überzeugt hatte. Dieser Umstand läßt sein Verschulden schwerer erscheinen, als die Untergerichte angenommen haben. Nur die Schadensteilung je zur Hälfte entspricht dem beiderseitigen Verschulden.

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